"The Act": unglaubliche Geschichte nach einer wahren Gegebenheit
Die Serie "The Act" hallt dank einer unfassbaren Geschichte und herausragenden Darstellern lange nach – und das, obwohl das Ende der True-Crime-Serie den meisten Zuschauern schon bekannt sein dürfte.
Sie geht gerne in die Shopping-Mall, manchmal sieht sie sich heimlich Schmink-Tutorials im Internet an und klar – sie liebt Disney-Filme über alles. Dinge also, die wahrscheinlich auf eine Vielzahl junger Mädchen zutriffen. Doch Gypsy (Joey King) ist beileibe kein normaler Teenager. Das wird mehr als deutlich, wenn man sie in ihrem Rollstuhl sitzen sieht, mit ihrer überdimensionierten Brille, dem glattrasierten Kopf und der Magensonde, über die sie Nahrung zu sich nimmt. Aber Gypsy hat Glück, denn ihre Mutter Dee Dee (Patricia Arquette) tut alles, damit es ihrer Tochter gut geht. Oder? Die Hulu-Serie "The Act" beginnt zunächst als berührendes Familiendrama, das nach und nach immer mehr Risse bekommt und auf ein unweigerlich dramatisches Finale zusteuert. Ab 14. Juni ist die achtteilige True-Crime-Serie auch hierzulande bei Starzplay (verfügbar via Prime Video Channels) zu sehen.
"Bei unseren Nachbarn scheint etwas nicht in Ordnung zu sein. Können Sie bitte jemanden schicken?" – ohne Umschweife wird gleich zu Beginn klar: Irgendetwas stimmt nicht im Haus von Gypsy und ihrer Mutter Dee Dee. Doch bevor auch nur im Ansatz deutlich wird, warum der Notruf abgesetzt wurde, springt "The Act" sieben Jahre zurück. Gerade ist das eingespielte Mutter-Tochter-Gespann in ein schickes, rosa angestrichenes Haus in einer netten Häusersiedlung eingezogen. Gebaut wurde es von Habitat for Humanity, extra abgestimmt auf die Bedürfnisse der schwer kranken Gypsy.
Epilepsie, Leukämie, Muskeldystrophie: Es gibt kaum etwas, an dem Gypsy nicht erkrankt ist. Doch ihre Mutter hat für jedes Leiden das passende Medikament parat – dem gigantischen Medizinschrank mit Pillen jeder Farbe und Größe sei Dank. Selbstlos stellt Dee Dee all ihre Bedürfnisse für das Wohl ihrer Tochter zurück. Sie sei geboren, um Gypsys Mutter zu sein, sagt sie des Öfteren. Ihren unermüdlichen Einsatz goutiert ihr ganzes Umfeld, etwa die Nachbarn Lacey (Anna Sophia Robb) und Mel (Chloë Sevigny), mit Anerkennung.
Hauptdarstellerinnen mit überragendem Zusammenspiel
Doch die Geschichte der vermeintlich so perfekten und fürsorglichen Mutter beginnt nach und nach zu bröckeln. Während Dr. Lakshmi Chandra (Poorna Jagannathan) Zweifel an der Richtigkeit von Gypsys Krankenakte äußert, erkennt das junge Mädchen in einem pubertätsbedingten Abnabelungsprozess, dass bei weitem nicht alles stimmt, was ihr ihre Mutter weisgemacht hat. Dazu schaffen es die Serienschöpfer Nick Antosca und Michelle Dean mit ihren bisweilen eingestreuten Zeitsprünge zurück zum eingangs erwähnten Notruf, scheibchenweise für Aufklärung zu sorgen.
Das Bemerkenswerteste über "The Act" ist, dass die Serie stetig die Spannung hochhält, obwohl viele ihrer Zuschauer wohl wissen werden, worauf die Handlung am Ende hinausläuft. Schließlich basiert sie auf einer wahren Begebenheit und einem wahrlich erschreckenden Fall. Dee Dee Blanchard hatte ihre eigentlich gesunde Tochter Gypsy über Jahre hin mit falschen Krankheitsbildern getäuscht, zahlreiche Ärzte hinters Licht geführt und ihr Kind teils sogar wissentlich krank gemacht. Ihr tragisches Ende fand die krankhafte Mutter-Tochter-Beziehung 2015, als eine Internetbekanntschaft Gypsys ihre Mutter im Schlaf erstach.
Vielleicht macht aber gerade das Wissen um das Ende das Faszinosum der Serie aus, die bereits im März ihre Premiere beim US-Streamingdienst Hulu feierte. Häppchenweise bringt die voranschreitende Handlung die schockierende Wahrheit ans Licht. Obwohl der Alltag Gypys durch ihre (vermeintlichen) Einschränkungen ereignisarm verläuft, sitzt man als Zuschauer gebannt daneben. Ursächlich dafür ist das überragende Zusammenspiel der Hauptdarstellerinnen.
Patricia Arquette, die mit ihrer oscarprämierten Leistung in "Boyhood" bereits ihr herausragendes Talent unter Beweis stellte, verkörpert Dee Dee in all ihren Facetten auf brillante Art und Weise – ob manipulativ, hilfsbedürftig oder sorgenvoll. In nichts nach steht ihr Joey King, die Gypsy eine liebenswürdige Naivität verleiht, gleichzeitig aber die innere Zerrissenheit ihrer Figur auf dem Weg zur Wahrheit auf die Leinwand bannt. So gesehen vermengt "The Act" auf mitreißende Art und Weise Zwischenmenschliches, Familiendrama und Kriminalfall und dürfte bei seinen Zuschauern noch lange nachhallen.
Quelle: teleschau – der Mediendienst