"Afghanistan. Das verwundete Land": vom Sehnsuchtsort zum Kriegsgebiet
Einst war Afghanistan weltoffen, galt als das modernste Land der arabischen Welt. Doch seit 40 Jahren prägt Afghanistan ein Zustand politischer Instabilität. Eine Doku-Reihe versucht sich an Ursachenforschung.
Erst vor wenigen Wochen wurde in Afghanistan mit Ashraf Ghani ein neuer Präsident vereidigt. Dass mit dem neuen Staatsoberhaupt endlich wieder Ruhe in dem von Krisen gebeutelten Land einkehrt, scheint jedoch ungewiss. Denn Abdullah Abdullah, bei der Wahl als Verlierer hervorgegangen, kündigte an, den Ausgang der Abstimmung nicht anzuerkennen. Dieses Chaos zeigt einmal mehr, wie gespalten das Land ist. Positive Schlagzeilen aus Afghanistan erreichen einen hierzulande so gut wie nie. Stattdessen hört man von der Schreckensherrschaft der Taliban, die noch immer viel Einfluss nimmt, von Attentaten und Toten. Wie sich der einst modernste Staat der arabischen Welt zum dauerhaften politischen Problemherd entwickeln konnte, versucht die vierteilige ARTE-Dokumentationsreihe "Afghanistan. Das verwundete Land" aufzuklären.
Angefangen in den 70er-Jahren, arbeiten sich die Regisseure Mayte Carrasco und Marcel Mettensiefen chronologisch an den politischen Entwicklungen, den Hochs und den Tiefs in der jüngeren Geschichte Afghanistans ab. Mit Originalaufnahmen der Zeit offenbart der erste Teil der Filmreihe (ab 20.15 Uhr) ein Land, das sich mit seinem pulsierenden kulturellen Leben und den vielen historisch bedeutsamen Stätten als Sehnsuchtsort für viele Touristen, insbesondere Hippies, etablierte. "Kinos, Restaurants, Hotels – vermutlich war es sogar besser als in Europa", heißt es von einer der vielen Frauen und Männer, die in den umfangreich recherchierten Filmbeiträgen zu Wort kommen.
Mit dem progressiven König Mohammed Zahir Schah an der Spitze stand Afghanistan damals an der Schwelle zur Moderne, war westlich geprägt, und ein forschrittliches Frauenbild begann sich zu etablieren. Die Hauptstadt Kabul kristallisierte sich dabei als Epizentrum und Schmelztiegel verschiedener Kulturen heraus. Auf dem Land, in den rückständigen und von streng religiösen Strömungen geprägten Provinzen, hingegen regte sich vermehrt Protest gegen den Fortschrittsdrang der Regierung. Aus diesen Klassenunterschieden und der Macht der Religion heraus erlebte der Kommunismus einen beispiellosen Aufstieg. Nachdem Schah 1973 aus dem Amt geputscht wurde, begann die politische Instabilität, die das Land bis heute nicht hinter sich lassen konnte. An diese Zeit erinnern sich unter anderem "Miss Afghanistan 1972", der Bruder der letzten afghanischen Königin, Gulbuddin Hekmatjar, Gründer der ersten islamistischen Partei, und Sima Samar, erste Frauenministerin, zurück.
Der zweite Film der vierteiligen Dokumentationsreihe rekapituliert ab 21.05 Uhr den Einmarsch der Sowjetarmee. Dieser Konflikt fungierte gleichzeitig als Brutkasten für Dschihadisten wie Osama Bin Laden. Auch die USA mischte mit ihrem Geheimdienst CIA mit. Von ihren Erfahrungen berichten unter anderem ein CIA-Agent und der Führer der größten Mudjahedin-Fraktion. Im dritten Filmbeitrag wird ab 22.10 Uhr die Rolle der Taliban in den 90er-Jahren in den Blick genommen. Der abschließende vierte Teil beschäftigt sich mit den Auswirkungen von 9/11 und dem Einmarsch der US-Armee in Afghanistan.
Auch im Anschluss an die sehenswerte Dokumentationsreihe "Afghanistan. Das verwundete Land" bleibt ARTE im Thema. Das Magazin "Mit offenen Karten" stellt in der Ausgabe "Afghanistan, ein zerklüftetes Land" (0.00 Uhr) die aktuelle politische Gemengelage vor. Den Abschluss des Themenabends bildet die Dokumentation "Frauenfußball in Kabul" (0.15 Uhr).
Afghanistan. Das verwundete Land – Di. 07.04. – ARTE: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH