Schauspieler im Interview

Friedrich von Thun: Im echten Leben ist er gar kein Stinkstiefel

von Wilfried Geldner

Mit der Werfel-Verfilmung "Eine blassblaue Frauenschrift" von 1984 wurde er berühmt. Serien wie "Die Verbrechen des Professor Capellari" erbrachten dem 1942 im böhmischen Krassnitz geborenen Friedrich von Thun Popularität. An der Seite von Aglaia Szyszkowitz ist er nun ein bayerischer Grantler.

Berge und Landleben haben Hochkonjunktur. In der neuen Filmreihe "Zimmer mit Stall" (Freitag, 7. Juni, 20.15 Uhr, im Ersten) stehen sich in einer Art höchster Reduktion des Heimatfilms die Klasseschauspieler Aglaia Szyszkowitz und Friedrich von Thun im Dauerclinch gegenüber – sie als naturverbundener Sonnenschein und Neubesitzerin, er als ewiger Grantler, der auf "seinem" Hof das Althergebrachte gegen die geschäftstüchtige Modernisierung verteidigen will. Ziegen, Hühner, Lamas, Esel machen vor grüner Bergkulisse gute Miene zum augenzwinkernd bösen Spiel. Der mittlerweile 76-jährige Friedrich von Thun, ein Grandseigneur mit Hintersinn und Nachkomme eines alten böhmischen Adelsgeschlechts, hätte es womöglich gerne einen Tick schräger gehabt.

prisma: Herr von Thun, was hat Sie an der Rolle dieses Barthl, der ja ein rechter Grantler ist, manche nennen ihn sogar einen "Stinkstiefel", gereizt?

Friedrich von Thun: Ich fand es toll, einen Menschen zu spielen, der mit mir überhaupt nichts zu tun hat: einen bösen Grantler voller Emotionen. Das sind Eigenschaften, die zu spielen mir sehr viel Freude machen.

prisma: Das Aufbrausende ist Ihnen nicht unbedingt fremd?

Von Thun: Eigentlich schon. Ich bin ein Mensch, der Harmonie mag und der sich auch so benimmt, dass Harmonie entstehen kann, weil ich mich so einfach wohler fühle. Ich bin keiner, der mit Aggressionen etwas erreichen will. Aber manchmal, wenn mir etwas nicht passt, dann haue ich schon auf den Tisch und schreie, aber das passiert nicht sehr oft.

prisma: Wirken Sie beim Drehen auch auf Ihre Filmpartner ein? Trotz der im Drehbuch festgeschriebenen Film-Feindschaft wirkt etwa das Zusammenspiel mit Aglaia Szyszkowitz doch recht harmonisch.

Von Thun: Es ist ein gegenseitiger Einfluss, ein Miteinander. "Ich bin ich", das geht nicht beim Drehen. Aglaia Szyszkowitz ist natürlich eine tolle Partnerin. Es erinnert mich ein wenig an die Serie "Dr. Schwarz und Dr. Martin" mit Senta Berger in den 90er-Jahren – perfekt. Es gab aber auch andere Erlebnisse. Danach, etwa in der Reihe "Die Verbrechen des Professor Capellari", hatte ich auch mal Partnerinnen, die sich schrecklich angestellt haben. Wenn mir die Arbeit keine Freude macht, das ist dann unnütz, das versuche ich zu vermeiden.

prisma: Der Film wurde in Oberbayern, in Hausham, gedreht, vor perfekter Alpenkulisse. Sind Sie ein Naturfreund, ein Wandervogel?

Von Thun: Überhaupt nicht. Ich bin gerne in der Natur, spiele gerne Golf. Vom Tegernsee aus besuche ich gerne meinen Freund, den Komponisten Eberhard Schoener, der in Hausham wohnt. Ich finde, es ist ein traumhafter, ein unfassbar schöner Platz. So gesehen, zeigen unsere Filme ja auch, wie schön Bayern ist.

prisma: Der Film hat aber auch schräge Momente – etwa eine Urnenbestattung im See, und manchmal fallen richtig böse Worte, wenn Ihnen als Barthl von ihrer wütenden "Feindin" das Alter vorgeworfen oder gar das baldige Sterben angedroht wird.

Von Thun: Um das Schräge kämpften wir sehr. Wir wollten ja nicht einfach eine ganz normale Beziehungsgeschichte spielen. Es wäre sonst eine Nachmittagssendung geworden, die nur so vor sich hinplätschert.

prisma: Wie gehen Sie eigentlich selber mit dem fortschreitenden Alter um?

Von Thun: Ganz normal. Es ist eine reale Situation in meinem Leben, von der ich seit meiner Geburt weiß, dass sie kommt. Als Familienmensch, wie ich einer bin, macht man sein Testament und bespricht es mit den Kindern.

prisma: Sie haben ein Testament gemacht?

