"Das ist mein Deutschland!"

Der Name "AfD" kam nicht vor. Aber es kann keinen Zweifel geben, dass "Dunkle Zeit" der überfällige "Tatort" war zur großen sozialen Spaltung im Land. Lässt sich der Rechtspopulismus mit den Mitteln des Sonntagskrimis bloßstellen? Unser "Tatort"-Check zum bisher brisantesten Fall für die Ermittler Falke (Wotan Wilke Möhring) und Grosz (Franzsika Weisz) hat Antworten ...
Was war los?
"Die Neuen Patrioten" heißt die Partei, um die es hier ging, und die Fraktionsvorsitzende Nina Schramm (Anja Kling) war ihr Gesicht. Eine Wahl stand an, linksextreme Gruppen drohten in Internetvideos mit Mordanschlägen, da starb auf einer Landstraße bei Lüneburg Nina Schramms Gatte und Gesinnungsgenosse Richard (Udo Schenk) durch eine Autobombe. Der Anschlag habe eigentlich der bedrohten Spitzenkandidatin gegolten, eiferten die rechten Funktionäre. Die Bundespolizei stand am Pranger. Hatte sie die Gefährdungslage unterschätzt?
Wie realistisch ging es zu?
Hochgradig realistisch! Regisseur Niki Stein (auch Buch, mit Judith Angerbauer) hat die realen Vorbilder aus dem rechtspopulistischen Parteienspektrum Europas genau studiert. So ermittelten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Kollegin Grosz (Franziska Weisz) aus der Defensive heraus – und sie mussten einen politischen Feind schützen, der sie nicht nur beschimpfte, sondern gelegentlich auch umarmte. Sie wisse, dass sie Überstunden mache und vom Staat ausgenutzt werde, gab die Patrioten-Amazone gegenüber Julia Grosz mildherzig zu verstehen. Sie sei auf ihrer Seite. Populistische Verführungstechnik aus dem Lehrbuch.
Ergab die Story Sinn?
Teils! Durchaus erhellend wurde ins Innere einer scheinmoralischen Wutbürgerpartei geleuchtet. Der Vorwurf des EU-Subventionsbetrugs stand im Raum. Unter den Führungskadern herrschte ein erbitterter Machtkampf, ein rechter Portalbetreiber übte sich im Verbreiten von Fake News, in der Antifa-Bewegung mischte eine Art Doppelagentin mit. Das alles führte in der Summe allerdings zu einer gewagten Strategie: eine Bewegung, die viel Kraft aus dem Verbreiten von Verschwörungstheorien bezieht, mit der Geschichte einer mörderischen Verschwörung bloßzustellen – ob das verfängt?
Wie waren die Ermittler in Form?
Das "Du" hat die notorisch spröde Julia Grosz dem Kumpeltyp Falke kühl untersagt. Doch auch wenn es zwischenmenschlich weiter "holpert" (O-Ton Falke) und es bisweilen unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen den beiden gibt: Am Ende meisterten sie eine schwierige und undankbare Aufgabe mit Bravour. Wobei Falke die emotionalen Akzente setzte ...
Diese Szene hallt nach ...
Es war am redseligen Falke, die Werte der liberalen Gesellschaft wortreich zu verteidigen. Als die Patrioten-Frau Schramm etwas von straffälligen Migranten faselte, lief der Nord-Cop zu großer Form auf. Er sei in Hamburg-Billstedt aufgewachsen, da habe er von den Türken "aufs Maul" bekommen. Aber dann habe er sich im Boxklub angemeldet, und plötzlich waren die Türken stolz, dass da ein Deutscher trainiert. "Das ist mein Deutschland!" – Kunstpause. Gänsehaut! Ende der Debatte? Nicht ganz. Als Falke fast zur Tür raus war, fuhr die Widersacherin den spitzen Konter: "Herr Falke, da wo Sie aufgewachsen sind, habe ich bei den letzten Bürgerschaftswahlen mit meiner Partei 13 Prozent geholt."
Was sagt der Macher?
Niki Stein, renommierter Autor und Regisseur ("Rommel", "Tatort: HAL"), hat eine klare Einschätzung zur Frage, was Rechtspopulisten von anderen Parteien unterscheidet: "Es ist der Respekt vor Andersdenkenden. Dieses Grundprinzip unserer Demokratie wird von den Rechtspopulisten komplett aufgekündigt." Vor den Folgen warnt er eindringlich: "Ich arbeite zurzeit an einer zehnteiligen Reihe über Adolf Hitler. Beim Schreiben des 'Tatort'-Drehbuchs konnte ich permanent Parallelen zu den Nationalsozialisten entdecken."
Wie gut war der "Tatort"?
Eine Weile brauchte dieses ambitionierte Polit-Stück, um den Themenballast abzustreifen und zu einer packenden Krimi-Dramaturgie zu finden. Bei aller exzellenten Recherche: Das Verschwörungsmotiv erscheint in diesem Kontext etwas fragwürdig. Wir vergeben für einen fraglos brisanten und hochrelevanten Debattenkrimi deshalb "nur" eine Drei.
Quelle: teleschau – der Mediendienst