"Jeanny"-Darstellerin Theresa Riess: "Sie vereint viele Widersprüche"
Mit dem Thriller "Jeanny – Das fünfte Mädchen" wird Falcos kontroversenr Hit (1985) als Fernsehfilm inszeniert. Im Interview erzählt Hauptdarstellerin Theresa Riess, wie sie ihren ersten Dreh erlebt hat – und weshalb sie für ihre Rolle ein Praktikum beim Friseur absolviert hat.
Falcos kontroverser Gänsehaut-Hit "Jeanny" wird zum Thriller: In dem von ORF und MDR koproduzierten Film ("Jeanny – Das fünfte Mädchen", zu sehen am Mittwoch, 9. Februar, 20.15 Uhr, im Ersten) steht eine junge Frau namens Jeanny (Theresa Riess) im Mittelpunkt, die den zwielichtigen Steuerberater Johannes (Manuel Rubey, der kurioserweise in der Rolle des Falco bekannt wurde) kennenlernt. Zugleich verschwinden in der Stadt seit Jahren immer wieder junge Mädchen. Anwohner gründen eine Bürgerwehr, die Stimmung wirkt aufgeheizt. Dass Newcomerin Theresa Riess die Hauptrolle im schaurigen Fernsehfilm ergattern konnte, ist für die 1994 geborene Österreicherin eine große Ehre – immerhin stand sie zuvor noch nie vor der Kamera.
prisma: In "Jeanny – Das fünfte Mädchen" standen Sie als Titelfigur vor der Kamera – Ihre erste Fernsehrolle überhaupt. Wie haben Sie sich vorbereitet?
Theresa Riess: Sehr intensiv. Ich wollte es gut machen. Gerade, weil es meine erste große Rolle war. Ich beschäftigte mich genau mit dem Drehbuch. Das heißt: Ich kritzelte viel hinein (lacht). Ich schrieb Gefühle und Gedanken dazu auf, das hat mir geholfen. Und ich versuchte, die Rolle im Vorhinein so gut wie möglich zu visualisieren.
prisma: Wie stellten Sie sich die Figur vor?
Riess: Beim Lesen des Drehbuchs bemerkte ich, dass Jeanny sehr schlagfertig ist und die besondere Fähigkeit hat, ihre Gedanken und Gefühle mit wenigen Worten auf den Punkt zu bringen. Sie vereint viele Widersprüche. Sie ist pubertär, aber auch schon erwachsen. Sie ist clever und zugleich naiv. Sie scheint auf den ersten Blick wie das süße Mädchen, aber ist in Wirklichkeit viel mehr als das. Nachdem ich ein gewisses Bild im Kopf hatte, habe ich mich dann auch praktisch auf die Rolle vorbereitet.
prisma: Inwiefern?
Riess: Ich habe zum Beispiel bei einem Friseur gelernt, wie man Haare schneidet. Es gibt eine kurze Szene, in der Jeanny im Salon ihrer Mutter einspringt. Da musste es so aussehen, als hätte ich schon einmal eine Schere oder einen Rasierer in der Hand gehabt.
prisma: War das Ihre eigene Idee?
Riess: Ja, ich wollte das unbedingt tun. Es war mir sehr wichtig, dass es glaubhaft rüberkommt. Als Tochter einer Friseurin sollte Jeanny Haare schneiden ja durchaus beherrschen. Ich wollte eben nicht, dass man beim Zuschauen denkt: Oh, sie versucht jetzt, Friseurin zu spielen. Das Ganze hatte noch einen weiteren Vorteil: Ich konnte meinen Eltern in der Pandemie dann tatsächlich selbst die Haare schneiden! (lacht)
prisma: Wie lief ihr Tag im Friseursalon ab?
Riess: Nachdem mein Frisör mir dieses Schnupperpraktikum organisiert hat, ging ich dort hin und habe einen Nachmittag lang beobachtet. Ich lernte, wie man eine Schere hält und durfte an einem künstlichen Frisierkopf üben.
