"Tatort: National feminin"

ARD wiederholt einen der besten "Tatorte" aus Göttingen

17.04.2022, 10.33 Uhr
von Julian Weinberger

Im Frühjar 2020 lieferte das Göttinger "Tatort"-Team eine packende, bedrückende Milieustudie der rechten Szene. Am Ostersonntag wiederholt die ARD den Kromi, der die Zuschauer mit einem dicken Kloß im Hals zurücklassen dürfte.

ARD
Tatort: National feminin
Kriminalfilm • 17.04.2022 • 20:15 Uhr

Dass es ein "scheiß Tag" werden wird, ahnen die Kommissarinnen Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Anais Schmitz (Florence Kasumba) schon, als sie in den Göttinger Stadtwald gerufen werden. Spätestens als sie die Identität der jungen Toten auf einer Lichtung erfahren, ist die Stimmung endgültig im Keller: Marie Jäger (Emilia Schüle) ist die Betreiberin des Videoblogs "National feminin" und eine Galionsfigur der "Jungen Bewegung". In ihren Videos verurteilte die Jurastudentin vor ihrem Tod spitzzüngig den "Genderirrsinn" und Political Correctness und proklamierte stattdessen einen patriotischen Feminismus.

Von Maries Kameraden, wie dem blasierten Anführer der "Jungen Bewegung", Felix Raue (Samuel Schneider), ernten Lindholm und Schmitz nur Missbilligung. Sie sei "eine verachtenswerte Frau" wird Lindholm von einem der Jung-Nazis an den Kopf geworfen. Auch an der designierten Bundesverfassungsrichterin Sophie Behrens (Jenny Schily) beißen sich die Beamtinnen die Zähne aus. Einzig ein Stalker, der der Toten vor ihrem Ableben nachgestellt hatte, liefert einen Anhaltspunkt. Währenddessen braut sich im Netz ein Sturm aus Hass, Falschinformationen und rechtem Gedankengut zusammen.

Wie Regisseurin Franziska Buch zwischen fein dosierter Action und knallharter Gesellschaftskritik changiert, ist großes Kino. Glücklicherweise verzichtet die Filmemacherin darauf, die Mitglieder der "Jungen Rechten" als tumbe Nazis mit Springerstiefeln und Baseballschlägern darzustellen. Ganz im Gegenteil, im "Tatort" sind es gut situierte Intellektuelle, die im Kampf um ihre deutsche Heimat die Strippen ziehen. Obwohl "National feminin" ein ganzes Füllhorn an gesellschaftlichen Reizthemen anspricht, wirkt der Krimi nie überladen, sondern bildet ein homogenes Ganzes.

Auch der Mordfall, der zwischendurch zur Nebensache gerät, wird schlüssig aufgelöst – samt gelungenem Twist. Dass es dem Drehbuch von Daniela Baumgärtl und Florian Oeller obendrein gelingt, das bis dahin eisige Verhältnis von Lindholm und Schmitz in eine vorsichtige Annäherung hin zu Kollegialität zu wandeln, ist eine reife Leistung. Einer der besten Fälle des Göttinger Duos.

Tatort: National feminin – So. 17.04. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte dich auch interessieren