11.06.2021 Ausreichende Versorgung wichtig

Vitamin D - was kann das Sonnenvitamin?

Vitamin D wird umgangssprachlich oft Sonnenvitamin genannt.
Vitamin D wird umgangssprachlich oft Sonnenvitamin genannt. Fotoquelle: picture alliance / Zoonar | Olga Sergeeva

Der menschliche Organismus kann es nur mit Hilfe von Sonnenlicht herstellen: Vitamin D. Deshalb wird es umgangssprachlich oft Sonnenvitamin genannt. Seine bekannteste Funktion ist die Beteiligung von Vitamin D3 am Knochenstoffwechsel. Eine Vitamin-D-haltige Ernährung allein reicht nicht aus, um den Vitamin-D-Tagesbedarf zu decken.

Das fettlösliche Vitamin nimmt aus diesem Grund eine Sonderstellung unter den Vitaminen ein. Grundsätzlich gilt: Wer sich oft genug draußen an der frischen Luft aufhält, hat in der Regel einen normalen Vitamin-D-Spiegel. Aber gerade für ältere Menschen gibt es Ausnahmen. Doch Vorsicht: eine Überdosierung ist mit Risiken verbunden.

"Vitamine und Mineralstoffe gehören zu den Mikronährstoffen. Sie liefern zwar keine Energie, wie die Makronährstoffe Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße, haben aber trotzdem wichtige Aufgaben", erklärt die Frankfurter Ernährungswissenschaftlerin Dr. Annette Neubert. "Der Körper ist nicht in der Lage, Mineralstoffe und Vitamine, mit Ausnahme von Vitamin D, selbst zu bilden und muss sie über die Nahrung aufnehmen. Bereits ein leichter Mangel an einem oder mehreren Mikronährstoffen kann sich bemerkbar machen und den Körper aus dem Gleichgewicht bringen." Denn es wird im Körper fast ausschließlich durch natürliche UV-B-Strahlung produziert. Hingegen kann UV-A-Strahlung sogar die körpereigene Bildung von Vitamin D stören. Nur ein sehr kleiner Teil der benötigten Dosierung gelangt über ausgewogene und frische Lebensmittel in den Körper.

Die deutsche Bevölkerung leidet generell unter einem Vitamin-D-Mangel aufgrund des Mangels an Sonnenlicht in den Wintermonaten. "Die Mehrheit der Deutschen ist nicht optimal mit Vitamin D versorgt. Das heißt jedoch nicht, dass die meisten Menschen hierzulande an einem behandlungsbedürftigen Vitamin-D-Mangel leiden. Einfache Maßnahmen – wie regelmäßiger Aufenthalt im Freien – können die körpereigene Vitamin-D-Produktion ankurbeln", erklärt Dr. Johannes Schenkel, ärztlicher Leiter der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD), Berlin. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) sind rund 30 Prozent der Erwachsenen mangelhaft versorgt. Eine ausreichende Versorgung erreichen knapp 40 Prozent der Erwachsenen. "Während sich bei Männern kaum Unterschiede im Altersgang zeigen, nimmt der Anteil der mangelhaft versorgten Frauen mit steigendem Alter zu, der Anteil der ausreichend versorgten Frauen ab", so das RKI. Wie hoch die benötigte Dosierung sein sollte, muss ein Arzt festlegen. Er kann dann Vitamin-D-Präparate verschreiben.

Vitamin D3: Must-have gegen Osteoporose

Eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung ist neben der Bedeutung für die Knochengesundheit wichtig für ein gut funktionierendes Immunsystem. Außerdem beugt alles, was gut fürs Immunsystem ist, auch Herz-Kreislauf-Krankheiten vor. Mit einem gesunden Lebensstil werden daher nicht nur die Abwehrkräfte gestärkt, sondern auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorgebeugt. Aber: Eine zusätzliche Einnahme bietet keinen Herz-Kreislauf-Schutz und ist daher hierfür nicht angezeigt.

Eine optimale Vitamin-D-Versorgung fördert sowohl die Knochengesundheit als auch die Muskelkraft. Vitamin D3 ist bei älteren Menschen für die Vorbeugung gegen Osteoporose deshalb von Bedeutung. Es fördert die Aufnahme von Calcium und somit die Knochenhärte. Ein Arzt kann deshalb ein Vitamin-D3-Präparat verschreiben. Es ist für den Knochenstoffwechsel wichtig, ebenso wie Vitamin K. Eine Nahrungsergänzung mit Vitamin K allein oder als Kombipräparat mit Vitamin D und Calcium kann sinnvoll sein.

Ob dies aufgrund von niedrigen Vitamin-D-Werten nötig ist, kann er nach einem Bluttest entscheiden. Auch Heinz-Wilhelm Esser, Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie aus Remscheid, bekannt als Doc Esser, bestätigt: "Je älter wir werden, desto unzureichender stellt unser Körper mit Hilfe der Sonnenstrahlung das wichtige Hormon Vitamin D her. Bei vielen Menschen über 70 und bei nahezu allen über 80-Jährigen stellen wir Mediziner einen Vitamin-D-Mangel fest. Krankheit oder Immobilität können diesen Mangel verstärken. Hier sollte unbedingt eine Supplementierung erfolgen." Eine hoch dosierte Versorgung kann auch das Sturzrisiko von Senioren senken.

Es gibt neben Senioren weitere Personengruppen, die besonders häufig von einer Vitamin-D-Unterversorgung betroffen sind. Für sie ist es ratsam, eine ausreichende Vitamin-D-Menge durch Nahrungsergänzungsmittel zu gewährleisten. Risikogruppen für einen Vitamin-D-Mangel sind neben Hochbetagten außerdem Frauen in der Menopause, Menschen mit stärkerer Hautpigmentierung und Menschen, die sich selten im Freien aufhalten beziehungsweise aufhalten können, etwa weil sie immobil, chronisch krank oder pflegebedürftig sind.

Besser einen Arzt fragen

"Die Entscheidung, wann es tatsächlich sinnvoll ist, Vitamin-D-Produkte zusätzlich einzunehmen, ist nicht einfach, denn die medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Empfehlungen unterscheiden sich teilweise erheblich. Fachleute raten häufig erst zur Einnahme von zusätzlichem Vitamin D, wenn eine mangelhafte Versorgung festgestellt wurde, die nicht durch Ernährung und Sonnenbaden ausgeglichen werden kann", betont Dr. Johannes Schenkel. Ein Mangel kann durch eine Blutuntersuchung beim Hausarzt festgestellt werden. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen Vitamin-D-Arzneimittel nur unter bestimmten Bedingungen. Wenn kein erheblicher Mangel besteht oder keine Krankheiten vorliegen, die beispielsweise mit Vitamin D3 Tropfen gezielt behandelt werden können, ist es keine Kassenleistung. "Ob Vitamin D in der individuellen Situation Teil einer Kassenleistung sein kann oder welche Möglichkeiten es für eine optimale Vitamin-D-Versorgung gibt, darüber können unsere Beraterinnen und Berater Ratsuchende informieren", so Schenkel, Ärztlicher Leiter der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).

Auch jüngere Menschen benötigen manchmal eine Vitamin-D-Zufuhr. Der Grund: Sonnenschutzcremes absorbieren einen Teil der wichtigen UV-B-Strahlung, und einige halten sich auch im Sommer fast nur in geschlossenen Räumen auf. So kann die körpereigene Vitamin-D-Bildung nicht funktionieren. Für den Aufbau des Vitamin-D-Speichers heißt es deshalb: ab nach draußen an die frische Luft. Dabei spielt es aber keine Rolle, ob die Sonne scheint oder es bewölkt ist. Jedoch hindert Sonnencreme die Bildung von Vitamin D zu 95 Prozent. Deshalb ist es im Sommer wie im Winter wichtig, sich an der frischen Luft auch mal eine halbe Stunde ohne Sonnenschutz zu bewegen.

Vitamin-D-Überdosierung unbedingt vermeiden

Man darf es aber nicht übertrieben. Ist der Vitamin-D-Bedarf gedeckt, kann eine Überdosierung gesundheitsschädigend sein. Neben einem Mangel kann es ebenfalls zu einer Vergiftung (Vitamin-D-Intoxikation) kommen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Vitamin D als fettlösliches Vitamin im Fett- und Muskelgewebe gespeichert werden kann. Während Vergiftungen über die körpereigene Vitamin-D-Bildung und die natürliche Ernährung nicht erreicht werden können, sind sie durch übermäßig hohe Einnahmen von Supplementen (Nahrungsergänzungsmitteln), hochdosierten Medikamenten, einem hohen Konsum an angereicherten Lebensmitteln (oder einer Kombination der Varianten) möglich. Beispielsweise entstehen bei einer übermäßig hohen Einnahme von Vitamin D3 im Körper erhöhte Kalziumspiegel (Hyperkalzämie), die akut zu Problemen im Magen-Darm-Trakt wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchkrämpfen und Erbrechen führen. In schweren Fällen kann es zu Nierenschädigung, Herzrhythmusstörungen, Bewusstlosigkeit und sogar zum Tod kommen. Da Vitamin D im Körper gespeichert werden kann, ist neben einer akuten auch eine schleichende Überdosierung möglich. Also, Vorsicht: Bei vermeintlich gesunden Nahrungsergänzungsmitteln kann es bei erheblicher Überdosierung zu unerwünschten Effekten kommen.

Welche Dosis stärkt das Immunsystem?

Aktuell ist es für viele Menschen ganz besonders wichtig ihr Immunsystem zu stärken. Denn der Verlauf einer Corona-Infektion hängt neben vielen anderen Faktoren auch mit dem Immunsystem und seiner Abwehrkraft zusammen. Ältere Menschen haben allein bedingt durch ihre Lebensjahre ein schwächeres Immunsystem. Generell gilt: Ab 60 Jahren wird das Immunsystem von Jahr zu Jahr zu schwächer, speziell für SARS COV-2 scheinen aber auch schon die über 50-Jährigen gefährdeter zu sein.

Schon früh wurde vermutet, dass eine gute Vitamin-D-Versorgung mit einer geringeren Erkrankungswahrscheinlichkeit und einem milderen Verlauf einer COVID-19-Erkrankung einhergeht. Einige erste randomisierte Kontrollstudien, deuten darauf hin, dass sich eine gute Vitamin-D-Versorgung positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken kann, erklärt das Robert Koch-Institut, Berlin. Eine Unterversorgung mit Vitamin D führt aber nicht im Umkehrschluss zu einem automatisch schlechteren Krankheitsverlauf. Die Rolle einer ausreichenden Vitamin-D-Versorgung ist in Hinblick auf Krankheitsverlauf bei COVID-19 nicht abschließend geklärt. Bis dahin sei es ratsam, die allgemeinen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu folgen.

Vitamin-D-Präparate sind unter bestimmten Umständen durchaus empfehlenswert. Aktuell auch deshalb, weil "ein Vitamin-D-Mangel beispielsweise nachgewiesen zu einem schlechteren Verlauf bei einer COVID-19 Erkrankung führt", erklärt Professor Dietrich Baumgart. Der Facharzt für Kardiologie und Innere Medizin ist Partner der interdisziplinären Praxisklinik Preventicum in Düsseldorf und Essen. "Eine immunstärkende Wirkung hat ein Präparat hochdosiert ab einer 20.000er-Einheit", rät Baumgart. Ein ärztlich festgestellter Vitamin-D-Spiegel gibt Auskunft über die Menge, die individuell verabreicht werden muss. Der Arzt kann dann die empfohlene Höchstmenge festlegen. Vitamin D ist in hoher Dosierung verschreibungspflichtig. Geringere Dosierungen mit einer Internationalen Einheit von 1.000 sind ohne Rezept in Apotheken erhältlich, aber auch nicht so wirksam. Von einem Vitamin-D-Mangel können alle betroffen sein, die weniger als zwanzig Minuten täglich an der Sonne sind. Eine Unterversorgung erhöht aber nicht das Corona-Risiko.

