Film im Ersten

"Zimmer mit Stall – So ein Zirkus": Mein Freund, der Clown

06.05.2022, 08.01 Uhr
von Wilfried Geldner

Der Zirkus ist in der Stadt. Oder besser: im Dorf. Als den Zirkusmenschen das Zelt abbrennt, bietet Sophie ihnen Hilfe an. Untermieter Barthl ist zunächst gar nicht begeistert.

ARD
Zimmer mit Stall – So ein Zirkus
Komödie • 06.05.2022 • 20:15 Uhr

Da staunt der Barthl (Friedrich von Thun): Ein Zebra trabt durch seinen Gemüsegarten. Und als dann auch noch ein Kamel über die Wiesen stapft, ist klar: Ein Zirkus ist im Dorf, das Zelt ist ihm abgebrannt. Die Zirkusmenschen geraten gar in den Verdacht des Versicherungsbetrugs. Was liegt näher für die brave Sophie (Aglaia Szyszkowitz), als ihnen einstweilen den Aufenthalt auf ihrem Hof anzubieten? Leider hat sie mit der Intoleranz ihres Untermieters Barthl nicht gerechnet. Dem wurden in der Kindheit mal von "Zigeunern" die Ski geklaut – jetzt verschanzt sich der als "Rassist" Bezichtigte gleich hinter verschlossenen Türen und mit einem Bewegungsmelder vor dem Haus. "So ein Zirkus" lautet treffenderweise der Titel des zweiten neuen Films aus der "Zimmer mit Stall"-Reihe, die 2019 im Ersten begann.

Natürlich ist klar, dass sich im weiteren Verlauf der Zirkusposse die Grenzen zum Guten verschieben. Dass man das "Z"-Wort nicht mehr benutzt, sondern jetzt "Romasinti" sagt, wird nicht nur dem Barthl, sondern auch den Menschen vor den Schirmen schonend beigebracht (Drehbuch: Holger Gotha und Philipp Weinges). Auch andere aus dem Zirkus klären immer wieder auf, weil sie ja – sicher nicht zu Unrecht – immer wieder Vorurteile oder gar Rassismus wittern bei den Menschen im schönen Wiesenried und an den Stammtischen.

Rührseligkeit ist Programm

Buch und Regie (Ngo The Chau, auch Kamera) kennen vor Sozialromantik und Belehrungspathos keinerlei Scheu. So wird die Schraube der Herzensbildung immer weitergedreht, während der schwarze Panther in seinem Käfig bedrohlich faucht. Es sind aber die kleinen Szenen, etwa wenn die Zirkusprinzessin nach ihrer zischenden Klapperschlange Kleopatra ruft und sich der Barthl da gleich noch tiefer in seinem Bett versteckt. Kein Geringerer als Winfried Glatzeder ist als sonnengegerbter Fahrensmann in die Rolle des unverdrossenen Artistenführers gestiegen, der um "seinen" Zirkus bangen muss. Mit Barthl findet er alsbald einen brüderlichen Clown und Freund – spätestens, als er ihm das Schicksal seiner Verwandten in Auschwitz erklärt.

Ansonsten ist hier Rührseligkeit Programm, wer wollte es bei so einer Zirkusnummer auch verdenken. Jeder hat seine schlimmen Erfahrungen gemacht, aufkeimender Erotik werden enge Grenzen gesetzt. Doch selbst der ebenso großmäulige wie kleinwüchsige Django (Cem Aydin) kommt irgendwann bei Sophie, seiner Angebeteten, ans Ziel und küsst sie auf der Wirtshausbank vor den Augen lästernder Stammtischbrüder.

Dass der Zirkus trotz Brand gerettet wird, versteht sich. Aber am schönsten sind doch die ineinander montierten, überblendeten Bilder aller Zirkusprofis und -amateure bei ihrem finalen Charity-Auftritt – von den rotnasigen Clowns über die Feuerschlucker bis hin zum verliebten Messerwerfer Adriano (Zejhun Demirov), dessen Waffen Sophies Tochter Leonie (Carolin Garnier) gefährlich streifen.

Die "Clowns" von Thun und Glatzeder wurden übrigens vom Roncalli-Clown Peter Shub ins Metier eingeführt. "Es war eine große Freude, mit ihm zu arbeiten", erklärt von Thun. "Er hat uns sozusagen die Dramaturgie unserer Clownsnummern erklärt und uns gezeigt, wie er das ausführen würde, und dann haben wir versucht, es auf unsere Art zu machen. Er war ein Ideengeber, ein Helfer, ein Schwachstellenaufzeiger. Und seine Ideen fand ich wunderbar. Natürlich liebe ich auch den Fußtritt in den Hintern vom anderen, das sind ja elementare Clowns-Späße." Glatzeder fügt hinzu: "Wir waren beide wissbegierig, haben alles aufgesaugt, was Peter Shub uns beigebracht hat, und waren geil darauf, möglichst viel gut zu machen. Zwei alte Männer – ich bin jetzt 76 – die natürlich genau wissen, wo die eigenen Schwächen liegen, was machbar ist und was nicht. Es war ein ständiger Dialog, und wir haben in jeder freien Minute geübt."

Zimmer mit Stall – So ein Zirkus – Fr. 06.05. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte dich auch interessieren