Mit dem ganzen Herzen bei der Sache
prisma: Sie sammelten zuvor bereits erste Erfahrungen auf der Theaterbühne. Haben Sie dort auch so viel Energie in Ihre Rollen gesteckt?
Riess: Ja. Ich sehe mich als Schauspielerin, die mit ganzem Herzen bei der Sache dabei ist. Ich liebe den Beruf, und es ist für mich ein Privileg, dass ich mich darin auch weiterbilden und für jede Rolle etwas dazulernen darf.
prisma: Werden Sie nun wieder zum Theater zurückkehren?
Riess: Für die nächste Zeit möchte ich mich auf Film und Fernsehen konzentrieren. Das Theater hat einen großen Platz in meinem Herzen, weil ich auf den Bühnen gelernt habe zu spielen. Es ist etwas ganz Besonderes, vor Publikum zu stehen und die Reaktionen sofort und live spüren zu dürfen. Aber im Moment zieht es mich mehr vor die Kamera. Auch, weil die Arbeit im Film noch relativ neu ist für mich.
prisma: Träumen Sie von einer bestimmten Rolle?
Riess: Noch nicht. Grundsätzlich freue ich mich einfach und bin sehr dankbar, dass meine erste Rolle so großartig war und wünsche mir, dass es so weitergeht. Irgendwann will ich auf Englisch spielen und in einer internationalen Produktion dabei sein.
prisma: Sie wollen also hoch hinaus – haben Sie auch schauspielerische Vorbilder?
Riess: Da muss ich nicht lange überlegen: Meryl Streep, Helena Bonham Carter und Gael García Bernal.
prisma: Wollten Sie schon immer Schauspielerin werden?
Riess: Nein, das hat sich mit der Zeit herauskristallisiert. Ich war ungefähr 17, als für mich feststand: Ich will Schauspielerin werden. Ich hatte mich schon immer dafür interessiert, aber vorher lag meine Leidenschaft zu gleichen Teilen auch beim Musikmachen und beim Tanzen – das tue ich auch nach wie vor für mein Leben gerne.
prisma: Sind für 2022 bereits weitere Projekte geplant?
Riess: Ja – ich werde für eine Serie vor der Kamera stehen. Ich darf aber noch nichts verraten!
prisma: Wie unterscheidet sich die Arbeit am Theater von der am Filmset?
Riess: Es ist wirklich ganz anders. Im Theater muss man eine gewisse Körperspannung und Sprechtechnik haben, damit man mit der Stimme überhaupt die letzte Reihe erreicht.
Beim Dreh reichen oft die leisen Töne
prisma: Körperspannung braucht man doch aber vermutlich auch bei einem Dreh.
Riess: Sicher, aber es reichen oft schon die leisen Töne. Die Kamera im Film arbeitet viel feiner und fängt auch die kleinste Mimik ein. Die Arbeit ist sowohl am Theater als auch am Set sehr körperlich, aber beim Dreh liegt natürlich ein stärkerer Fokus auf dem einen Moment. Wenn man im Theater mal nicht so gut spielt, macht man es das nächste Mal besser. Vor der Kamera ist also volle Konzentration gefragt. Ich liebe diese konzentrierte Stille kurz vorm Dreh.
prisma: Waren Sie vor Ihrem ersten Drehtag sehr aufgeregt?
Riess: Die ersten Tage über war ich sehr nervös, aber auch in positivem Sinne. Ich kannte die Abläufe bei einer großen Filmproduktion und bei einem Dreh im Allgemeinen ja noch überhaupt nicht. Das ganze Team war aber unglaublich nett und unterstützend. Dadurch habe ich mich sehr schnell gewöhnt an die Arbeit am Set. Ich habe mich nach kürzester Zeit wohlgefühlt und wusste auch, dass das eine Arbeit ist, die mir liegt.
prisma: Wie kam es dazu, dass Sie zu "Jeanny" wurden?
Riess: Eine Casterin wurde auf mich aufmerksam. Ich glaube, sie hat mich über meine Schauspielschule in Berlin gefunden. Danach gab es einige Castingrunden – und dann bekam ich tatsächlich die Rolle!
prisma: Wie hat sich das angefühlt?