Das Robert Koch-Institut empfiehlt deshalb eine Nahrungsergänzung nur für bestimmte Personengruppen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt dies, wenn "eine Verbesserung des Vitamin-D-Status‘ weder durch die Eigensynthese noch über die Ernährung erzielt werden kann". Bei nahezu allen über 80-Jährigen stellen Mediziner einen Vitamin-D-Mangel fest. Krankheit oder Immobilität können diesen Mangel verstärken. Auch bei Frauen in den Wechseljahren kann der Vitamin-D-Spiegel durch die Hormonschwankungen leiden. Sie gehören ebenfalls zur Vitamin-D-Mangel-Risikogruppe.

Knochen brauchen in jedem Alter Vitamin D

Die Einnahme von Vitamin-D-Nahrungsergänzungsmitteln wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bei Erwachsenen nur unter bestimmten Voraussetzungen empfohlen. Eine wichtige Funktion ist die Beteiligung am Knochenstoffwechsel. Ein Vitamin-D-Mangel kann bedeutsame Auswirkungen auf die Knochengesundheit haben. "Die gravierendsten Folgen sind die Entkalkung und letztendlich die Erweichung der Knochen. Bei Säuglingen und Kindern kann dies zum Krankheitsbild der Rachitis führen, das heißt zu schwerwiegenden Störungen des Knochenwachstums und zu bleibenden Verformungen des Skeletts. Zudem werden häufig eine verringerte Muskelkraft, ein verminderter Muskeltonus sowie eine erhöhte Infektanfälligkeit beobachtet. Bei Erwachsenen kann es durch die Entkalkung des Knochens zu Verformungen der tragenden Knochen, zu Knochenschmerzen und Muskelschwäche sowie zu Kraftminderung kommen – und damit zum Krankheitsbild der Osteomalazie. Eine weitere Erkrankung, zu der ein Vitamin-D-Mangel beitragen kann, ist Osteoporose, die sich vor allem im höheren Lebensalter manifestiert", berichtet das RKI.

Schützt Vitamin D3 gegen Diabetes Typ 1?

Ein schwerer und anhaltender Vitamin-D-Mangel kann im höheren Alter zur Entstehung von Osteoporose beitragen. Wie das RKI weiter berichtet wurden in den vergangenen Jahren zudem Zusammenhänge zwischen niedrigen Vitamin-D-Werten und verschiedenen chronischen Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen in Beobachtungsstudien gefunden. Bislang gebe es jedoch keinen Beweis für eine ursächliche Beziehung. Allerdings besitzt Vitamin D3 offenbar eine Wirkung auf die Bauchspeicheldrüse. Vitamin D3 soll den Autoimmunprozess gegen die Bauchspeicheldrüse bei Diabetes Typ 1 bremsen. Der Hintergrund ist, dass Diabetes Typ1 die Folge eines Autoimmunprozesses ist. Er beginnt meist schon Jahre vor Ausbruch der Krankheit. Die ersten Symptome sind bestimmte insulinproduzierende Zellen, die in der Bauchspeicheldrüse zerstört werden. Diesen Prozess kann ein Vitamin-D3-Präparat unter Umständen bremsen.

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Über die Autorin: Annette Bulut ist Diplom-Journalistin und hat eine Rundfunkausbildung in Köln absolviert. Nach beruflichen Stationen in Düsseldorf und München als Kommunikationsberaterin ist sie seit vielen Jahren freie Journalistin mit Schwerpunkt Medizin, Gesundheit und Ernährung. Sie schreibt regelmäßig Beiträge für Online- und Printmedien. Ihr Ziel: Gesundheitsthemen verständlich und lebensnah mit vielen nützlichen Informationen zu vermitteln.