"Unterm Birnbaum": ein Krimi nach Theodor Fontane
Das verschuldete Wirtsehepaar Hradschek muss sich einen Gläubiger vom Hals schaffen. Fontanes Kriminalnovelle im modernen Gewand.
ARTE zeigt zum wiederholten Male eine Neuverfilmung der Kriminalnovelle "Unterm Birnbaum" von 1885, die erstmals im Illustrierten-Vorläufer "Die Gartenlaube" erschien. Es ist die Geschichte eines Verbrechens, in das sich ein Ehepaar gemeinsam verstrickt. Die Schulden sind dem Hotel- und Restaurantbesitzer Abel Hradschek und seiner Ehefrau Ursel derart über den Kopf gewachsen, dass sie den einzigen Ausweg in einer Mordtat finden. Eine Fallstudie, die wenig Platz lässt für die bei Fontane sonst so gerne gepriesene Ironie, aber eine dankbare Herausforderung für die Schauspieler, hier – in Hochform – Fritz Karl und Julia Koschitz. Wie im besten "Tatort" liegen hier die Nerven zunehmend blank.
Zu Beginn sieht alles aus wie eine kongeniale Verlegung ins Heute. Ursel joggt an der Oder entlang, die Windräder drehen sich in der Weite des Oderbruchs, die Rapsfelder leuchten gelb. Doch bald wendet sich die Unbekümmertheit in Vorahnungen des Schreckens – spätestens, als Katharina Thalbach als "Mutter Jeschke", die Nachbarin, ihre Unglück verheißenden Blicke zum Nachbarn wirft. Der werde "ordentlich pflücken" können, sagt sie mit schnarrender Stimme, der Sommer sei ja außerordentlich gut gewesen. Es wirkt so, als wolle sie lieber gleich den Nachbarn als dessen Birnen essen.
Man ist jedenfalls mittendrin und nicht nur dabei, als Hradschek bei der Gartenarbeit dann auf irgendwelche Knochen stößt – auf das Skelett eines russischen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg, so stellt sich später heraus. In Hradschek reift die rettende Idee, der Entschluss zur bösen Tat – vor den Augen der Nachbarin, umzingelt von seiner Umgebung, von Bürgermeister, Staatsanwalt und Polizei. Doch er wird den Kampf aufnehmen. Er weiß als abgezockter Spieler offensichtlich, wie so etwas geht. Er macht immer gute Miene beim abgrundtief bösen Spiel, geht lächelnd unter die Menschen.
Ganz anders Ursel, seine Frau. Sie hat im nahen Berlin schon bessere Zeiten gesehen, die Flucht an die Oder mit Hradschek nahm sie aber gerne an. Er habe sie, heißt es einmal, vor ihrer Tablettensucht gerettet. Auch sie hat über ihre Verhältnisse gelebt und das Geld zum Fenster hinausgeworfen. Noch einmal wird diese Leichtigkeit deutlich: Sie fährt zur Bank in Berlin und hebt dort als vermeintliche Buchhalterin für die örtliche Kirche einen für den Gläubiger dringend benötigten Geldbetrag ab. Sie hat das drauf, mit ihrer Eleganz und ihrer raffinierten Selbstsicherheit. Eine Rettung für immer ist das nicht, nur eine Finte, um den Gläubiger zu vertrösten. Die eigentliche Tat wird dann in einer Rückblende gezeigt, jetzt schon als Trauma einer dem Wahn verfallenden Frau, die an der vorausgegangenen Mordtat verzweifelt. Sie hat dabei geholfen, einen Unfall des Gläubigers zu fingieren, hat sich im Morgengrauen verkleidet, dessen Abreise vorgetäuscht und sein Auto dann in die Oder gestürzt.
Eine Leiche im Keller
Alles verläuft nach Plan – nicht zuletzt auch, weil sich bei Blitz und Donner Hradschek im Garten zu schaffen macht. Er vergrabe den toten Gläubiger, soll die neugierige Nachbarin denken. Man findet dann aber nur die Gebeine des toten Weltkriegssoldaten, ein ganzes Dorf geht dem Trick auf den Leim.
Anders als in einem heutigen "Tatort", und das ist nun der feine Unterschied, klärt aber niemand die Schandtat auf. Vielmehr werden die Hradscheks, erst Ursel, dann Abel, von ihrem Gewissen zerfressen und vom Spuk gepackt. Noch immer wartet schließlich die Leiche, die man inzwischen im Keller hat, auf Entsorgung. Erst der Geruch, und dann auch noch die Risse in der vermauerten Wand.
Werden die Toten wieder lebendig, wie es die kirchengläubige Ursel befürchtet? – Zwei schaufeln sich hier also das eigene Grab, immer tiefer geraten sie in die Katastrophe hinein. Der Zuschauer bleibt, rein perspektivisch, dabei stets auf ihrer Seite. Mitfühlend verurteilt er zugleich die Tat. Der Melancholie des Dorfs an der Oder aber gibt Uli Edels Regie wenig Raum. Das ramponierte Hotel wirkt wie auch das Hexenhaus der Nachbarin wie die Theaterkulisse einer belehrenden Moritat. Die Moral von der Geschicht: Verbrechen lohnt sich nicht. Nichts sei "so fein gesponnen", darf Katharina Thalbach am Ende sagen, "es kommt doch alles an die Sonnen". Das ist dann doch ein bisschen zu oberlehrerhaft für all den Stress, den die armen Mörder hatten.
Unterm Birnbaum – Fr. 02.04. – ARTE: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH