"Vadder, Kutter, Sohn"

Axel Prahl und Jonas Nay: Bekenntnisse zweier Nordlichter

von Eric Leimann

In der Nordkomödie "Vadder, Kutter, Sohn" sind die beiden gebürtigen Schleswig-Holsteiner Axel Prahl und Jonas Nay als Vater und Sohn zu sehen. Darin beweisen sie auch, dass sie nicht nur gefeierte Schauspieler, sondern auch Musiker sind, deren Fähigkeiten weit über den Hobby-Status hinausreichen.

Axel Prahl, bekannt als Münsteraner "Tatort"-Kommissar Frank Thiel, kam 1960 im schleswig-holsteinischen Eutin zur Welt. 30 Jahre später wurde knappe 40 Kilometer südlich Jonas Nay geboren. Während Prahl in seinem Leben viel herumgekommen ist, zog der heute 27-jährige Nay nach einem kurzen Ausflug nach Berlin zurück an die heimische Ostsee. In seiner Geburtsstadt Lübeck studiert Jonas Nay neben der Schauspielkarriere ("Deutschland 83") Jazzpiano. Für die lakonische Vater-Sohn-Komödie "Vadder, Kutter, Sohn" (Freitag, 6. Oktober 2017, 20.15 Uhr, ARD) standen die beiden Nordlichter nun gemeinsam vor der Kamera. Dass Axel Prahl, der auch als Sänger und Gitarrist auftritt, und Jonas Nay tatsächlich Ahnung von Musik haben, war für den Film übrigens nicht ganz unerheblich. Es gilt, einen traditionsreichen Shanty-Chor vor dem Aus zu retten.

prisma: Sie sind beide Musiker und Schauspieler. Leider dürfen Sie nur in der letzten Szene gemeinsam Musik machen. Schade eigentlich ...

Axel Prahl: Ja, es ist ein bisschen schade. Aber im Film geht es eben nicht um eine Generationen-Band, sondern um die Sprachlosigkeit zwischen Vater und Sohn. Musik ist ebenfalls nur eine Sprache. Auch die muss man erst mal finden. Wenn sich Vater und Sohn lange Zeit nichts zu sagen haben, gibt's logischerweise auch keine gemeinsame Musik.

prisma: Waren ihre musikalischen Fähigkeiten Einstellungs-Voraussetzung bei diesem Projekt?

Prahl: Die Musik hat uns auf jeden Fall zusammengebracht. Jonas brachte zum Casting ein Banjo mit. Wir haben dann zusammen einen Song von Element Of Crime gespielt, das hat gut funktioniert. Jakob Ilja, der bei der Band spielt, machte die Musik zum Film, und er schrieb auch den sehr charmanten Song, den wir am Ende spielen.

Jonas Nay: Die Musik selbst spielen zu können, war auf jeden Fall Voraussetzung für die jungen Schauspieler, die sich auf meine spätere Rolle bewarben. Axel war schon besetzt, aber die Rolle des Sohnes war sozusagen noch frei. Man sollte beim Casting zwei Szenen spielen, aber auch diesen Song gemeinsam mit Axel interpretieren. Da im Drehbuch stand, dass der Sohn Banjo spielt, fand ich es relativ sinnvoll, das Instrument gleich mitzubringen.

prisma: Konnten Sie es denn spielen?

Nay: Ich studiere eigentlich Jazz-Piano, kann aber so ein bisschen Gitarre spielen. Von der Gitarre zum Banjo ist es kein weiter Weg. Da ich an der Musikhochschule in Lübeck studiere, konnte ich mir dort ein Instrument ausleihen.

prisma: Nicht nur das mit der Musik passt bei Ihnen beiden, sondern auch die Herkunft. Sie sind beide in Schleswig-Holstein groß geworden. War die nordische Herkunft auch Voraussetzung?

Prahl: Klar, wir reden von Haus aus so wie im Film. Natürlich kann man sich das auch ein bisschen draufschaffen. Ich habe aber selbst schon die leidvolle Erfahrung gemacht, dass man dabei auch auf die Nase fallen kann. Die Einheimischen hören es immer, wenn ein Dialekt angelernt ist.

prisma: Reden Sie privat so wie Ihre Figuren im Film?

Nay: Bei mir ist es schon so, dass ich dann sehr nordisch klinge, sagen mir zumindest alle in meinem Umfeld. Wenn ich nicht aufpasse, kriegt meine Stimme eine andere Farbe, so etwas leicht "twangiges", typisch Norddeutsch eben. Ich muss in den Rollen, die nicht nordisch sind, aufpassen, dass ich Hochdeutsch rede, kriege ich aber hin.

Prahl: Ich bin da mehr so ein Sprach-Chamäleon. Erstens bin ich schon lange weg aus dem Norden und auch sieben oder acht Jahre mit einem Berliner Vater aufgewachsen. Wenn um mich herum "berlinert" wird, kommt das bei mir auch ganz natürlich raus.

prisma: Ist das Klischee, dass der Norddeutsche eher wortkarg ist, eigentlich zutreffend?

