Alle zwölf Minuten wird jemand umgelegt
Verrat wittern, drohen, auslöschen: Als eiskalter Mafiaboss mordet sich Johnny Depp durch einen routinierten Gangsterfilm.
"Mach das nicht noch mal!", ermahnt Gangsterboss Jimmy 'Whitey' Bulger (Johnny Depp) einen Spießgesellen beim Abhängen in der Bar. Zuvor hat er ihm auseinandergesetzt, wie ekelhaft es ist, sich außer Nüssen die Finger gleich mit tief in den Mund zu stecken. Das Gegenüber bleibt gleichgültig. Das ist unklug bei einem gefährlichen Typen wie Jimmy Bulger. Es geschieht, was in solchen Momenten immer in einem coolen Gangsterfilm geschieht. Und dennoch enttäuscht, wie geradlinig der Film auf den Mord zuläuft. Steckt denn ein Johnny-Depp-Film nicht immer voller Überraschungen, oder erwartet man da zu viel? "Black Mass – Das Syndikat" bleibt vorhersehbar. Daran ist allerdings nicht die wahre Geschichte schuld, die dem Thriller zugrunde liegt. Das ZDF hat den Film von Regisseur Scott Cooper ("Feinde - Hostiles") nun als Free-TV-Premiere im Programm.
Die Story beginnt 1975 in einem leicht heruntergekommenen Viertel im Süden Bostons, das auch die schlimmsten Typen mit einem Anflug von Zärtlichkeit "Southie" nennen. Hier kontrolliert Jimmy Bulger Drogenhandel, Spielhöllen und Huren. Aber der italienische Angiulo-Clan aus dem Norden setzt dem irischstämmigen Jimmy hart zu, trachtet ihm angeblich sogar nach dem Leben. Doch wo Gefahr ist, wächst auch Rettendes.
FBI-Agent John Connolly (Joel Edgerton) steht nicht nur seit Kindertagen in Jimmys Schuld. Um dem Angiulo-Clan das Handwerk zu legen und als Mafiajäger in die Annalen der Polizeigeschichte einzugehen, macht er Jimmy zu seinem Informanten. Unter Connollys schützender Hand blüht Jimmy so richtig auf. Die ganze Stadt steckt er in die Tasche, und bald pflastert er auch das ferne Florida mit Leichen.
Die polizeilichen Verhöre, die Jimmys Aufstieg rekonstruieren, geben "Black Mass" eine durchaus interessante Erzählstruktur. Auch die Themen – Loyalität, Korruption, Familienbande, die irische Community in den USA – bieten eine spannende Grundlage. Mit dem in Jimmys Sumpf versinkenden FBI-Agenten Connolly sowie Jimmys Bruder, dem angesehen Senator Billy (Benedict Cumberbatch), der Familie und Politik streng zu trennen weiß, gibt es auch bemerkenswerte Charaktere. Doch nichts davon kommt zur Entfaltung. Denn "Black Mass" fokussiert sich nur auf eines: das Töten.
Mit der sturen Regelmäßigkeit eines Abzählreims beißt alle zwölf Minuten jemand ins Gras. Das Muster ist immer dasselbe. Jimmy warnt einen Typen, von dem er sich verraten fühlt. Der hört nicht. Jimmy lässt ihn töten – oder erledigt es selbst, durch Erdrosseln oder Genickbruch. Speziell mit Aufnahmen von Schüssen aus kurzer Distanz ins Gesicht und zu Breihaufen geprügelten Leibern ahmt die blutdurstige Kamera von Masanobu Takayanagi geflissentlich einschlägige Scorsese-Filme nach. Was jene jedoch darüber zu sagen haben, was Gewalt mit Menschen innerlich anrichtet, davon nimmt "Black Mass" kaum Kenntnis.
Quelle: teleschau – der Mediendienst