Darstellerin im Gespräch

Jutta Speidel: „Ich stehe hinter allen Dingen, die ich gemacht habe!“

von Wolfgang Wittenburg
Jutta Speidel in "Die schönste Bescherung"
Jutta Speidel in "Die schönste Bescherung"  Fotoquelle:  ARD Degeto Film/Richard Kranzin

Vor Energie und Lebenslust strotzt diese Frau wie wenig andere. Und wenn man Jutta Speidel (70) nach ihren Wünschen fragt, dann kommt ganz viel Berufliches und zum Schluss (vielleicht) etwas Privates. Nun ist der Münchner Publikumsliebling im ARD-Weihnachtsfilm „Die schönste Bescherung“ (13. Dezember, 20.15 Uhr) zu sehen. Beruflich ist alles im guten Fluss – und ihr erster Roman ,Amaryllis‘ erschienen. Seit 28 Jahren ist Jutta Speidel zudem Gründerin und Betreibern ihres Münchner Obdachlosen-Hilfsprojektes „Horizont e.V.“. Im offenen Interview geht es für Jutta Speidel um Gesundheit, ihr Verhältnis zu ihren Töchtern (Franziska, 40, und Antonia, 37) und ihre sehr individuelle Einstellung zu ihrem Geburtstag und Festen:

Was mögen Sie an der Geschichte und an der Figur Britta Rigi im ARD-Weihnachtsfilm „Die schönste Bescherung“ (13. Dezember, 20.15 Uhr) – warum haben Sie nicht Nein gesagt?

„Es war ein beharrliches, immer wieder nach mir fragen und überzeugen von Seiten sowohl der Regisseurin wie der Produktion, und ich bin dann bin gerne aufs Boot aufgesprungen. Nachdem ich von der Regisseurin Karin Heberlein einen wunderbaren Film auf dem Münchner Filmfest gesehen hatte, dachte ich, sie hat eine nette Handschrift, das ist schön, das ist nicht oberflächlich, das geht unter die Haut – es hat mir einfach gut gefallen.“

Haben Sie es gern, wenn zwischen Arbeit und Privatleben eine räumliche Trennung ist? In München würden Sie vielleicht immer mal wieder für „Horizont e.V.“ aktiv werden und so können Sie sich voll konzentrieren.

„Ich bin ziemlich gut im Organisieren. Ich stehe auf mehreren Beinen und ich arbeite immer Dinge ab. Ich war zum Beispiel dieses Jahr sehr viel mit meinem Roman ,Amaryllis‘ unterwegs. Ich hatte über 40 Lesungen in diesem Jahr und bin durch die gesamte Republik gefahren. Das war nicht ganz unanstrengend, muss ich sagen, immer über Autobahnen, weil ich mit mit dem Auto gefahren bin, denn mit unserer Bahn ist es noch schwieriger.“

Und so eine Lesereise muss organisiert werden?

„Ich muss mir das schon immer genau überlegen. Wann mache ich was, und was kann ich vorbereiten? Wo kann ich etwas verbinden und wo geht das nicht.“

Funktioniert das immer gut?

„Ich hatte meine Lesereise, die mich weit geführt hat, ich bin rund 3.000 Kilometer innerhalb von einer Woche gefahren. Einmal musste ich unbedingt nach München, und dann bin ich halt nachts von Bebra in Hessen nach München gefahren, weil ich am nächsten Tag Bemusterung von unserem dritten ,Horizont‘-Haus hatte. Das war ein wichtiger Termin, an dem viele teilgenommen haben und ich durfte nicht fehlen. Ich bin nachts nach München gefahren, um dann am Nachmittag nach Tuttlingen in Baden-Württemberg zu fahren, um dort zu lesen. Manchmal kann das heftig sein.“

Aber es ist wichtig und gehört zu Ihnen?

„Ich kann das alles noch gut machen und es macht mir auch Freude, und wenn ich am Abend auf der Bühne stehe, dann werde ich auch belohnt, durch den Applaus und durch die Wärme, die mir entgegenkommt, auch durch das Interesse an dem, was ich mache – und das ist dann schon sehr schön.“ (strahlt)

Woher haben Sie dieses Durchhaltevermögen, auch wenn alle Nein sagen? Kommt das auch durch „Horizont e.V.“? Müssen Sie da mutig oder hartnäckig sein, wenn Sie Spenden sammeln? Sie hätten ja auch vor Verzweiflung in die Tischkante beißen können, das tun Sie aber nicht.

„Nee, das wäre ja blöd! (lächelt) Ich mache die Dinge, die ich tue, mit großer Überzeugung! Ich stehe sowohl hinter meiner beruflichen Arbeit als Schauspielerin, wie auch hinter dem Verein.“

Das ist für Sie wichtig?

