"Kitz": Glitzer, Glamour und süße Rache
Im Nobel-Skiort Kitzbühel hauen die verwöhnten Teenis der Schickeria mächtig auf den Putz. Die ortsansässige Lisi will sich inmitten des Schauspiels für den Tod ihres Bruders rächen.
Der kollektive Rauschzustand beim anstehenden Jahreswechsel wird 2021 in Deutschland wohl ausbleiben. Die Corona-Pandemie samt Kontaktbeschränkungen und Feuerwerksverbot vielerorts dämpfen die Vorfreude auf Silvesterpartys doch erheblich. Ganz anders Netflix: Mit der deutschen Eigenproduktion "Kitz" haut der Streamingdienst zum Jahresausklang noch einmal richtig auf den Putz. Ab 30. Dezember sind Streamingfans zur exklusiven Sause im "Aspen der Alpen" geladen: Es geht nach Kitzbühel.
Im Wintersportmekka, das sich jedes Jahr zur kalten Jahreszeit in einen Sehnsuchtsort der Reichen und Schönen verwandelt, spielt die Handlung des Young-Adult-Dramas, wie Netflix seine sechsteilige Serie neuhochdeutsch bewirbt. Auf den Weg nach Kitzbühel macht sich auch Instagram-Model und Influencerin Vanessa (Valerie Huber). Mit Freund Dominik (Bless Amada) und Busenfreundin Pippa (Krista Tcherneva) im Schlepptau richtet die Social-Media-Bekanntheit in einem exklusiven Alpen-Chalet eine Party aus, selbstverständlich von epischem Ausmaß.
Inmitten dieses dekadenten Treibens mit kaum bezahlbaren Sektpullen, Küsschen links, Küsschen rechts und testosteronschwangeren Geprahle findet sich auch die ortsansässige Lisi (Sofie Eifertinger) wieder. Vor einem Jahr fuhr ihr Bruder Joseph (Felix Mayr, "Unorthodox") mit dem Auto in den Tod, nachdem ihn Vanessa verarscht hatte. Nun versucht Lisi alles, um ihr den Verlust heimzuzahlen – und erschleicht sich durch findige Manöver das Vertrauen von Vanessa. Doch bei Weitem nicht jeder ihrer Pläne, den sie mit ihrem besten Freund Hans (Ben Felipe) ausgeheckt hat, klappt.
"Wir wollten eine Welt zeigen, die anders ist als alles, was sonst aus Deutschland kommt – statt Wald, Berlin, DDR, Krieg lieber Glitzer und Glamour in den 'Hamptons von München', mit interessanten Charakteren, die uns fesseln", beschreibt Headwriter Nikolaus Schulz-Dornburg die Intention hinter "Kitz". In Wirklichkeit entpuppt sich die Dramaserie als zweischneidiges Schwert. In ihren schlechten Momenten wirkt die neue Netflixserie wie ein schlechter und phasenweise schauspielerisch äußerst schwacher Soap-Abklatsch, der auf Teufel komm heraus modern und cool sein will.
Dazu gehört auch, dass die eingereiste Schickeria quasi pausenlos mit Anglizismen um sich wirft. Pippa etwa säuselt Vanessa einmal nach einer Begegnung mit einem jungen Filmproduzenten verschwörerisch ins Ohr: "Da war voll die Chemistry, er ist hot." Später stellt Vanessa fest, ihre neue Vertraute Lisi sei "nicht so fucked-up wie meine anderen Freunde", um kurze Zeit später bei einem Foto-Shooting Lisi mit ihrer Visagistin bekannt zu machen: "Guys, this is Lisi – be nice!"
Inmitten des dauerhaften Endorphinrausches und des Lebens im Überfluss gewinnt "Kitz" erst in der zweiten Serienhälfte an Profil. Zwar bleiben Hedonismus und die Überheblichkeit der Upper Class präsent, die Figuren aber bekommen Ecken und Kanten. Dominik etwa plagen trotz goldenem Käfig Zukunftssorgen und ein schwieriges Verhältnis mit seinem Vater. Der junge Hotelerbe Kosh (Zoran Pingel) versucht dagegen, den Tod seines Vaters mit Alkohol und Drogen zu betäuben; gleichzeitig ist er nicht in der Lage, die Liebschaft mit dem Dorfburschen Hans ernsthaft zuzulassen.
Moralisches Dilemma
Und Hauptfigur Lisi? Die ertappt sich nicht nur dabei, den Ausflug in die Luxuswelt mit ihren Annehmlichkeiten zu genießen, sondern entwickelt auch Sympathie für Vanessa. Besonders verhängnisvoll für ihren eigentlich Plan entpuppt sich allerdings bald eine gefährliche emotionale Nähe zu Vanessas Freund Dominik.
Ein moralisches Dilemma, Liebeskummer und klassische Coming-of-Age-Elemente – so besonders, wie die Macher "Kitz" beschreiben, ist die Netflixserie letztlich nicht. Bringt man vor dem Bildschirm aber erst einmal die anstrengenden ersten Episoden hinter sich und ist hier und da nachsichtig mit der schauspielerischen Darbietung, wartet passable junge Unterhaltung, die mit fortlaufender Dauer gehörig an der Spannungsschraube dreht.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH