Eine junge deutsche Ingenieurin (Laura Berlin) soll in der Provence einen Windpark ausbauen. Ihre Anwesenheit wirbelt besonders eine Bauernfamilie vor Ort durcheinander. Die deutsch-französische Produktion möchte vieles sein, kann sich aber leider für nichts davon so recht entscheiden.
Beim Thema Windenergie kann es ganz schnell heiß hergehen, nicht nur öffentlich, sondern auch im Familien- und Freundeskreis. Befürwortern geht es mit dem Ausbau von Windkraft nicht schnell genug. Sie betonen etwa die Nachhaltigkeit und Sauberkeit von Windkraft und weisen auf die Sicherung von Arbeitsplätzen durch den Bau von Windkraftanlagen sowie ein lukratives Geschäft beim Verkauf oder Verpachten von Grundstücken für die Anlagen hin. Gegner wiederum kritisieren unter anderem die Zerstörung von Naturräumen und die Veränderung des Landschaftsbildes durch die Windräder sowie deren Lautstärke und Gefahr für Vögel und Fledermäuse.
Deutschland liegt in Europa beim Ausbau von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen weit vorne, trotz langsamem Vorankommen. Das Nachbarland Frankreich wiederum hinkt, trotz perfekter Voraussetzungen dank langer Küstenlinien und viel flachem Land, hinterher (wenngleich sich das, wie Finanzminister Bruno Le Maire im Mai verkündete, bald ändern soll). Kein Wunder, die Zahl der Windkraftgegner soll unter den Protest-liebenden Franzosen ja besonders hoch sein.
Vor diesem Hintergrund spielt die deutsch-französische Koproduktion "Die Farbe des Windes". ARTE zeigt das Regiedebüt von Noël Alpi, der auch das Drehbuch schrieb und als Produzent beteiligt war, am späten Freitagabend. Grundlage für den Film ist Alpis gleichnamiger Kurzfilm "Grand Ciel" aus dem Jahr 2003.
Die deutsche Ingenieurin Louna (Laura Berlin, "Rubinrot", "Vikings: Valhalla") soll in der Provence einen Windpark ausbauen und dafür Land hinzukaufen. Bisher hatten sich die Einheimischen höchstens über den Lärm der Windräder beschwert, von daher stehen die Chancen gut, verkaufswillige Grundbesitzer zu finden. Doch Lounas Anwesenheit sorgt für Konflikte in der Gemeinde, insbesondere innerhalb der Familie des Lavendelbauern Guy (Aurélien Recoing).
Während Guy ernsthaft darüber nachdenkt, Louna einen halben Hektar Land zu verkaufen, wenn die Bezahlung stimmt – vom Lavendelanbau zu leben, wird zunehmend schwieriger -, hängt seine Frau Colette (Elise Larnicol) an der landwirtschaftlichen Tradition und lehnt die Pläne ab. Lionel (Anthony Jeanne), der 19-jährige Adoptivsohn des Paares, betrachtet Louna dagegen als angenehme Abwechslung in seinem eintönigen Alltag auf dem Land und beginnt, sich zunehmend für sie und die Windräder zu interessieren. Das ist Colette ein weiterer Dorn im Auge, die eine ziemlich fragwürdige, für Lionels Alter viel zu körperliche Beziehung zu ihrem Adoptivsohn hat. Hier spielt wohl hinein, dass Noël Alpis Film wie zuvor der gleichnamige Kurzfilm lose angelehnt ist an den Roman "L'enfant au billard électrique", in dem es um eine an Inzest grenzende Mutterliebe geht.
Was aber ist "Die Farbe des Windes" nun – ein Mutter-Sohn-Drama, eine Coming-of-Age-Geschichte oder doch eher eine Gesellschaftsstudie mit einem Schuss Ökodrama? Sicher ist: Der Film möchte vieles sein und ist doch nichts davon so richtig, darin waren sich auch die Filmkritiker zum Kinostart 2021 weitestgehend einig. Und in der Tat: Regisseur Alpi entscheidet sich für kein Genre explizit, dabei gäbe jedes der Genannten genug Stoff für einen 90-Minüter her.
Stattdessen irritiert das Drehbuch mit hölzernen Dialogen. "Machen Sie das schon lange?", fragt etwa Colette Louna bei ihrer ersten Begegnung nach ihrem Job. "Ich liebe den Wind", entgegnet die, "außerdem gibt es da Arbeit." Dazu kommen eine oft unlogische Handlungsführung sowie unscharfen Figurenzeichnungen. Besonders bei Lionel muss man sich fragen: Ist er einfach nur überdreht, rebellisch und etwas eigen, oder ist er eventuell tatsächlich mental beeinträchtigt, was die logischere Erklärung für sein kindliches, impulsives Verhalten wäre. Wenigstens gibt es bezaubernde Landschaftsaufnahmen der pittoresken provenzalischen Lavendelfelder, möchte man nun ein versöhnliches Fazit ziehen. Doch leider: Auch die wurden schon häufig weitaus schöner in Szene gesetzt.
"Die Farbe des Windes" – Fr. 02.08. – ARTE: 22.25 Uhr