Deutscher Schauspieler in letzter Staffel dabei

"Game of Thrones": Marc Rissmann – unser Mann in Westeros

von Eric Leimann

Im deutschen TV hat Marc Rissmann bislang "nur" Nebenrollen gespielt. Doch nun sieht man den Berliner in der finalen Staffel von "Game of Thrones". Wie kam es dazu?

Obwohl der gebürtige Berliner und Modellathlet an der renommierten hauptstädtischen Schauspielschule "Ernst Busch" ausgebildet wurde, dürfte sein Name kaum jemandem etwas sagen. Der 39-Jährige spielte bislang viel Theater, im TV war er in Nebenrollen zu sehen. Eine der größten war die eines Polizisten und ehemaligen Liebhabers von "Tatort"-Kommissarin Julia Grosz (Franziska Weisz) im sehr starken Wotan-Wilke-Möhring-Fall "Alles was sie sagen". Nun jedoch spielt Rissmann plötzlich in einer ganz anderen Liga. Als deutscher Schauspieler im Finale der größten Serie der Welt sind hierzulande viele Augen auf ihn gerichtet. Wie kam Rissmann zu der spektakulären "Game of Thrones"-Rolle? Und wie sind die Stars der Serie, wenn man sie aus der Nähe – zum Beispiel auf einer Party – kennenlernt?

prisma: Herr Rissmann, wie sind Sie zu dieser Traumrolle gekommen?

Marc Rissmann: Ich habe in den letzten Jahren recht oft international gespielt. In England drehte ich "The Last Kingdom", eine Wikinger-Serie. Danach "Into The Badlands", eine amerikanische Science-Fiction-Serie mit "Mad Max"-Anstrich. Außerdem war ich in "Overlord" dabei – ein Blockbuster von J. J. Abrams. Im körperlich-kämpferischen Segment hatte ich also schon einen Fuß in der Tür.

prisma: Trotzdem wurde Sie nicht zum Casting eingeladen. Sie haben sich ungefragt für "Game of Thrones" beworben ...

Rissmann: Ja, eine belgische Freundin hatte mich per Facebook darauf aufmerksam gemacht, dass sie bei "Game of Thrones" eine neue Figur besetzen wollen. Dafür wurde von England aus ein E-Casting organisiert. Bei E-Castings steht man daheim vor einer eigenen Kamera, spielt etwas vor und verschickt es per Internet. Ich hatte mir über meinen Agenten den Kontakt besorgt. Abends um 19 Uhr erfuhr ich dann, dass ich bis 14 Uhr am nächsten Tag etwas schicken sollte. Es war ein vorgegebener Dialog, aus dem man allerdings wenig über die Rolle ableiten konnte.

prisma: Sie haben also allein und im stillen Kämmerlein für die größte Serie der Welt vorgesprochen?

Rissmann: Nun, nicht ganz allein. Ich mache solche E-Castings in der Regel mit einer zweiten Person, weil es ziemlich blöd ist, einen Dialog ohne Partner zu sprechen. Meist läuft es so: Ich telefoniere meine Freunde ab und frage, ob jemand vorbeikommen kann. Nach dem Motto: Hey, hast du Lust auf ein E-Casting? Nachher koche ich für uns ... (lacht).

prisma: Haben Sie erfahren, warum Sie genommen wurden?

Rissmann: Nein, das erfährt man in der Regel nicht. Vielleicht hatte ich den richtigen Bartwuchs (lacht). In diesem Fall reichte auch tatsächlich das E-Casting aus. Ich bekam einfach Bescheid: Du hast die Rolle! Ich weiß jedoch, dass so ein Video eine ziemlich große Runde macht. Die Caster schauen es an, dann die Produzenten, schließlich geht es zu HBO. Erst wenn es alle abnicken, bekommst du ein Rollenangebot zugeschickt.

prisma: Wie erstaunt waren Sie nah der Zusage?

Rissmann: Natürlich war ich ziemlich baff. Schließlich schaue ich "Game of Thrones" selbst seit der ersten Staffel. Aber ich habe mir angewöhnt, mich als Schauspieler zu entspannen – und einfach davon auszugehen: Was zu mir kommen soll, das kommt auch zu mir.

prisma: Die Geheimniskrämerei rund um "Game of Thrones" ist legendär. Man weiß, dass Sie eine Figur spielen, die auch in den Büchern vorkommt: Harry Strickland, den Anführer einer Söldnerarmee. In der Literatur ist das ein ganz anderer Typ als sie: älter, beleibt, mit Glatze.

Rissmann: Das stimmt, im Buch ist die Figur anders beschrieben. Ich darf nur sagen, dass ich diese Figur spiele – allerdings nicht mehr.

prisma: Es war zu lesen, dass Sie in zwei Folgen zu sehen sind. Verraten Sie, wie viele Minuten "Screen Time" Sie haben werden?

Rissmann: Nein. Ich darf auch nicht sagen, in wie vielen Folgen ich zu sehen bin. Die gesamten Dreharbeiten für Staffel acht dauerten ein Jahr. Ich bin mehrmals für meine Szenen nach Nordirland geflogen. In England wird man als Schauspieler nicht tageweise, sondern wochenweise gebucht. Man ist also da – und hält sich bereit. Welche meiner gedrehten Szenen im Endschnitt auftauchen, weiß ich bis heute selbst nicht.

prisma: Wie viele Seiten Ihres "Game of Thrones"-Vertrags enthielten Ausführungen zum Thema Schweigepflicht?

Rissmann: Das hat mein Agent gemacht, ich habe mir das alles gar nicht so genau angesehen. In puncto Schweigepflicht war es ein ziemlich einfacher Deal. Man darf rein gar nichts verraten, insofern muss man auch nicht lange darüber nachdenken.

prisma: Es war ja sogar die Rede davon, dass in Staffel acht Fake-Szenen gedreht wurde, um ein Plot-Leak des Finales zu vermeiden. Haben Sie auch an solchen Fake-Szenen mitgewirkt?

Rissmann: Das weiß ich nicht. Und wenn es so gewesen wäre, hätte man es mir sicherlich nicht gesagt (lacht).

prisma: Welche Stars der Serie durften Sie aus der Nähe kennenlernen?

Rissmann: Fast alle. Entweder habe ich mit ihnen gedreht oder ich lernte sie bei der großen Abschlussparty kennen, die am Ende der Produktion stieg. Ein paar Kollegen kannte ich schon vorher, wie den dänischen Schauspieler Pilou Asbaek (spielt in "GoT" Bösewicht Euron Graufreud, d. Red.), der ein wahnsinnig lieber Kerl ist.

prisma: Mussten Sie sich selbst kneifen, als Sie auf dieser Party herumliefen?

Rissmann: Ja, es ist schon ein wenig wie im Traum. Man ist auf einer Party, nur dass da eben sämtliche "Game of Thrones"-Stars herumlaufen. Aber privat sind das ja auch alles sehr nette, ganz normale Menschen.

prisma: Waren Sie bestimmten Kollegen überrascht, die Sie sich im wirklichen Leben ganz anders vorgestellt hätten?

Rissmann: Nicht wirklich. Als Schauspieler weiß man zu abstrahieren und läuft nicht so schnell Gefahr, eine Rolle mit dem Menschen dahinter zu verwechseln. Auffällig war jedoch, dass alle, die mit ihm gearbeitet haben, sagten, dass Jack Gleeson, der den bösen König Joffrey gespielt hat, privat der netteste Mensch der Welt sei. Weil das alles sagten, muss etwas dran sein (lacht). Auch Lena Heady, die Cersei spielt, ist ein sehr angenehmer Mensch – und außerdem sehr lustig.

prisma: Ist es immer noch so, dass man als deutscher Schauspieler in englischen oder amerikanischen Produktionen bevorzugt als Bösewicht oder zumindest kriegerischer Typ besetzt wird?

Rissmann: Ich glaube, es kommt auf das an, was man in dir sieht. Auch darauf, was man bis dahin gedreht hat. Ich war nun öfter in körperlichen Rollen zu sehen, was bei meiner Statur und meinem Background als ehemaliger Sportstudent ja auch naheliegend ist. Aber ich möchte mich als Schauspieler immer neu herausfordern und mich in unterschiedlichen Figuren neu entdecken.

prisma: Was haben Sie nach "GoT" gedreht?

Rissmann: Ich bin gerade aus Kanada zurückgekommen, wo ich für die Amazon-Serie "The Man in The High Castle" drehte. Da spiele ich Obergruppenführer Wilhelm Görtzmann, neben Rufus Sewell, was eine vollkommen andere Figur ist. Die Serie erforscht die menschlichen Abgründe innerhalb eines politischen Systems, ohne sie zu dämonisieren oder als eindimensionale Bösewichte darzustellen.

prisma: Wird das eine größere Rolle sein?

Rissmann: Ja, und auch eine, für die ich sehr dankbar und stolz bin. Man wird später in diesem Jahr noch mehr dazu erfahren, denke ich.

prisma: In Deutschland sind Sie bislang noch ziemlich unbekannt. Kann es sein, dass Sie international erfolgreicher sind, als man das in Ihrer Heimat annehmen dürfte?

Rissmann: Die letzten drei Jahre drehte ich tatsächlich öfter im Ausland als in Deutschland. Man muss einfach sehen, dass es auch für deutsche Schauspieler mittlerweile einen größeren Markt gibt, weil so viele internationale Produktionen realisiert werden, gerade im Serienbereich. Aber, na klar, ich würde auch gern mehr in Deutschland drehen. Allein schon deshalb, weil ich gerne in meinem eigenen Bett schlafe.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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