Prahl: Der Norddeutsche ist eher bekannt dafür, schnell auf den Punkt zu kommen und nicht lange "rumzusabbeln". Dieses auf den Punkt kommen kann aber durchaus sehr wortreich ausfallen, wenn es genug zu sagen gibt. An den meisten Klischees ist aber etwas Wahres dran. So auch an der angeblichen Mentalität des ländlichen Nordens.

prisma: Filme des Regisseurs Lars Jessen arbeiten gerne mit solchen Klischees. Sie haben ja an der Nordseeküste gedreht. Stirbt die norddeutsch-herbe Welt des Dorfes, das Sie da porträtieren, so langsam aus?

Nay: Ja, leider schon. Besonders die eigentümliche Welt der deutschen Küstendörfer. Aber noch gibt es sie. Wir haben tatsächlich in einem solchen Dorf gedreht, zwischen Büsum und Heide. Die Leute sind da teilweise immer noch erstaunlich autonom. Sie lassen sich nicht aus ihrer Ruhe bringen. Ich erinnere mich daran, dass ich mit Axel gerade eine sehr emotionale Szene drehte, in der wir die Straße lang laufen. Da kommt ein Typ aus seinem Haus und bringt in Unterhose und Feinripp-Unterhemd den Müll raus. Dass wir da drehten, hat den gar nicht gestört.

Prahl: Überhaupt interessiert es den Küstenmenschen herzlich wenig, dass in seinem Dorf ein Film gedreht wird. Obwohl das bestimmt nicht oft passiert. Die Leute lebten dort ein grandioses Desinteresse für uns. Auch das ist ein Stück weit die Mentalität des Landstrichs.

prisma: Was fehlt Ihnen am Norden, wenn sie längere Zeit nicht dort waren?

Prahl: Bei mir ist es auf jeden Fall das Meer. Seine endlose Weite lässt mir das Herz aufgehen. Auf Windkrafträder kann ich hingegen gut verzichten.

Nay: Das ist interessant, für mich gehören die nämlich längst zum Norden und meinem Heimatgefühl dazu. Ich habe das nie verstanden, dass Leute Windkrafträder nicht mögen. Ich finde die Dinger total romantisch. Wahrscheinlich, weil ich schon damit aufgewachsen bin.

prisma: Kann man Heimat komplett an solchen Attributen festmachen?

Nay: Nein, da gehört noch mehr dazu. Für mich ist es das Gefühl der Ruhe, das mich überkommt, wenn ich beispielsweise von Berlin in den Norden fahre. Wenn die Landschaft typisch norddeutsch wird, überkommt mich das Gefühl, dass mir hier nichts mehr passieren kann. Erklären kann ich es nicht. Ich glaube, es ist das Vertraute, das mir Sicherheit gibt. Das können sogar eher unangenehme Sachen sein. Du weißt, wenn dich der Typ hinter der Theke anraunzt, meint er es nicht böse. Diese Art der Ansprache gehört dort einfach dazu.

prisma: Zurück zur Musik. Viele Schauspieler sind entsetzt, wenn sie bei der Ausstrahlung ihrer Filme Musik hören, die unter ihre Szenen gelegt wurde. Wie sehr hat Sie die Musiksauce in Ihren Filmen schon genervt?

Prahl: Das ist in der Tat sehr unterschiedlich. Grundsätzlich existiert Musik in Filmen, um eine emotionale Wirkung zu erzeugen. Am häufigsten ist es so, dass die Musik als Verstärker der Gefühle arbeitet, die man in der Szene betrachtet. Das sagt jetzt natürlich noch nichts über die Qualität der Musik aus. Es gibt auch Musik, die setzt einen Kontrapunkt. Und es gibt Musik, die ist einfach daneben. Für gute Filmmusik muss auch ein entsprechendes Budget da sein. Grundsätzlich ist es so, dass ein Film im Schnitt entschieden wird. Du kannst dir als Schauspieler die Seele aus dem Leib spielen – am Ende entscheiden andere, was davon im Film zu sehen ist.

Nay: Gute Regisseure achten darauf, wie Musik im Film eingesetzt wird. Ich kenne aber auch die andere Seite, weil ich selbst schon als Filmkomponist gearbeitet habe. Letztes Jahr zum Beispiel für den SAT.1-Film "Leg dich nicht mit Klara an". Filmmusik mache ich immer mit meinem besten Freund, der auch Gitarrist meiner Band ist. Da ich Musik studiere, habe ich ein sehr genaues Ohr für Musik im Film. Ich bin wie Axel der Meinung, dass ein guter Regisseur, der eine Vision von seinem Film in sich trägt, keine schlechte Musik zulassen wird. Ob in Deutschland oder anderswo, ob im Fernsehen oder im Kino.

prisma: Dachten Sie mal, dass die Musik einen Ihrer Filme kaputt gemacht hat?

Nay: Nein, tatsächlich nicht. Vielleicht hatte ich einfach das Glück, in vielen guten Filmen mitspielen zu dürfen.

prisma: Haben Sie eine Lieblingsfilmmusik?

Prahl: Ist vielleicht nicht besonders originell, aber ich sage "Spiel mir das Lied vom Tod". Überhaupt Ennio Morricone. Der ist für mich einer der größten Filmkomponisten überhaupt.

Nay: Ich finde den Soundtrack von "The Revenant - Der Rückkehrer" von Ryuichi Sakamoto herausragend. Seine Musik spielt mit ganz starken Pausen. Dazu sieht man diese grandiosen Landschaften, die durch die Pausen in der Musik noch weiter und endloser wirken. Gute Musik macht Filme größer. Aber sie macht niemals aus einem schlechten Film einen guten.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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