"Marie Curie – und das blaue Licht": die Geschichte einer frühen Emanzipation
Der Spielfilm über die berühmte Physikerin Marie Curie bietet spannende Einblicke in ihr Leben, der wissenschaftliche Aspekt kommt dabei zu kurz.
"Marie Curie – und das blaue Licht" (2016) ist nicht zu verwechseln mit dem Spielfilm "Marie Curie – Elemente eines Lebens" (2019), der im vergangenen Jahr in wenige Kinos kam. Beide Filme behandeln das Leben und Wirken der großen Forscherin Marie Curie, die gleich zweimal mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde – einmal gemeinsam mit ihrem Mann Pierre Curie in Physik, 1903, und danach in Chemie, 1911. In Marie Noëlles Film wird die Curie von einem Zeitungsjournalisten gefragt, wie man denn zu großen Ideen und deren Umsetzung komme. Sie gibt "Talent" und "Zufall" als Gründe an. In der Beiläufigkeit solcher Momente gewinnt die BR-Kinokoproduktion ihren Charme. Die Darstellung wissenschaftlicher Arbeit kommt leider zu kurz. Vor allem zu Beginn wird da mit den symbolisch in blaues Licht getauchten Unterwasserbildern etwas zu viel versprochen.
Schnell kommt der Film "Marie Curie – und das blaue Licht" zu seinem Doppelthema, der Entdeckung der bislang weitgehend unbekannten Radioaktivität und der Besonderheit weiblichen Forschens. Eben noch unter Wasser, fährt die Kamera über das Paris der Weltausstellung von 1900 und hält dann in einem Hinterhoflabor, in dem das junge Ehepaar Marie und Pierre Curie an der Erforschung radioaktiver Elemente arbeitet. Darauf, dass man nun viel über Spektralanalysen und die Radioaktivität des Radiums erfahren würde, wird man nicht hoffen dürfen. Wie in anderen Filmen über Marie Curie, überwiegt alsbald das private Leben – von der Liebe zu ihrem Mann Pierre, der 1906 bei einem Unfall starb, bis hin zu der von der Pariser Presse ausgeschlachteten Liaison mit einem verheirateten Kollegen. Noch vor der Reise zur Nobelpreis-Verleihung setzen gleich zu Beginn bei Marie im Labor die Wehen ein.
Verknöcherte Wissenschaft gegen freien Forscherdrang
Eine zweite Tochter wird geboren. Bekomme ich auch einmal einen Nobelpreis? fragt Irène, die ältere Tochter. "Warum nicht?" antwortet die Mutter. Irène bekam den Nobelpreis 1934 tatsächlich, auch verschiedene Enkel wurden Physiker und heirateten untereinander. Das ist kurios, aber als tragfähiges Gerüst für ein nostalgisches Biopic gibt so etwas nicht viel her. Die Lebensgeschichte der Marie Curie, die hier in angemessenem Dekor erzählt wird, ist etwas zu offensichtlich die Geschichte einer frühen Emanzipation. Mehrfach muss sich Marie Curie männlich-akademischer Missgunst erwehren. Es gilt, sich überkommener Vorurteile und Traditionen zu erwehren. Um Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften bittet die in Warschau geborene polnische Immigrantin vergeblich, auch der Lehrstuhl ihres bei einem Unfall tödlich verunglückten Mannes wird der inzwischen angesehenen Physikerin erst nach Jahren zugesprochen.
Skeptische alte Herren umstellen die Forscherin immer wieder in Kongressen und Konferenzen. Verknöcherte Wissenschaft gegen freien Forscherdrang wird gezeigt und durch die Attraktivität der Hauptdarstellerin Karolina Gruszka verstärkt. Man versteht, warum Einstein im Film als großer Bewunderer bezeichnet wird und würde gerne mehr Leidenschaft – privat wie beruflich – erleben.
Die Folgen der Radioaktivität werden hier nur gestreift – anders als im Film von 2019, nach einer Graphic Novel, der die Katastrophen von Hiroshima und Tschernobyl vorwegnimmt. Auch die "Strahlenkrankheit", die Marie Curie beim Umgang mit den radioaktiven Stoffen früh ereilte, wird allenfalls tangiert. Eine Ikone weiblicher Emanzipation in der Wissenschaft wird hier recht dezent gefeiert. Marie Noëlle bekam für die Regie den Bayerischen Filmpreis 2017 zugesprochen.
Marie Curie – und das blaue Licht – Fr. 26.03. – ARTE: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH