Im Podcasts "Sunset Club"

Joko Winterscheidt wütend über Publikumsreaktion auf Tokio Hotel

14.07.2023, 08.52 Uhr
von Jürgen Winzer

Fassungslosigkeit bei Joko Winterscheidt. Die Band Tokio Hotel wurde einst gefeiert und legte eine Weltkarriere hin. Doch vor heimischen Publikum wurden sie ausgebuht. Der Moderator bezeichnete das Verhalten der Pop-Fans als "total absurd" und machte im Podcast seinem Ärger darüber Luft. 

Ausländische Stars hui, einheimische Stars pfui? Darüber, wie es um die Würdigung der deutschen Pop-Größen durch die deutschen Fans steht, philosophieren Sophie Passmann (29) und Joko Winterscheidt (44) in der aktuellen, neunten Ausgabe ihres Podcasts "Sunset Club". Ihre Erkenntnis: Es sieht eher schlecht aus. Tendenz: Den internationalen Popstars wird hinterhergehechelt, über die eigenen bekannten Landsleute die Nase gerümpft.

"Wir Deutschen haben die Krankheit, unsere Popstars nicht genug abzufeiern"

Am Anfang steht Cro. Den deutschen Hip Hopper, schon seit 2011 ("Easy") bekannt, hat sich Sophie Passmann jüngst bei dessen Tourauftakt in Berlin live angeschaut. Und während sie begeistert von Bühnenshow und Hit-Geprassel zur Überzeugung kam, "Cro ist einfach ein f..cking Popstar!", kam ihr der Gedanke: "Wir Deutschen haben die Krankheit, unsere Popstars nicht genug abzufeiern. Wir haben zwar diese unglaubliche Sehnsucht: 'Warum haben wir nicht solche Popstars wie in den Staaten?' Aber wenn wir sie dann haben, rümpfen wir die Nasen."

Bei Joko Winterscheidt rannte sie damit offene Türen ein. Er sieht es "zu 100 Prozent" genauso.

Joko Winterscheidt war Augenzeuge

Vielleicht, mutmaßte Winterscheidt, habe das mit der "deutschen Mentalität", zu tun, "dass man alles erst einmal schlecht reden" müsse. Zum Beispiel Cro meinte er, dass jener (bürgerlich übrigens: Carlo Waibel) durchaus Weltstar-Potenzial habe, allerdings den "Nachteil, dass er in Deutschland angefangen hat". Wie auch Tokio Hotel. Wir sehr die Band um Bill und den aktuellen Gatten von Heidi Klum, Tom Kaulitz, von den deutschen "Fans" zugesetzt wurde, hat Winterscheidt am eigenen Leib erlebt. Verstehen kann er das damals Erlebte aber bis heute nicht.

Es begab sich zu der Zeit, und zwar exakt am 1. November 2007, dass sich in München die Crème de la Crème der Pop- und Rockwelt traf, um die MTV European Music Awards zu zelebrieren. Damals war MTV kein unbedeutender Kanal auf den hinteren Programmplätzen, auf dem end- und lieblos Musikvideos abgespielt werden, sondern, so Winterscheidt, die "größte popkulturelle Referenz". Und eben die hatte Tokio Hotel nicht nur zum Auftritt geladen, sondern es sollte auch ein Award überreicht werden. "Auftritt und dann auch noch Award, das ist der Ritterschlag", meint Winterscheidt, damals Augenzeuge in der Olympiahalle in München. Was er zu sehen und zu hören bekam, war "unfassbar. Mir ist die Kinnlade runtergefallen."

"Das wollte nicht in meinen Kopf, das hat mich maßlos geärgert"

Tokio Hotel waren 2005 durch die Single "Durch den Monsun" über Nacht zum größten deutschen Pop-Phänomen seit Nena oder den Fantastischen Vier geworden. "Bravo" und "Popcorn" bejubelten endlich mal wieder tolle Auflagen – wenn Bill & Tom auf dem Titel waren. Der Erfolg schwappte über die Grenzen. Am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli, spielten sie 2007 in Paris als Ehrengäste vor 500.000 begeisterten Fans.

Vier Monate später räumten sie in München bei MTV den Award in der Kategorie "Inter Act" ab und schlugen da mit Depeche Mode, Green Day und 30 Seconds From Mars hochkarätige Konkurrenz aus dem Feld. Dafür war das Münchner Publikum allerdings nicht beindruckt.

"Das war total absurd", erinnert sich Winterscheidt im Podcast. "Da kommt 'ne junge Band mit unfassbarem Erfolg und unglaublicher Geschichte auf die Bühne. Die ganze Welt sieht diese Band und ihre gigantische Show – und kriegt mit, dass die im eigenen Land ausgebuht wird. Ich dachte echt: 'Wollt ihr mich verarschen?' Das wollte nicht in meinen Kopf, das hat mich maßlos geärgert."

Sophie Passmann outet sich als "Lena-Ultra"

Zur Ehrenrettung von Tokio Hotel muss man sagen, dass ihr MTV-Auftritt, bei dem sie live im strömenden Kunstregen ihren Riesenhit spielten, in die Geschichte einging und die Fans weltweit beeindruckte. Und auch wenn deren Karriere (trotzdem) abebbte, bleibt das Phänomen des im eigenen Land nicht oder nach Passmann/Winterscheidts Meinung nicht genügend geschätzten Pop-Propheten.

Als weitere Beispiele führen die beiden im Podcast den Rapper Casper und die ehemalige ESC-Siegerin Lena Meyer-Landrut an. Passmann outet sich als "Lena-Ultra" und bewundert die Künstlerin nicht nur musikalisch, sondern auch für "die Größe und Eleganz, mit der Lena ein Jahrzehnt lang über unglaublich herablassende, teilweise auch sexistische Berichterstattung hinweggegangen ist".

Zu wenig Aufmerksamkeit für die einheimischen Stars?

"Wir können nicht jammern", so Passmann, dass wir keine großen Popstars haben, dann "aber die Leute, die das Potenzial dazu haben, Nase rümpfend links liegen lassen". Und zeitgleich den großen internationalen Stars wie Billie Eilish, Harry Styles oder ganz aktuell Taylor Swift fast blind ins überteuerte Konzert zu folgen, "obwohl man nur ein, zwei Songs von denen kennt".

Also: Geht mehr deutsche Acts gucken, rufen Passmann und Winterscheidt auf. Eine Top-Gelegenheit biete sich beim "Glücksgefühle-Festival", organisiert von Lukas Podolski, vom 14. bis 17. September am Hockenheimring. Dort treten neben anderen Marteria, Sido, Cro, Sarah Connor, Star Zoe Wees und Gentleman auf.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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