„Ich weiß sehr wohl, dass es Filme gibt, die viel mehr Aufsehen erregen, aber in denen ich nicht drinnen bin. Ich stehe aber hinter allen Dinge, die ich gemacht habe. Ich muss mich nicht schämen, ich kann mich im Spiel angucken. Im Gegenteil, ich denke, ich fahre eine sehr gerade und gute Linie, die eben den Menschen ans Herz geht. Das ist keine Kitsch-Nummer von mir, absolut nicht, denn ich bin ein sehr kritischer Mensch. Genau das weiß mein Publikum auch, und deswegen schätzen die Leute auch ,Horizont‘ und die Arbeit, die ich als Schauspielerin mache. Beharrlichkeit – es sind jetzt 28 Jahre ,Horizont‘. Wie will man aus so einer Sache aussteigen, die man mal in die Wege geleitet hat? Das geht gar nicht! Ich steige dann aus, wenn es mich nicht mehr gibt. Vorher aber nicht, denn ich bin der Motor.“

Hat Ihr Beruf im Wandel der Zeit einen anderen Stellenwert bekommen? Wer sich Ihre Film anguckt, der kann in der Zeit keinen Blödsinn machen. Ist in dieser Zeit Ablenkung und Zerstreuung wichtiger? Sehen Sie das so und kriegen Sie das auch gespiegelt?

„Ich denke, es ist so, dass die Menschen irgendwie verlernt haben, sich hinzusetzen und entweder ein Buch zu lesen oder einen Film konzentriert zu gucken. Beides geht heute nicht, ohne nebenbei 20mal aufzustehen und etwas aus dem Kühlschrank zu nehmen oder etwas im Handy zu schauen. Leider ist das so, aber das hat ja auch jeder Mensch selber in der Hand.“

Wie machen Sie es?

„Ich kann das Handy sehr gut ausmachen. Manchmal kriege ich einen Anruf auf dem Festnetz, warum ich nicht ans Handy gehe. Ich weiß mitunter gar nicht, wo das Gerät gerade liegt. Ich bin dann im Garten, bereite mich auf eine Lesung vor oder mache etwas anderes. Bei mir ist es so, mein Handy liegt nicht neben mir, wenn ich etwas anderes zu tun habe.“

Es geht darum, sich auf etwas einzulassen, sich auf einen Film einlassen oder auf die Gartenarbeit, oder?

„Das Einlassen ist wichtig, das sind für mich diese Auszeiten. Ich nenne sie immer Urlaub. Bin gerade in Urlaub, das sind vielleicht nur 60 Minuten, aber das ist so mein kleiner Urlaub. Ich finde das praktisch, denn ich muss nicht unbedingt in ein Flugzeug steigen, um Urlaub zu haben.“ (lächelt)

Was ist Ihre Kraftquelle für all das, was Sie machen. Sind das diese Urlaube zwischendurch? Reicht da für Sie schon eine Stunde im Garten?

(lächelt): „Ich habe einen wunderbaren Satz vom französischen Philosophen Voltaire gelesen: ,Ich habe mich fürs Glück entschieden, denn es soll förderlich für die Gesundheit sein!‘ Für mich ist das ein ganz wunderbarer Satz, er kommt aus einem ganz anderen Jahrhundert. Ich denke, die Kraft, die man hat, hat man auch dadurch, dass man sich für das Glück in sich und mit sich entschieden hat. Und vieles kann gesunden, wenn man diese optimistische Haltung hat. Es kommt für mich ein Kopf-in-den-Sand-stecken gar nicht infrage. Ich denke noch nicht mal drüber nach, sondern ich versuche, Lösungen zu finden. Ich bin ein lösungsorientierter Mensch.“

Das ist Ihre Kraftquelle?

„Aus meiner Einstellung entwickelt sich die Kraft und ist dann einfach da. Sicherlich hat mir Mutter Natur oder der liebe Gott oder meine Gene das zu meiner Geburt auch eingepflanzt. Vielleicht bin ich unter sau-guten Sternen geboren, ich weiß es nicht, ich bin kleine Astrologin. Ich weiß aber, es ist in mir und ich kann gar nicht anders.“

Was passiert am besten am 26 März im nächsten Jahr – großes Fest, flotter Urlaub, also Abtauchen oder langsam Trauermarsch?

„Ich bin in Hamburg und habe ein Lesung in der ,Körber‘-Stiftung.“ (lacht laut)

Ihr 71. Geburtstag ist kein besonderer Tag für Sie?

„Ich habe eine Stieftochter in Hamburg und eine Tochter in Berlin. Deshalb habe ich mich entschlossen, dass ich diesen Geburtstag wie folgt begehe: Ich bin vorher in Berlin und möchte dann einfach gleitend vom Abend des 25. auf den 26. mit meinem Berliner Kind und dann mit meinem Hamburger Stiefkind und der Familie mit einem Frühstück feiern. Irgendwann danach werde ich in München dann noch Kaffee und Kuchen machen. Es ist ja ein unbedeutender Geburtstag und da braucht es kein rauschendes Fest.“

Wobei Sie das auch gerne verbinden, wenn es ein Fest für Sie gibt, dann wollen Sie eher keine Blumen, sondern eine Spende für „Horizont“, oder?

„Also, Herumsteherle brauche ich gar nicht mehr! Blumen aber kann ich immer haben, denn ich liebe Blumen. Zu einem Blumenstrauss sage ich nie Nein, und auch zu einer Flasche Champagner nicht, aber diese Herumsteherle brauche ich nicht mehr, und wenn das jemand schenken will, dann soll er doch bitte lieber 50 Euro für ,Horizont‘ spenden.“

Letzte Frage: Was liegt Ihnen am Herzen?

„Ich möchte sagen, dass sich der Roman ,Amaryllis‘ hervorragend als Weihnachtsgeschenk eignet und, dass der Verein ,Horizont‘ sich immer sehr über Geldspenden freut!“

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