"Leben über Kreuz": Crossover der Organe
Caren und Jan warten auf eine lebensrettende Nierentransplantation. Darauf können sie leider wie so viele Deutsche ziemlich lange warten. Rettung soll eine falsche Freundschaft bringen.
Die Ausgangskonstellation des Fernsehfilms "Leben über Kreuz" ist kaum zu fassen: Caren Blumenberg und Jan Kempe sind zwei unter Tausenden, die in Deutschland jahrelang auf eine Nierentransplantation warten. Eine Organspende ihres Mannes funktioniere nicht, sagt Carens Arzt, ihr Immunsystem passe nicht zu dem seinen. Aber es gäbe die Möglichkeit einer "Überkreuzspende". Die Partnerin eines anderen Erkrankten müsste dann eine gesunde Leber spenden. Notwendig sei aber, dass Spender und Empfänger sich besonders nahe stehen, so wie das sonst nur zwischen Verwandten ersten oder zweiten Grades sei. Dass Spender und Empfänger eine enge Freundschaft verbinde, gelte es vor einer Ethikkommission zu beweisen.
Nun macht mal, heißt es also für Caren, die sich seit Jahren der Dialyse unterziehen muss, und für ihren Mann Sebastian, den sie Sebi nennt. Sebi, von Benjamin Sadler als gestresster Ehemann und Vater zweier minderjähriger Söhne mit cholerischem Überdruck gespielt, bedrängt den zuständigen Nierenarzt denn auch beträchtlich – bis der ein genetisch passendes Pärchen ausfindig machen lässt. "In der Grauzone" bewege man sich damit, wie der Bedrängte sagt. In Deutschland wird die nicht familiäre Lebendspende noch immer eher restriktiv gehandhabt. Es gilt zu warten, bis die postmortale Nierenspende kommt. Womöglich jahrelang.
Unterschiedliche Welten treffen aufeinander
Zumindest im tragikomischen Film "Leben über Kreuz " (Erstsendung ARTE, ZDF) findet sich alsbald ein Pärchen, das bereit zum Crossover der Nieren ist. Nach einer unerwarteten Begegnung vor der Praxistüre ("Wir haben einen Termin!" – "Wir auch!") treffen sich die Paare beim Italiener im Industriegebiet zum Blind Date. Die Kaugummi kauende Bedienung knallt die Gläser auf den Tisch und sagt: "Schnitzel und Salat, wie immer?" Jan, der Versicherungsmensch, ist da öfter. Bei Sebi und Caren, den Bessergestellten, erweckt das Treffen ein Naserümpfen: "Die mit ihren Regenjacken!" wettern sie über ihre neuen "Freunde". Während sich Jans gestrenge Frau Birthe (Annette Frier) einigermaßen zugänglich zeigt und sich später gar noch ein wenig in den eitlen Casanova Sebi verliebt, blockt ihr Mann so ziemlich alles ab. Ihm ist das eher peinlich, sich ein Organ von Fremden spenden lassen und dafür so zu tun, als sei man allerbeste Freunde.
Weil es gut und glaubwürdig inszeniert ist (Regie: Dagmar Seume) in all seiner Doppelbödigkeit, nimmt das Quartett der Transplantationsaspiranten erstaunlich stark für sich gefangen. Besonders Christina Hecke ist als dauermüde, aber unerbittlich verständnisvolle Ehegattin eine Wucht. Ihre Caren schwebt zwischen Leben und Tod und mildert die verbalen Entgleisungen ihres Mannes ab. "Die merkt das doch!" sagt sie, wenn der mal wieder über die Psychologin in der Ethik-Jury wütet und die Prozedur mit einem MPU-Test vergleicht.
"Werden Sie Freunde!", hatte der Arzt geraten. Doch selbst ein Segelboot-Ausflug auf dem Eiselmeer führt ins schiere Nichts – und dann noch in die Katastrophe. Während Carens jüngerer Sohn schon bei der Hauskatze Hand anlegen will, um mit der und einer im Supermarkt gekauften Niere die Transplantation zu probieren, gerät der ältere Sohn mit Jans Tochter Livia auf dem Eiselmeer in ein schweres Ungewitter. Wird das aus vier aneinander Gefesselten endlich Freunde machen?
Zu schade ist dieses tragikomische Nierenspektakel, das in seinem Dialog-Billard manchmal an den "Gott des Gemetzels" erinnert, eigentlich für den nächsten Organspende-Tag oder eine medizinisch ausgerichtete Themenwoche. Allerdings könnte es schon jetzt mal dazu anregen, um über die immer mehr ins Hintertreffen geratene "Patientenverfügung" zur Organspende wieder einmal nachzudenken. Im Nachspann wird dazu denn auch dezitiert aufgefordert.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH