TV-Premiere bei ARTE

"Hanne" mit Iris Berben: Zärtlich klopft der Tod

von Eric Leimann

Iris Berben erfährt in der Rolle einer gerade pensionierten Chef-Sekretärin, dass sie vielleicht Krebs hat. Sicher ist das jedoch nicht, die Labor-Ergebnisse kommen erst am Montag. Im von Dominik Graf fast zärtlich beobachteten TV-Drama steht der Titelheldin ein ungewöhnliches Wochenende bevor.

ARTE
Hanne
Drama • 07.06.2019 • 20:15 Uhr

Wer macht sich schon Gedanken über eine nahe Endlichkeit, wenn sich das Leben bisher stets bestens organisieren ließ? Chefsekretärin Hanne (Iris Berben) war jahrzehntelang die Frau am Kontrollhebel. Sogar die Rede zu Verabschiedung in ihre Rente hat sie selbst geschrieben. Man traut der klugen, vitalen Mittsechzigerin gar zu, das Problem eines plötzlichen Ruhestands in den Griff zu kriegen. Auch der ist schon geplant.

Beginnen soll die neue Lebensphase mit einer Krampfader-Operation, zu deren Vorbereitung eine Blutuntersuchung ansteht. Diese ergibt, dass Hanne eventuell an Leukämie erkrankt ist. Sicher ist das nicht, denn es gäbe noch andere, harmlosere Erklärungen für die erhöhten Leukozytenwerte. Krankenhausarzt Dr. Hamed (Mohamed Achour) verweist Patientin Hanne am Freitag darauf hin, dass erst am Montag der klärende Laborbefund vorliegt. Derweil solle sie sich ablenken und "auf keinen Fall im Internet recherchieren".

Es ist eine Nachricht, die Hanne den Boden unter den Füßen schwanken lässt. Zumal sie alleine lebt: Lange schon ist sie geschieden, der Sohn (Trystan Pütter) längst erwachsen. Im Angesicht eines möglichen nahen Todes verreist Hanne übers Wochenende. Sie zieht in ein Hotel und lässt sich treiben. Im Restaurant macht sie die Bekanntschaft der lebenslustigen Uli (Petra Kleinert), die dort den 70. Geburtstag ihres Mannes samt Familie feiert. Die beiden Frauen stürzen sich in eine Partynacht. Auch ein verflossener Liebhaber aus der Studentenzeit (Herbert Knaup) wird aufgesucht. Schließlich strandet Hanne bei einer lebensfrohen Proletarierfamilie und lernt, wie man ein Huhn rupft.

Überraschend leicht, aber keineswegs melodramatisch oder klischeehaft geht die vierfache Grimme-Preisträgerin Beate Langmaack ("Blauberrblau") das schwierige Thema an, wie eine Frau ihr eventuell nahendes Ende verarbeitet. Zudem verpflichtete man für die Regie Altrevoluzzer Dominik Graf ("Im Angesicht des Verbrechens"), einen "Bildermacher", der alles andere als TV-Standardware liefert. Neben dem starken Kreativduo hinter der Kamera gehört das herausragende TV-Drama jedoch Iris Berben, die Hanne mit großem Einfühlungsvermögen, aber auch äußerster Präzision spielt. Dass die Berben spielen kann, weiß man schon länger. Dass sie ihren Job hier so famos erledigt, konnte man nur erträumen, denn man sieht eine der wohl schauspielerisch besten TV-Leistungen des Fernsehjahres 2019.

Dazu passen die leisen Bilder Dominik Grafs, der seine Phase mit Extrem-Zooms, Wackelkamera und hektischen Schnitten – zumindest in diesem Film – überwunden zu haben scheint. Würde auch nicht so recht zum kontemplativen Thema des Nachdenkens über den Tod passen. Was Grafs Bilder jedoch von TV-Standardware unterscheidet, ist sein Blick für ungewöhnliche Perspektiven, Bilder und Assoziationen. Wenn Hanne im Angesicht des Todes einfach mal schweigend aus dem Fenster blickt und einen Schwarm Vögel beobachtet, der am winterlichen Himmel Formationen fliegt, hat das mehr mit Verarbeitung von Todesangst und der Liebe zum Leben zu tun, als es handelsübliche Dramen mit entsetzten Gesichtern und vielen Worten einfangen würden. Ein ganz feines Programm, das später im Jahr im Ersten zu sehen sein wird.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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