05.07.2021 Vorsicht vor Überdosierung

Zuviel Vitamin D ist nicht harmlos

Exzessive Mengen von Vitamin D machen krank, sind sogar lebensbedrohlich.
Exzessive Mengen von Vitamin D machen krank, sind sogar lebensbedrohlich. Fotoquelle: picture alliance / Zoonar | Olga Sergeeva

Manche Menschen sichern ihren Vitamin-D-Bedarf zusätzlich über Nahrungsergänzungsmittel. Doch Vorsicht! Eine Überdosierung durch Vitamin-D-Präparate kann gravierende gesundheitliche Folgen haben. Exzessive Mengen des Sonnenvitamins machen krank, sind sogar lebensbedrohlich. Das muss unbedingt vermieden werden. Durch Vitamin-D-haltige Nahrungsmittel oder UV-Strahlung kann es jedoch niemals zu einer Vitamin-D-Überdosis kommen. Durch unkontrollierte Vitamin-D-Supplementierung allerdings schon. Deshalb muss ein Arzt den persönlichen Vitamin-D-Status per Bluttest bestimmen, damit eine Vitamin-D-Überdosierung vermieden wird.

Vitamin D: Segensreich und gefährlich zugleich

Der Begriff Vitamin D bezeichnet eine Gruppe fettlöslicher Vitamine. Darunter fällt auch das an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligte Vitamin D3. Es wird in Leber und Niere zu einem aktiven Hormon umgewandelt, dem sogenannten Calcitriol. Die Vitamin-D-Produktion im Körper ist wichtig für die Knochengesundheit, Muskelkraft und das Immunsystem. Sie soll sogar eine Schutzwirkung gegen Krebs haben. Das ist allerdings wissenschaftlich noch nicht eindeutig belegt.

Allein durch die Nahrung kann der Körper den Vitamin-D-Bedarf nicht decken. Zwar ist beispielsweise in fettreichen Fischen wie Lachs, Makrele und Hering viel Vitamin D3 enthalten, aber der Körper bildet das Sonnenvitamin in erster Linie zu 80 bis 90 Prozent über die Haut. Wenn das UV-Licht auf die Haut trifft, bildet der Körper das Vitamin. Ein Mangel an Vitamin D3 hat beispielsweise Müdigkeit, Haarausfall, Muskelschmerzen, ständige Infekte oder Stimmungsschwankungen zur Folge. Zu den Risikogruppen, die eine Vitamin-D-Supplementierung benötigen, gehören Personengruppen, die sich kaum oder gar nicht im Freien aufhalten. So ist der Vitamin-D-Spiegel vor allem bei chronisch Kranken oder pflegebedürftigen Senioren in Altenheimen häufig zu niedrig. Grundsätzlich gilt: Als Nahrungsergänzungsmittel ist ein Präparat insbesondere ratsam für bestimmte Personengruppen, die einen nachgewiesenen Nutzen davon haben. Dazu zählen vor allem Babys, Senioren, Frauen in den Wechseljahren und Schwangere.

Vorsicht bei der Dosierung

Manche Krebspatienten nehmen ein Präparat mit Vitamin D. Sie erhoffen sich dadurch einen positiven Einfluss auf ihre Erkrankung. Doch niemals sollte dies ohne ärztliche Rücksprache erfolgen. Eine Vitamin-D-Überdosierung hat schwerwiegende gesundheitliche Folgen. Die Nahrungsergänzungsmittel können die Wirkung von Krebsmedikamenten sogar verändern. Auch heißt es immer wieder, das Sonnenvitamin schütze vor einem schweren COVID-19-Verlauf bei einer SARS-CoV-2 Infektion. Das ist aber nicht wissenschaftlich erwiesen. Die zusätzliche Einnahme bietet auch keinen Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und daher ist das Vitamin hierfür nicht indiziert.

Einige Gesundheitsbewusste nehmen nichtsdestotrotz seit Beginn der Pandemie regelmäßig zusätzlich Vitamin-D-Präparate ein. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt. Bei dieser Form der Selbstbehandlung muss allerdings die Vitamin-D-Dosierung im Auge behalten werden. Denn tatsächlich kann Vitamin D3 ungewollt gefährlich überdosiert werden. Im schlimmsten Fall sind bei unkontrollierter Einnahme des Vitamins Nierensteine, akutes Nierenversagen, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Übelkeit und Erbrechen bis hin zu Bewusstseinsstörungen und Koma die Folge. Man spricht von einer Hyperkalzämie. Diese ist durch einen zu hohen Kalziumspiegel im Blut verursacht. Der Grund: Das Vitamin hebt den Kalziumspiegel, da es die Kalziumaufnahme aus dem Darm fördert. Der Kalziumspiegel und damit eine eventuell lebensbedrohliche Überdosierung wird durch eine Blutuntersuchung festgestellt. Während eine leichte Hyperkalzämie durch viel Flüssigkeit ausgeglichen werden kann, ist bei einer schweren Hyperkalzämie sogar eine Blutwäsche nötig.

Richtige Dosierung am besten vom Arzt

Die Dosierungsempfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI) orientiert sich an den D-A-CH-Referenzwerten. Für Erwachsene und Kinder ab elf Jahren liegt die tolerierbare Tageshöchstmenge bei 100 Mikrogramm. Für die Einnahme von Vitamin D3 muss es auf jeden Fall eine eindeutige Indikation geben. Die notwendige Dosierung kann nur von einem Arzt durch einen Bluttest festgestellt werden. Eine selbst gewählte, willkürliche und dauerhafte Einnahme – ohne zuvor einen Arzt konsultiert zu haben – ist für dieses Vitamin nicht empfehlenswert. Um eine Vitamin-D-Intoxikation zu verhindern und die benötigte Dosis individuell zu ermitteln, müssen die Blut-Laborwerte vorliegen.

Falls dann Vitamin-D-Tabletten ärztlich verordnet werden, darf der Patient diese auch nur unter regelmäßiger Kontrolle des Vitamin-D-Spiegels einnehmen. Um eine Hypervitaminose D zu verhindern, sind Nahrungsergänzungsmittel mit einer Tagesdosis über 1.000 IE (internationale Einheiten) in Deutschland verschreibungspflichtig. Die sichere Obergrenze, die für die Aufnahme von der Europäischen Lebensmittelbehörde festgelegt worden ist, liegt bei 100 Mikrogramm pro Tag, das sind 4.000 IE täglich. Im Internet werden auch Nahrungsmittelergänzungen von ausländischen Firmen mit höherer Dosierung angeboten. Experten raten jedoch ab, diese zur Selbstmedikation zu verwenden, um dem Körper nicht ungewollt Vitamin D in zu hoher Dosierung zuzuführen.

In Deutschland ist Vitamin-D-Mangel weit verbreitet

Es ist bekannt, dass die deutsche Bevölkerung unter einem Vitamin-D-Mangel leidet. Rund 30 Prozent der deutschen Erwachsenen sind mangelhaft versorgt. Eine ausreichende Versorgung erreichen knapp 40 Prozent der Erwachsenen, so das Robert Koch-Institut (RKI). "Während sich bei Männern kaum Unterschiede im Altersgang zeigen, nimmt der Anteil der mangelhaft versorgten Frauen mit steigendem Alter zu, der Anteil der ausreichend versorgten Frauen ab", so das RKI. Vitamin-D-Präparate sind deshalb durchaus auch empfehlenswert. Aktuell in der Pandemie ganz besonders, weil "ein Vitamin-D-Mangel beispielsweise nachgewiesen zu einem schlechteren Verlauf bei einer COVID-19-Erkrankung führt", erklärt Professor Dietrich Baumgart. Der Facharzt für Kardiologie und Innere Medizin ist Partner der interdisziplinären Praxisklinik Preventicum in Düsseldorf und Essen. "Eine immunstärkende Wirkung hat Vitamin D hochdosiert ab einer 20.000er-Einheit. Ob jemand einen Vitamin-D-Mangel hat, kann der Hausarzt durch einen einfachen Bluttest feststellen", so Baumgart. Der festgestellte Vitamin-D-Spiegel gibt Auskunft über die Menge, die individuell verabreicht werden muss. Der Arzt kann dann die empfohlene Höchstmenge festlegen. Vitamin D ist für den Knochenstoffwechsel wichtig, ebenso wie Vitamin K. Eine Nahrungsergänzung mit Vitamin K allein oder als Kombipräparat mit Calcium kann deshalb sinnvoll sein.

Ein schwerer und anhaltender Vitamin-D-Mangel kann unter anderem zur Erweichung von Knochen und Verformungen des Skeletts führen. Im höheren Alter kann ein Vitamin-D-Mangel darüber hinaus zur Entstehung von Osteoporose beitragen. Wie das RKI berichtet, wurden in den vergangenen Jahren Zusammenhänge zwischen niedrigen Vitamin-D-Werten und verschiedenen chronischen Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen in Beobachtungsstudien gefunden. Bislang gibt es jedoch keinen Beweis für eine ursächliche Beziehung.

Die Empfehlung des Robert Koch-Instituts für eine Nahrungsergänzung gilt nur für bestimmte Personengruppen mit einem nachgewiesenen niedrigen Vitamin-D-Spiegel. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DfE) empfiehlt dies, wenn "eine Verbesserung des Vitamin-D-Status weder durch die Eigensynthese noch über die Ernährung erzielt werden kann". Bei nahezu allen über 80-Jährigen stellen Mediziner einen Vitamin-D-Mangel fest. Krankheit oder Immobilität können diesen Mangel verstärken.

Vitamin-D-Präparate für Frauen in den Wechseljahren

Frauen in den Wechseljahren haben manchmal zu niedrige Vitamin-D-Werte durch Hormonschwankungen. Sie gehören zur Vitamin-D-Mangel-Risikogruppe. Für den Aufbau des Vitamin-D-Speichers heißt es deshalb: Ab nach draußen in die Sonne. Dabei spielt es aber keine Rolle, ob die Sonne scheint oder es bewölkt ist. Jedoch hindert Sonnencreme die Bildung von Vitamin D zu 95 Prozent. Deshalb ist es im Sommer wie im Winter wichtig, sich an der frischen Luft auch mal kurz ohne Sonnenschutz zu bewegen. Es wird im Körper fast ausschließlich durch natürliche UV-B-Strahlung produziert. Hingegen können UV-A-Strahlen sogar körpereigene Bildung von Vitamin D stören. Auch jüngere Menschen können an einem Vitamin D Mangel leiden. Zum Teil kommt der Mangel durch Sonnenschutzcremes zustande, die einen Teil der wichtigen UV-B Strahlung absorbieren. Zum anderen sind wir auch im Sommer viel zu viel in geschlossenen Räumen und können so unsere Vitamin-D-Speicher nicht aufladen. Bei unspezifischen Symptomen sollte man den Vitamin-D-Spiegel im Blut durch den Hausarzt bestimmen lassen und falls nötig nach seinem Ratschlag auch substituieren.

Deshalb kann es in bestimmten Fällen sinnvoll sein, Vitamin D zu ergänzen. Neben Vitamin D sind Jod, Folsäure und Eisen für bestimmte Personengruppen sinnvolle Nahrungsergänzungsmittel. Heinz-Wilhelm Esser, Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie aus Remscheid, bekannt als Doc Esser, rät: "Je älter wir werden, desto unzureichender stellt unser Körper mit Hilfe der Sonnenstrahlung das wichtige Hormon Vitamin D her. Bei vielen über 70-Jährigen und bei nahezu allen über 80-Jährigen stellen wir Mediziner einen Vitamin-D-Mangel fest. Krankheit oder Immobilität können diesen Mangel verstärken. Hier sollte unbedingt eine Supplementierung erfolgen."

Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen Vitamin-D-Arzneimittel nur unter bestimmten Bedingungen. Wenn kein erheblicher Mangel besteht oder keine Krankheiten vorliegen, die mit Vitamin D gezielt behandelt werden können, ist Vitamin D keine Kassenleistung. Ob es in der individuellen Situation Teil einer Kassenleistung sein kann oder welche Möglichkeiten es für eine optimale Vitamin-D-Versorgung gibt, darüber können der Arzt oder die Krankenkasse informieren.

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Über die Autorin: Annette Bulut ist Diplom-Journalistin und hat eine Rundfunkausbildung in Köln absolviert. Nach beruflichen Stationen in Düsseldorf und München als Kommunikationsberaterin ist sie seit vielen Jahren freie Journalistin mit Schwerpunkt Medizin, Gesundheit und Ernährung. Sie schreibt regelmäßig Beiträge für Online- und Printmedien. Ihr Ziel: Gesundheitsthemen verständlich und lebensnah mit vielen nützlichen Informationen zu vermitteln.