Rudi Cerne im Interview

"Vorsicht, Falle!" ist zurück: "Maschen sind perfider geworden"

von Sven Hauberg

Einst waren es die Nepper, Schlepper und Bauernfänger, heute sind es falsche Polizisten und Online-Verbrecher. Doch eines ist gleich: Noch immer nutzen Betrüger die Gutmütigkeit ihrer Opfer gnadenlos aus. Das ist heute nicht anders als 1964, als Fernsehlegende Eduard Zimmermann erstmals mit seinem Aufklärungsformat "Vorsicht, Falle!" auf Sendung ging.

Nach einigen Jahren Pause schickt das ZDF das langlebige Format, das bis 2001 von Zimmermanns Tochter Sabine moderiert wurde, wieder an den Start. Rudi Cerne, der Zimmermann schon als Moderator von "Aktenzeichen XY" beerbt hatte, steht nun auch für "Vorsicht, Falle!" (ab 3. November, samstags, 15.15 Uhr, im ZDF) vor der Kamera. Mit Betrügereien kennt sich Cerne aus – "leider", wie der 60-Jährige im Interview gesteht.

prisma: Herr Cerne, sind Sie selbst schon einmal auf Betrüger reingefallen?

Rudi Cerne: Leider! Ich habe mir einmal Designermöbel im Internet bestellt, angeblich mit 30 Prozent Rabatt. Das war eine Hochglanzseite, total vertrauenerweckend. Ich habe meine Kreditkartendaten angegeben, und sofort war das Geld runter. Dann habe ich gewartet. Als nach zwölf Wochen noch nichts kam, habe ich denen geschrieben und bin vertröstet worden. Irgendwann hab ich aber meine Kreditkarte sperren lassen und konnte mir das Geld zurückholen – und habe sofort eine neue Rechnung erhalten. Schließlich habe ich aber nichts mehr von ihnen gehört.

prisma: Wurde das aufgeklärt?

Cerne: Nein. Aber seitdem schaue ich mir im Internet immer die Bewertungen der Shops an.

prisma: Lässt man sich da nicht auch von vermeintlichen Schnäppchen blenden?

Cerne: Natürlich. Das war reine Naivität. In meinem Fall ist das gut ausgegangen. Aber ich habe mich schon gefragt, wie mir so etwas passieren konnte.

prisma: Viele Betrugsopfer gehen nicht zur Polizei, weil sie sich schämen, auf Betrüger hereingefallen zu sein ...

Cerne: Das stimmt. Manchen Menschen ist das sehr peinlich und unangenehm. Vor allem, wenn es um die Liebe geht, wenn Frauen auf Dating-Portalen auf Betrüger hereinfallen. Die haben dann viel Geld weggeschenkt und fragen sich irgendwann, wie sie so blöd sein konnten. Wenn aber bei uns in der Sendung sich eine Frau traut, darüber zu sprechen, stehen die Telefone nicht mehr still, weil sich viele andere Opfer ermutigt fühlen, über ihre Erlebnisse zu sprechen.

prisma: "Vorsicht, Falle!" lief seit den 60ern. Wie haben sich die Betrugsmaschen seit damals verändert?

Cerne: Die Maschen sind perfider geworden, außerdem findet heute ganz viel im Internet statt. Früher haben die Betrüger viel mit Zeitungsannoncen gearbeitet. Da gab es etwa einen Fall, in dem eine Bande per Anzeige Männer gesucht hat, die für 5.000 Mark eine Ausbildung zum Großwildjäger machen wollte. Die Leute haben das damals vielfach bezahlt. Solche Anzeigen haben natürlich Geld gekostet, heute sind die Investitionen viel geringer.

prisma: Gibt es den berüchtigten Enkeltrick noch?

Cerne: Ja. Da spielt den Betrügern natürlich die demografische Entwicklung in die Hände, dass die Gesellschaft immer älter wird. Menschen, die noch vor 20 Jahren nie auf so eine Masche hereingefallen wären, sind heute vielleicht hilflos. Viele leben alleine und haben niemanden, der ihnen hilft. Ich hoffe, dass mir das erspart bleibt; aber davor ist man nicht gefeit. Wir versuchen mit unserem Format, die Sinne zu schärfen.

prisma: Was ist heute die häufigste Masche?

