"Der längste Tag"

"Der Barcelona-Krimi": Das Büro wird zur Folterkammer

05.05.2022, 08.02 Uhr
von Wilfried Geldner

Die Leiche eines Jungen wird gefunden, ein anderer Teenager wird entführt. Für die Barcelona-Ermittler Xavi Bonet und Fina Valent beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.

ARD
Der Barcelona-Krimi: Der längste Tag
Krimi • 05.05.2022 • 20:15 Uhr

In einem ärmeren Viertel Barcelonas wurden bereits mehrere Jungen entführt – alle um die 13, alle aus sozial schwachen Familien. Als die Leiche eines der Kinder gefunden wird, ist höchste Eile angezeigt, denn wieder ist ein Junge nachts nicht vom Bolzplatz zurückgekehrt. Xavo Bonet (Clemens Schick) hat einen offenbar begründeten Verdacht. Er glaubt geradezu felsenfest, dass der honorige Apotheker Victor Toura (Bernhard Schütz) der mögliche Mörder sei. Er unterzieht ihn daher im fünften "Barcelona-Krimi" einem harten Verhör – ganz gegen den Willen seines neuen Vorgesetzten (Alexander Beyer).

Wenn man die Regeln des Verhörkrimis akzeptiert, also nicht bis ins letzte Detail psychologischen Realismus erwartet, bekommt man in "Der längste Tag" ein spannendes Psychoduell serviert. Warum Xavi gar so selbstbewusst, wenn nicht versessen den Hardboiled Detective amerikanischer Kino-Herkunft macht, bleibt fast bis zuletzt dessen Geheimnis. Nicht nur den Herr Apotheker, auch Xavi ist schließlich manchmal frühmorgens am Strand, wo Toura die Leiche des vermissten Jungen fand und der Kripo vermeldete. Der Kommissar und sein "Opfer" steigern sich in einen Zweikampf hinein, der vom Sich-belauern bis zum Wutausbruch reicht. "Xavi ist noch rauer geworden und leidenschaftlicher", sagt Clemens Schick, "er lotet Grenzen aus und überschreitet diese auch. Das reizt mich. Die Auseinandersetzung mit Recht und Gerechtigkeit."

Ein berlinender Elektriker in Barcelona?

Dass er das Büro zur Folterkammer macht, indem er die Sicherung der Lüftung herausnimmt, ist einerseits ein schlauer Trick. Andererseits kommt so ein berlinernder Elektriker ins Spiel, der zeigt, dass man mit Nebenfiguren deutsche Darsteller in Barcelona (und anderswo) leicht weniger konsumierbar machen kann. Doch die deutsch-schwedische Regisseurin Carolina Hellsgård (ihr Kinofilm "Wanja" wurde 2015 in Biberach preisgekürt) hält die Spannung nach dem Drehbuch von Katharina und Remy Eyssen (Autor der Fernweh-Bestsellerreihe um Leon Ritter) dank atmospärischer Detailgenauigkeit und gutem Timing derart hoch, dass man Xavis Kollegin Fina (Anne Schäfer) zunächst gar nicht vermisst. Könnte sie womöglich die letztlich erfolgreiche Ermittlerin sein?

Dieses Klischee bedient dieser Barcelona-Krimi glücklicherweise nicht, Finas Recherchen auf eigene Faust erweitern dennoch den Horizont bis zuletzt, wenn sie das Gespräch mit Nachbarn (Milieustudie!) und mit der Ehefrau des Apothekers sucht, das dem Ganzen Tiefenschärfe verleiht: "Wissen Sie, was in den Ehen anderer passiert?"

Das Ende ist dann nicht so schön wie der Anfang, wo der verschwundene Matteo nachts als Letzter auf dem Bolzplatz spielt und ihn dann eine lange Kamerafahrt auf dem Heimweg verfolgt. Der mögliche Mörder pfeift gar wie Peter Lorre in "M" dabei. Am Ende gibt's Weinberge als Zutat, aber es gibt auch geschickt eingesetzte Barcelona-Silhouetten im Film, besonders "by night". Wäre Corona nicht vorbei, würde man sagen: Man kann sich die Reise sparen.

Folge sechs des Barcelona-Krimis, "Der Riss in allem", folgt am 12.05. im Ersten.

Der Barcelona-Krimi: Der längste Tag – Do. 05.05. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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