Eine wie Greta Thunberg

VOX startet mit "Mirella Schulze rettet die Welt"

von Eric Leimann

Was tun, wenn die globale Moralkeule im Kinderzimmer des eigenen Hauses geschwungen wird? "Stromberg"-Erfinder Ralf Husmann hat eine bissige Familien- und Umwelt-Dramedy geschrieben, die einen kompletten Abend bei VOX füllt. Jördis Triebel und Moritz Führmann spielen Eltern unter Druck.

Ach ja, der Mensch – ein nur begrenzt zur Vernunft fähiges Wesen. "Sogenannte Erwachsene", wie die 13-jährige Mirella Schulze (Tilda Jenkins, "Zeit der Geheimnisse") feststellt, sind ziemlich gut darin, den eigenen Lebensraum und den ihrer Kinder zu zerstören – und sich dabei nur ab und zu mal schlecht zu fühlen. Die Verdrängung funktioniert: Ja klar, man will weniger Fleisch essen. Öfter das unverpackte Gemüse in den Einkaufswagen packen. Und auch den Wagen immer mal wieder zugunsten des Rades stehenlassen. Nur nicht dann, wenn es nach Regen aussieht. Autor Ralf Husmann ("Stromberg") hat rund um diese Konflikte eine achtteilige Dramedy erschaffen, die im April beim Streamingdienst TVNOW Premiere feierte. Am heutigen Mittwoch, 4. August, kommen alle Folgen als Binge-Watch-Angebot ins Free TV-Programm von VOX, wo der Mirella Schulze-Abend bis 0.10 Uhr (Ende Folge acht) andauert.

Wir wissen es ja: Kosmetische Korrekturen unseres wohlständigen Lebenswandels werden Klimakatastrophe, Artensterben und andere hochrealistische Weltuntergangs-Szenarien nicht verhindern. Es müsste ein radikaler Schnitt her – wenn man nur nicht so müde wäre. Für radikale Schnitte, die man den Erwachsenen nicht zutraut, steht in "Mirella Schulze rettet die Welt" ein zierliches Mädchen mit traurigen Anklage-Augen, das zwar Mirella heißt, aber sehr deutlich an Greta Thunberg angelehnt ist.

Mirella – oder auch "Zwerg", wie sie von ihrer zickigen Konsum-Schwester Maya (Ella Lee) gerufen wird, lebt mit ihren Eltern (Jördis Triebel, Moritz Führmann) in einer nicht näher bezeichneten deutschen Provinz. Sie ist das jüngste von drei Kindern. Komplettiert wird das noch lange nicht abbezahlte Einfamilienhaus von Sohn Mats (Maximilian Ehrenreich), dem ältesten der Schulze-Kinder. Unter den moralischen Geboten der sichtbar an der Welt leidenden Mirella geraten nicht nur die anderen vier Schulzes gefühlt im Minutentakt in die Bredouille: falsches Einkaufen, falsches Essen, falsche Kleidung, falsche Lebensgewohnheiten.

Auch Lehrer, Mitschüler und von Mirellas Social Media-Power angegriffene Politiker und Unternehmer geraten ins Schwitzen. Und die Jobs der Eltern gehen eigentlich gar nicht – der Vater ist LKW-Fahrer, die Mutter Assistentin des Geschäftsführers (großartig: Harald Schrott) eines der größten Arbeitgeber der Region, einer Chemiefirma.

Öko-Promi-Mädchen unter Beobachtung

Dass bei allem Ernst auch eine gewisse Tragikomik darin liegt, wenn die junge Hauptfigur der Serie (Regie: Jonas Grosch und Sinan Akkus) ihre Umwelt bis aufs Blut nervt, hat der begnadete Alltags-Beobachter Ralf Husmann erkannt. Nicht nur "Stromberg" erfand der 1964 geborene Autor in einer vom britischen "The Office"-Original durchaus abweichenden, irgendwie sehr deutschen Variante, sondern auch die geniale Hochstapler-Satire "Vorsicht vor Leuten" (ARD), das Joyn-Serienprodukt "Frau Jordan stellt gleich" oder die Trennungs-Komödie "Merz gegen Merz" im ZDF. Ralf Husmanns präziser und in hoher Punchline-Taktung schnell zuschlagender Humor findet sich derzeit auf allen Kanälen. Was durchaus ein bisschen erstaunlich ist, denn die Stoffe Husmanns sind nie schlicht, sondern mit viel gesellschaftlicher Ätz-Kraft aufgeladen.

Beim Lachen muss man die Katastrophe des fast im Minutentakt aufgedeckten eigenen Fehlverhaltens in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit leider permanent mitertragen. An manchen Stellen, die fast ein noch intensiveres Hinsehen verdient hätten, geht der Fokus der Serie über Mirella als Mahnerin hinaus.

Wie sich ein junges Öko-Promi-Mädchen fühlt, das ob seiner moralischen Konsequenz von allen Seiten unter Beobachtung und Erwartungsdruck steht, spricht die Serie ebenfalls an. In diesen Momenten gibt es dann schon mal Tränen oder zumindest ein ganz privates, todtrauriges Gesicht im Kinderzimmer. Szenen, die sich so oder so ähnlich auch im Haus der schwedischen Familie Thunberg abgespielt haben könnten.

"Viele wahre und wichtige Botschaften"

"Man kann sich auf einen humorvollen Realtitycheck zum Thema Klimaschutz in einer Familie freuen, die der eigenen Familie wahrscheinlich gar nicht so unähnlich ist", sagt Schauspieler Moritz Führmann. "Und dabei werden alle Idealisten ernst genommen, und die Skeptiker mit viel Humor mitgerissen." Schließlich sei es "nicht ganz einfach."

Die junge Hauptdarstellerin weiß: "Klimaschutz und Umweltschutz sind super wichtig. Der Klimawandel ist da, und wir müssen was dagegen tun, sonst ist es zu spät." Tilda Jenkins weiter: "Auch wenn die Serie oft lustig ist, stecken viele wahre und wichtige Botschaften dahinter." Über ihre Rolle verrät sie: "Obwohl ich mich mit ihren Zielen identifiziere, bin ich ihr vom Charakter gar nicht ähnlich. Aber ich kann sie oft sehr gut verstehen und versuche, auch privat diesen Durchsetzungswillen wie sie zu haben."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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