Von Thun: Ich muss es immer wieder ändern. Das ist dann wie beim Aufräumen eines Bücherregals. Ich finde es einen wichtigen Moment, weil man sich da überlegt, wem man eigentlich eine Freude machen will und wie man Ärger vermeiden kann. Es ist kein Moment, in dem man vor Ehrfurcht erschauern muss. Aber es ist für einen selbst ein guter Moment, ein Moment der Ehrlichkeit.

prisma: Sie haben zwei Kinder, eine Tochter und Ihren Sohn Max, der selbst als Schauspieler sehr erfolgreich ist. Von Ihren fünf Enkeln sprechen Sie mit Begeisterung, sie halfen Ihnen auch über Lebenskrisen wie den Tod einer Partnerin hinweg. Wie gestalten Sie dieses Opa-Leben?

Von Thun: Wir gehen ins Kino, machen Spiele, vor allem Kartenspiele. Dann zeigen sie mir ihre grässlichen Games, die ich nicht verstehe. Ich heuchle Interesse für eine Welt, die ich nicht kenne und nicht beherrsche. Ich mache aber mit ihnen Hausaufgaben. Lateinnachhilfe tut mir gut, wenn ich mich an die Grammatik und an die Vokabeln erinnere. Die Mathematik überlasse ich den Schwiegereltern. Die machen das am Handy aus der Ferne. Ich kriege dann mit, wenn es die Enkelin besser weiß: "Aber, Papi, das ist doch keine Sechs. Das ist doch eine acht, mit zwei Bäuchen."

"Adel ist kein Verdienst"

prisma: Eine Ihrer größten Leistungen war sicher die des opportunistischen österreichischen Beamten in "Eine blassblaue Frauenschrift" unter der Regie von Axel Corti. Auf den Zuschauer wirken Sie immer so, als wären Sie von Kindheit an mit der Kamera aufgewachsen. War für Sie die Kamera, um es etwas schief auszudrücken, eine Art Muttermilch?

Von Thun: Woher diese Affinität kommt, weiß ich auch nicht. Der Axel Corti hat mich und meinen Vater einmal besucht und wollte ein gemeinsames Foto machen. Mein Vater hat dann so ein Fotogesicht gemacht – die ganze Ähnlichkeit war weg. Was ich betrifft: Ich schaue auf die Kamera wie auf eine andere Person. Ich habe das nicht gelernt, es war einfach da – von Anfang an. Aber Muttermilch – Das finde ich stark übertrieben!

prisma: Aber offensichtlich funktioniert es ja auch ohne Kamera. Im Herbst gehen Sie mit Peter Weck als "Sunny Boys" auf Tournee, augenblicklich sind Sie auch noch am Gärtnerplatz als Colonel Pickering in "My Fair Lady" zu sehen. Angefangen hat Ihr Theaterfaible im Internat, in einer Klosterschule in der Steiermark.

Von Thun: Ja, der Theaterpater hat mich da geholt ...

prisma: Theaterpater?

Von Thun: Ja, wir haben "Wallenstein", "Alibaba und die 40 Räuber" und viel Nestroy, den "Jux", gespielt. Die Rolle als solche war eigentlich egal, Hauptsache, dass etwas passiert. Mit den Theaterproben hatte man obendrein eine wunderbare Ausrede, wenn man wieder mal keine Vokabeln gelernt hatte.

prisma: War die Internatszeit insgesamt hart für Sie?

Von Thun: Wir schliefen in einem Schlafsaal mit 40 Betten. Das Internat lag auf 1.200 Metern Höhe. Im Winter ist das Wasser im Waschraum eingefroren. Einmal in der Woche war Duschen, dann musste man um sechs Uhr morgens im Pyjama über den Hof. Wenn wir Hunger hatten, hat uns der Bruder Hermann heimlich ein Stück Brot zugesteckt. Gelernt haben wir nicht so viel. Als ich später zum Studieren nach München kam, hatte ich beispielsweise von Georg Trakl nie etwas gehört. Aber es blieb doch ein Gefühl für Kultur, für Humanismus und soziales Verhalten. Wir hatten ja dort auch eine wunderbare Clique, ein Team, das zusammenhielt.

prisma: Sie entstammen bekanntlich einem alten österreichischen Adelsgeschlecht in Böhmen. Sie sprechen vermehrt darüber, auch über die eigene Vertreibung als Kind nach dem Krieg, mehr als noch vor Zeiten. Ist die Vergangenheit ferner gerückt?

Von Thun: Das mit dem Adel ist ja kein Verdienst. Ich bin halt in diese Familie hineingeboren. Eine Zeitlang habe ich es abgelehnt, mich damit zu beschäftigen. Ich nehme es als Faktum, nicht als Auszeichnung. Das Interesse an der Geschichte ist mittlerweile bei mir gewachsen. Im österreichischen Fernsehen, in Ö3, habe ich übrigens bereits mehrere Filme über die Habsburger und über andere österreichische Familien moderiert. Auch in Österreich gibt es die Einsicht, dass die Habsburger das Land mit zum Guten geformt haben.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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