Cerne: Das sind die sogenannten "falschen Polizisten", also Betrüger, die sich als Polizeibeamte ausgeben. Das ist ein Problem, weil die Beamten in vielen Bundesländern andere Ausweise haben, die Bürger oftmals nicht erkennen. Wenn ein Polizist vor der Tür steht, dann musst du erst mal den Mut und die Gelassenheit haben, zu sagen: Einen Moment, ich rufe erst die 110 an. Man kann sich nämlich von Polizisten grundsätzlich den Namen und die Dienststelle geben lassen und fragen, in welchem Fall die Beamten hier sind. Und dann die 110 anrufen und sich die Rechtmäßigkeit des Besuchs bestätigen lassen.

prisma: Auch Betrug übers Telefon ist noch immer ein Problem ...

Cerne: Genau. Viele dieser illegalen Callcenter sitzen in der Türkei und im Libanon. Manche Menschen, die lange in Deutschland gelebt haben und die Sprache gut beherrschen, werden in ihrem Heimatland für diese Maschen rekrutiert. Sie sind dann sehr professionell im Einsatz, gehen die Telefonbücher durch und schauen nach altmodisch klingenden Vornamen, um besonders alte Menschen als potenzielle Opfer auszumachen.

prisma: Wenn man sich so viel mit Betrügereien beschäftigt wie Sie: Wird man da nicht irgendwann paranoid und wittert überall Beschiss?

Cerne: Nein, aber ich bin vorsichtiger geworden. Ich werde in letzter Zeit oft von einer 0800-Nummer angerufen. Die habe ich gegoogelt, und sofort waren da die Warnungen. Seit 16 Jahren moderiere ich "Aktenzeichen XY ... ungelöst" und habe anfangs gedacht, das könnte dahingehend etwas in mir verändern. Aber ich bin kein ängstlicher Mensch.

prisma: Was raten Sie Menschen, die sich Sorgen machen, einem Betrüger zum Opfer fallen zu können?

Cerne: Vorsicht walten lassen, aufmerksam sein, Skepsis an den Tag legen. Lieber einmal mehr als zu wenig nachdenken. Darauf kommt es an. Ich würde mich bei dubiosen Angeboten nie drängen lassen, sondern mich immer noch einmal mit meiner Frau beraten.

prisma: Woher kommen Ihre Fälle? Arbeiten Sie mit der Polizei zusammen?

Cerne: Die Fälle wählen wir selbst aus. Aber wenn die Polizei an uns herantritt und uns auf Betrugsmaschen aufmerksam macht, die gerade relevant sind, dann gehen wir natürlich darauf ein. Wir haben auch in jeder Sendung jemand von der Polizei im Studio, außerdem einen Präventionsexperten. Der erklärt uns etwa, wie man sich gegen Einbrecher absichert – das ist mit ein paar einfachen Mitteln möglich, da muss man aus seinem Zuhause kein Fort Knox machen.

prisma: Die Zahl der Verbrechen ist in Deutschland rückläufig. Schürt man da mit einer Sendung wie "Vorsicht, Falle!" oder "Aktenzeichen" nicht unnötig Ängste?

Cerne: Verbrechen ist Realität. Die Vorgehensweise hat sich verändert. Zum einen ist die Hemmschwelle für Gewalt niedriger geworden, es gibt Raubüberfälle mit großer Gewalteinwirkung für wenig Beute. Zum anderen sind die Betrugs- und auch die Einbruchskriminalität in den letzten Jahren angestiegen, mit einem breiten Spektrum. Die Öffentlichkeitsfahndung in "Aktenzeichen XY" ist in jedem Fall ultima ratio. Denn dazu braucht es einen richterlichen Beschluss. Bis die Polizei an die Öffentlichkeit geht, müssen alle herkömmlichen Ermittlungsmethoden ausgeschöpft sein. Wir bei "XY" stellen schlagartig die größte Öffentlichkeit her.

prisma: "Vorsicht, Falle!" wurde, wie "Aktenzeichen XY" auch, viele Jahre von Eduard Zimmermann moderiert. Was haben Sie sich von ihm abgeschaut?

Cerne: Seine Umsicht und Sorgfalt. Man belächelt ja oftmals den Moderationsstil von Eduard Zimmermann – wobei Stil das falsche Wort ist: Kein Moderator kann sich vor der Kamera verstellen. Man ist der, der man eben ist. Zimmermann hatte eine Präsenz. Und bei dieser Sendung verbietet es sich, eine Treppe herunterzusteppen. Soll heißen: Er war kein Showmoderator, und ich will auch keiner sein. Und deswegen, glaube ich, passt die Sendung zu mir.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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