Riess: Es war unglaublich. Ich ging ohne Erwartungshaltung zum ersten Casting, denn ich konnte ja nichts verlieren. Ich war mir aber natürlich bewusst, dass es eine sehr große Rolle war. Als ich dann den Anruf bekam, habe ich vor Freude erst einmal gejubelt und tanzte in meiner Wohnung herum.
prisma: Was hat Ihnen an der Rolle gefallen?
Riess: Abgesehen davon, dass ich Thriller als Genre sehr mag, ist die Rolle der Jeanny wirklich vielschichtig und vielseitig. Auch, weil sie an der Schwelle zum Erwachsensein steht und sich auf vielen Ebenen gerade erst selbst kennenlernt. Diese emotionalen, dramatischen Szenen zu spielen war zum Teil sehr herausfordernd. Gerade dadurch habe ich aber viel gelernt.
prisma: Was wird Ihnen vom Dreh besonders in Erinnerung bleiben?
Riess: So einiges. Vor allem, dass ich so viele intensive Szenen spielen durfte. Zum Beispiel läuft Jeanny in einer Szene schreiend in Panik durch den Wald. Das zu drehen, war nicht einfach – es war sehr, sehr kalt, und körperlich wie emotional eine Herausforderung. Das nun im fertigen Film zu sehen, ist schon faszinierend.
"Vor mir selbst erschrocken"
prisma: Ist es komisch für Sie, sich selbst zu sehen?
Riess: Ein bisschen. Es gibt einen Moment im Film, in dem sich das Publikum erschrecken soll. Ich weiß natürlich, was passiert, bin beim Anschauen aber trotzdem selbst zusammengezuckt. Da war ich sehr stolz auf mich: Ich habe es geschafft, dass ich mich vor mir selbst erschrocken habe. (lacht)
prisma: Wie viel von Theresa Riess steckt in Jeanny?
Riess: Der Unterschied ist groß. Auch, weil ich 27 Jahre alt bin und Jeanny gerade einmal 19. Trotzdem konnte ich mich gut in die Rolle hineinversetzen. Auf der einen Seite ist sie verliebt und auf Höhenflug, auf der anderen Seite kämpft sie mit Angst und Zweifeln. Sie ist durchaus intelligent, aber eben auch sehr leichtsinnig. Das fand ich spannend.
prisma: Jeanny scheint, soweit man im Film sieht, kein großes Interesse an Musik zu haben – Sie hingegen schon. Wie stehen Sie zu Falco?
Riess: Ich kenne Falco gut. Seine Lieder werden noch immer im Radio gespielt! Den Song "Jeanny" finde ich super. Ich habe ihn wirklich endlose Male gehört. Auf fast jeder Party, die ich in meinem Leben zumindest in Österreich besucht habe, lief irgendwann Falco, vielleicht ist das typisch österreichisch (lacht). Ich mag seine Musik, aber meine große Leidenschaft gilt dem Jazz.
prisma: Sie sind 1994 geboren und somit jünger als der Song. Können Sie den Skandal, den "Jeanny" 1985 auslöste, aus heutiger Sicht nachvollziehen?
Riess: Ich kann es absolut verstehen und glaube, dass die Kontroverse und die ausgelösten Diskussionen darüber wichtig waren. Auch heute sind sie wichtig, aber ich denke, wir haben mittlerweile einen anderen gesellschaftlichen Konsens als damals, was strukturelle Gewalt gegen Frauen angeht. Ich glaube, heute sind die Menschen generell mehr für das Thema sensibilisiert. Zumindest meine Generation scheint da schon sehr reflektiert.
prisma: Der Song würde also heute kein solches Beben mehr auslösen?
Riess: Eher nicht. Ich glaube, kaum jemand würde sich trauen, so einen Songtext und Musikvideo wie das von "Jeanny" heute noch zu veröffentlichen, ohne mit Kritik zu rechnen. Dazu sind wir als Gesellschaft Gott sei Dank schon zu weit.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH