27.08.2015 Gesundheit und Langlebigkeit

Das Beste kommt zum Schluss

Unsterblichkeit ist möglich. Theoretisch. Aber auch so führen viele Pfade in ein hohes Alter.
Unsterblichkeit ist möglich. Theoretisch. Aber auch so führen viele Pfade in ein hohes Alter. Fotoquelle: Ruslan Guzov/shutterstock.com

Mach dir nicht so viele Gedanken, schau auf die schönen Dinge, die dich umgeben – es ist noch immer gut gegangen! Ja, das kennen wir alle: Gute Laune verlängert das Leben! Wer nicht griesgrämig und voller Angst, sondern frohen Mutes durchs Leben schreitet, wird mit einem Bonus in Form von Lebensjahren belohnt. Wer's leichter nimmt, wird leichter alt. Sagt man so.

"Stimmt nicht", widerspricht das Longevity Project. Das ist die größte Studie (longevity = Langlebigkeit), die je dem Altwerden gewidmet wurde.
1921 begann ein Psychologe namens Lewis Terman mit dem damals wahnwitzig anmutenden Versuch, 1500 amerikanische Kinder durch ihr Leben zu begleiten. Terman, wie auch die meisten Teilnehmer, ist längst tot.

Kronjuwelen der Altersforschung

Die Ergebnisse des Großversuchs liegen jetzt vor. Aufgrund ihres Datenreichtums gelten sie als Kronjuwelen der Altersforschung.

Ein Resultat: Die Optimisten wurden alle nicht alt. Sie setzten sich über viele körperliche Warnzeichen hinweg, missachteten ärztlichen Rat, so sie ihn überhaupt einholten, und erwiesen sich als überfordert, wenn's einmal unausweichlich ernst wurde.

Möglichst steinalt zu werden ist ein Menschheitstraum. "Darum ist das Leben ein unabsehbares Feld", schreibt Adalbert Stifter, "wenn man es von vorne ansieht, und es ist kaum zwei Spangen lang, wenn man am Ende zurückschaut." Von einigen Märtyrern, Helden und sich früh vergeudenden Künstlertypen abgesehen, erscheint das hohe Alter als erstrebenswertes Ziel. Es nimmt dem Tod seinen Stachel. Begeben wir uns auf die gewundenen Pfade der Langlebigkeit!

1. In dem Film "Der Tod steht ihr gut" schluckt Goldie Hawn ein Elixier, das sie unsterblich macht. Ein solches Wässerchen wird es nie geben. Das ist gut so, wie wir sehen werden. Altern ist ein vielköpfiges Monster. Es schlägt unvorhersehbar zu. Eine "Altersformel" oder ähnliche "Hirngespinste" (so der Altersforscher Michael R. Rose) existieren nicht.

2. Immerhin, für Japaner und Franzosen scheint das Stiftersche Lebensfeld ein paar Spangen größer auszufallen als für die Deutschen. Japaner sind die Weltmeister im Altwerden, Franzosen die Europameister. 102 von 10.000 Franzosen werden 100 Jahre und älter. Warum? Vom Rotwein über die vielfältige, gemüsebetonte Küche bis zur gelassenen Lebensart werden etliche Gründe angerührt, ohne dass ein alleinentscheidender darunter wäre. Die Deutschen bringen es nur auf 45 Hundertjährige unter 10.000.

3. Japan und Frankreich finden in einem italienischen Dorf zusammen: In Campodimele (Apfelfeld) werden die Leute so alt, dass in vielen Häusern fünf Generationen zusammenleben – vom Enkel bis zum Ururgroßvater. Wissenschaftler schnuppern unentschieden in der guten Luft des 617 Meter hoch gelegen Dorfes südlich von Rom. Das Campodimele-Öl wird gern als "Öl Gottes" bezeichnet. Weizen, Gerste und Mais gedeihen ohne Pflanzenschutz. Brot und Nudeln überzeugen durch ihren minimalen Salzgehalt. Und sonst? Viel Gemüse, viel Rotwein, viele Kräuter, viel Fisch. Was die moderne Ernährungswissenschaft als umwerfende Erkenntnis preist, hat in Campodimele einen Bart.

4. Unsterblichkeit. Die biologische Möglichkeit dazu existiert tatsächlich. Laborkolonien von wirbellosen Tieren, die sich durch Teilung vermehren, altern nicht, zerfallen nicht, sterben nicht – vorausgesetzt sie werden unter idealen Bedingungen am Leben gehalten.

5. Das Dumme ist – auf Säugetiere und damit auf den Menschen trifft das nicht zu. Schuld daran trägt die Evolution. Ihr kommt es nur auf das anfängliche (junge) Überleben an. Das unbegrenzte Überleben eines erwachsenen eierproduzierenden Tiers hat keinerlei Bedeutung für die natürliche Selektion. Deshalb werden alle Säugetiere, ebenso wie Insekten und Fische, einem Prozess inneren und zumeist auch äußerlichen Zerfalls ausgesetzt.

6. Was wäre, wenn sich dem Altern nachhaltig, also für immer Einhalt gebieten ließe? Fortpflanzung wird überflüssig, ja unverantwortlich. Vitalität und Fruchtbarkeit versiegen. Ein Heer von Ruheständlern schart mit den Füßen. Die Menschen würden zu "Struldbruggs", dem Volk der unsterblichen Greise in Jonathan Swifts Roman "Gullivers Reisen". Oder nehmen wir den verurteilten Mörder: Wie lang währt "lebenslänglich"?

7. Zurück zum Longevity Project. Die Ehe scheint, wie die Resultate zeigen, eine zweischneidige Institution zu sein. Trennung, zumal in fortgeschrittenen Jahren, bedeutet für Männer fast immer eine Katastrophe. Ihre Aussicht auf ein hohes Alter verringert sich dramatisch. Frauen hingegen drehen befreit vom Ehejoch auf. Wenn sie zudem religiös orientiert sind, haben sie beste Chancen auf ein erfülltes Alter. Sie engagieren sich in Gemeinden, laden freiwillig Arbeit und Mühe auf sich. Denn auch das ist ein Aspekt des Altwerdens: Der Mensch ist für Stress geschaffen, nicht für Müßiggang.