ARTE-Porträt

"Snoop Dogg – The Doggfather": Wie ein Rapper Everybody's Darling wurde

von Christopher Schmitt

Vom Gang-Mitglied mit Mordanklage am Hals zu Amerikas Liebling: Snoop Dogg ist ein echtes Phänomen. Eine ARTE-Doku zeichnet den Weg des US-Rappers nach.

ARTE
Snoop Dogg – The Doggfather
Dokumentation • 01.10.2021 • 23:35 Uhr

Auch mit 50 Jahren wirkt dieser Typ noch wie die personifizierte Coolness: Rapstar Snoop Dogg prägte nicht nur ein ganzes Genre und schaffte es, seit Anfang der 90-er relevant zu bleiben, er ist trotz oder vielleicht sogar wegen seiner Widersprüche Amerikas Liebling. Dieses Bild zeichnet die Dokumentation "Snoop Dogg – The Doggfather", die ARTE als Erstausstrahlung zeigt, jedenfalls von der HipHop-Ikone. Der sehenswerte Film von Regisseurin Henrike Sandner begibt sich auf die Spuren eines stilprägenden Rap-Phänomens, welches über die Jahre die unterschiedlichsten Spannungsfelder vereinte: Armut und Reichtum, Show und Authentizität, Gangster-Attitüde und soziales Engagement. Dabei werden auch das Genre Gangsta Rap sowie die Lebensrealität in afroamerikanischen Armen-Vierteln beleuchtet.

Viele Weggefährten des Rappers kommen zu Wort. Musikjournalist Touré fasst zusammen: "Er ist einfach dieser liebenswürdige, lustige, coole Typ, den alle mögen." Everybody's Darling also, in allen Facetten: Denn Snoop Dogg vollzog in seiner Karriere bereits den einen oder anderen Image-Wechsel. Mal gab er den Gangster – er war tatsächlich Gang-Mitglied -, dann wurde er zum Zuhälter, dann zum Kiffer. Angeblich rauchte er zeitweise über 80 Joints am Tag.

Egal welche Rolle er spielte – mag sie auf den ersten Blick noch so überzeichnet wirken, er besticht durch sein Charisma und spielt sie perfekt. Interessanterweise scheint seine Glaubwürdigkeit – insbesondere im HipHop-Business als hohes Gut angesehen – keinerlei Schaden genommen zu haben.

Sein Siegeszug begann Anfang der 90er-Jahre im Süden von Los Angeles, einer Gegend, geprägt von Kriminalität. In den Straßen wurde gedealt, Gangs bekriegten sich, korrupte Polizisten zogen Dealer ab. Was für manche klingen mag, wie das Setting eines Action-Films, war zu diesem Zeitpunkt Snoops Lebensrealität. Und über die schrieb er Songs, die Gangsta Rap mit bis dato unbekannten Zutaten würzten: einem betont lässigen Flow und einer Mischung aus Provokation und Ironie – sowie einer Prise Funk. 1993 erschien sein Album "Doggystyle" – der Name ähnlich provokativ wie das Cartoon-Cover – und wurde zum Mega-Erfolg: Rund zehn Millionen Mal verkaufte sich die Platte des Dr. Dre-Schützlings und wurde zu einem Klassiker des US-Raps.

Doch im Raum stand auch der Vorwurf der Gewaltverherrlichung: In der Doku sind alte Aufnahmen wütender Menschen aus seiner Gegend zu sehen, die seine CDs zertreten. Besonders brisant: Während der Aufnahmen zu "Doggystyle" wurde Snoop Dogg verhaftet und wegen Mordes an einem Mitglied einer rivalisierenden Gang angeklagt. Angeblich soll Snoop Dogg den Wagen gefahren haben, aus dem sein Bodyguard einen Zwanzigjährigen erschoss. Der Gerichtsprozess, in dessen Zuge sein Hit "Murder Was The Case" entstand, zog sich und schien völlig offen, schließlich wurden er und der Bodyguard freigesprochen. Sein damaliges, ebenso berühmtes wie berüchtigtes Label Death Row Records inszenierte ihn als Opfer.

Snoop Dogg kocht im Fernsehen und drehte einen Porno

Später wurde er vom Gangster zum Zuhälter, beziehungsweise zu einem Zuhälter aus den 70er-Jahren. Mit zwei Frauen an der Leine provoziert er bei den MTV Europe Music Awards 2003 im Pelzmantel. Richtig skurril wurde es 2012. In der Doku "Reincarnated" vollzog er eine Wandlung zum Reggae-Künstler. 2018 entschied er sich für ein Gospel-Album, als kleiner "Snoopy" – so nannte ihn seine alleinerziehende Mutter – sang er selbst bereits in einem Kirchenchor.

Längst ist Snoop Dogg nicht mehr einfach nur Rapper, er ist Geschäftsmann und Unternehmer – mit weitläufigem Betätigungsfeld. Er führte Regie in einem Pornofilm, hat eine Kochshow im Fernsehen und eine Sendung im Netz über Cannabis. DJ Alonzo Williams ist sich sicher: Dieser Mann könnte ebenso Versicherungen wie Dorito-Chips verkaufen. Ohnehin habe Amerika schon immer eine Schwäche für Gangster gehabt.

Seine Wurzeln hat der Rapstar nicht verleugnet. Er lebt heute noch in seinem alten Viertel, wo er als Held verehrt wird. Zu all seinen Facetten gehört auch sein soziales Engagement. So hat er eine American-Football-Liga für Kinder gegründet. "Onkel Snoop" ist eine weitere Figur im Repertoire dieses vielseitigen Künstlers. Für den deutschen HipHop-Experten Falk Schacht steht allerdings Snoops Rolle als Zuhälter Huggy Bear – obendrein auch Polizeiinformant – in "Starsky & Hutch" (2004) stellvertretend für diesen vielschichtigen Mann. "Im Viertel das Richtige zu tun, ohne zu vielen dort auf die Füße zu treten", so Schacht: "Das ist sein Leben."

Snoop Dogg – The Doggfather – Fr. 01.10. – ARTE: 23.35 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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