Warum Menschen in den Wald ziehen
Eine ZDF-Reportage stellt zwei Männer vor, die sich für einen radikalen Lebensentwurf entschieden haben: Sie sind komplett ausgestiegen und leben im Wald.
Er ist kein Unbekannter mehr. Zahlreiche Medien, regionale wie überregionale Zeitungen und Sender, berichteten bereits über ihn. Marc Freukes ist der "Odenwald-Tipianer". Gut siebeneinhalb Jahre ist es her, dass der ehemalige Golflehrer in den Wald bei Grasellenbach im südhessischen Kreis Bergstraße zog. Lange lebte der heute 47-Jährige an der Rückseite des Odenwälder Berges Tromm. Erst in einem Tipi, dann in einer selbstgebauten Jurte. Genau über diese nur 19 Quadratmeter große Behausung kam es zum Eklat. Freukes hatte für die Jurte keine Baugenehmigung. Jahrelang drohte der Abriss von Amts wegen. Auch wenn Freukes immer wieder öffentlich wirksam auf sein Schicksal aufmerksam gemacht hatte, genutzt hat es dem Mann aus dem Wald, der nicht wie ein weltfremder Sonderling wirkt, letztendlich nicht mehr viel. Bei der Zwangsräumung im August vergangenen Jahres kam es sogar zu einem Großeinsatz. "Mit einer Hundertschaft und einem Panzerfahrzeug", wie Freukes einer Zeitung gegenüber berichtete.
Für ihren Film über ein "Zuhause im Wald" haben Daniel Hartung und Ulrike Schenk unter anderem den "Odenwald-Tipianer" über die Dauer eines Jahres mit der Kamera begleitet. Im Rahmen von "37°" ist ihre Reportage nun zu sehen. Der aufsehenerregende Streit Freukes' mit dem Landratsamt des Kreises Bergstraße bleibt dabei nicht ausschlaggebend im Mittelpunkt eines intensiven Porträts. Vielmehr geht es darum, wie so ein radikaler Lebensentwurf abseits der Zivilisation überhaupt entstehen kann. Und welche Schattenseiten zudem auf die nur vermeintliche Verwirklichung eines Traumes wirken.
Natürlich wird jeden Fernsehzuschauer die Frage nach dem Warum beschäftigen. Warum geht jemand einen solchen Schritt? Im Falle Freukes' war es eine schwere Lebenskrise, die ihn in den Wald verschlug. Erst in der Natur fand der ehemalige Golflehrer, er trainierte sogar Bundesligisten, zurück zu sich selbst. Er sagt: "Ich hatte vorher Existenzängste. Die Frage, wie ich wohnen will, wie ich leben will – die war vorher komplett unbeantwortet. Und die hat sich hier draußen sehr stark herauskristallisiert."
Freukes ist nicht der einzige "Aussteiger", der in der "37°"-Reportage porträtiert wird. Auch Günther Hamker hatte kein leichtes Leben. Der 80-Jährige, der eigentlich Arzt werden wollte, schaffte gerade noch den Absprung aus der Alkoholsucht. Abseits der Zivilisation lebt er seit Jahrzehnten in einer bescheidenen Jagdhütte in seinem Waldstück bei Sehlde. Sein Großvater hatte es ihm vererbt.
Heute kommt Hamker die Abgeschiedenheit dort zugute, erklärt er. Die festen Abläufe und die körperliche Arbeit im Wald geben ihm Halt und sind Therapie für ihn. "Der Wald hat mich gerettet. Ich habe schnell gemerkt, dass es nicht mehr die vielen Wenns und Abers gibt, die ich sonst in meinem Leben hatte", erinnert sich der Aussteiger.
37°: Zuhause im Wald – Di. 14.09. – ZDF: 22.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH