"Balko"-Darsteller

Jochen Horst: "Muss auch einen Spielplatz für Männer geben"

21.03.2022, 16.44 Uhr
von Elisa Eberle

"Balko" feiert bei RTL ein Comeback – Jochen Horst erneut in die Rolle des coolen Ermittlers. Im Interview erklärt er, warum er zur Rückkehr "Ja" gesagt und warum sich das lineare Fernsehen bisweilen sein eigenes Grab schaufelt.

Er war einer der Fernsehhelden der späten 1990-er: In 48 Episoden, die von 1995 bis 1998 ausgestrahlt wurden, verkörperte Jochen Horst den coolen Dortmunder Ermittler Balko in der gleichnamigen Krimiserie bei RTL. Nach seinem Ausstieg wurde das Format noch einige Jahre mit dem Darsteller Bruno Eyron fortgesetzt. Seit 2006 jedoch war "Balko" nur noch ein Stück Fernsehgeschichte. Nun aber, mehr als 15 Jahre nach dem Aus, gibt es ein Wiedersehen mit den altbekannten Helden: Der Spielfilm "Balko Teneriffa" wird am Donnerstag, 24. März, um 20.15 Uhr, bei RTL sowie bereits ab Donnerstag, 10. März, bei RTL+ zu sehen sein. Warum er keine Angst hat, dass das Remake am Ende schief gehen könnte, verrät Jochen Horst im Interview. Außerdem erklärt der 60-Jährige, warum die Frauen-Quote im Fernsehen zwar gut, jedoch bei Weitem nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Darüber hinaus plaudert der zweifache Vater über sein Leben auf Mallorca, über die Teilnahme seiner Ex-Frau Anouschka Renzi an "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" und über die Schauspielambitionen seiner Tochter.

prisma: Herr Horst, sind Sie ein nostalgischer Mensch?

Jochen Horst: Bin ich ein nostalgischer Mensch? (überlegt) Eigentlich nicht mehr als jeder andere auch. Natürlich habe ich eine nostalgische Seite, aber ich bin niemand, der ständig zurückblickt. Es gibt gute Dinge, bei denen es sich lohnt, ein bisschen nostalgisch zu sein, aber meine grundsätzliche Lebenseinstellung ist es nicht.

prisma: Zählt "Balko" zu diesen guten Dingen?

Horst: Ja, sehr. Ich ging damals nicht im Groll. Ich war einfach wahnsinnig erschöpft und hatte das Gefühl, dass ich nicht mehr die gewohnte Qualität wie aus der Anfangszeit liefern konnte. Irgendwann führte ich dann ein längeres Gespräch mit dem Produzenten. Ich weiß noch genau, wie ich zu ihm sagte: "Wir müssen kürzertreten! Das ist einfach zu viel! Das ist zu lang!" Und er antwortete: "Das ist schade! Wir haben genau das Gegenteil vor. Wir wollen noch mehr produzieren." Dann sagte ich: "Dann ergibt es keinen Sinn." Sie müssten sich einen Neuen suchen. Das taten sie dann auch.

prisma: Bereuten Sie Ihre Entscheidung im Nachhinein?

Horst: Nein! Zwischendurch dachte ich immer wieder gerne an die Figur zurück und daran, wie gerne ich wieder einmal eine solche spielen wollen würde. Aber so wirklich stellte sich mir diese Frage nie: Wenn "Balko" mal wieder aufgenommen worden wäre, dann wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass man mich als Erstes fragt. Damals übernahm schließlich mein Kollege Bruno Eyron. Der hätte dann schon eher ein Anrecht darauf gehabt. Umso froher war ich schließlich, als man mich doch fragte.

prisma: Hatten Sie keine Bedenken, das Angebot nach so langer Zeit anzunehmen?

Horst: Überhaupt nicht! Ich habe so eine Figur im Fernsehen und die Erzählweise ohnehin vermisst. Ich habe das nirgendwo wiedergesehen ... Vielleicht beim Münster-"Tatort". Die beiden Figuren sind den Ermittlerteams Schimanski und Thanner oder Balko und Krapp ein bisschen ähnlich. Aber davon abgesehen gab es so etwas nie wieder. Deshalb dachte ich mir natürlich, dass die Zeit super ist dafür, weil man eine Lücke ausfüllt.

"Gemeckert wird immer"

prisma: Sie hatten also keine Sorge, dass so ein Remake auch schiefgehen könnte?

Horst: Gemeckert wird immer. Auch bei "Balko" wird es Kritikpunkte geben, vor allem, weil wir nicht mehr in Dortmund spielen. Es gibt Menschen, die sagen: "Ihr solltet vielleicht wieder in Deutschland drehen." – "Ja, das stimmt", antworte ich dann, "aber Dortmund ist in Teneriffa eigentlich sowieso schon versammelt." Deswegen wird es umso spaßiger.

prisma: Sie sagten, eine Serie wie "Balko" habe es seither kaum noch gegeben. Was war das Besondere an dem Format?

Horst: "Balko" ist letztlich eine Männergeschichte. Ich würde es gerne anders sagen, aber bei allen Frauenquoten, die ich auch gerechtfertigt finde, muss es trotzdem auch einen Spielplatz für Männer geben. Das sind dieses Format und diese Figur.

prisma: Trotzdem ist im neuen Film auch eine Frau als Kommissarin dabei. War das dem Zeitgeist geschuldet?

Horst: Klar, man will ja auch politisch korrekt bleiben. Der Zeitgeist wird somit schon in diese Entscheidung reingespielt haben. Das ist auch richtig so: Es muss mehr Frauen in der Fernsehbranche geben. Die Quote ist immer noch viel zu gering. Allerdings fände ich es auch übertrieben, wenn künftig alle Ermittlerfiguren Frauen wären. Aber wenn man anfängt, ein bisschen daran zu arbeiten, tut das sicher auch dem Genre gut.

prisma: Wie veränderte sich das Genre?

Horst: Zum einen gibt es vielmehr Kommissarinnen. Und das verändert dann zum anderen auch wieder die Geschichten. Männliche Figuren werden in Geschichten ganz anders verarbeitet: Es gibt mehr Schlägereien, es gibt mehr Verfolgungsjagden ... Es ist okay, dass in den letzten zehn Jahren versucht wurde, das Genre zu feminisieren. Aber es entspricht nicht zu 100 Prozent meinem Geschmack.

prisma: Was entspricht Ihrem Geschmack?

Horst: Was das Genre betrifft, ist es ganz klar das Räuber-und-Gendarm-Spiel. Außerdem sehe ich lieber Figuren, die mehr in Aktion sind und mehr ins Archaische gehen. Wenn es eine Ausgeglichenheit zwischen den Ermittlern auf der einen und dem Räuber-und-Gendarm-Spiel auf der anderen Seite gibt, taugt mir das besser, als wenn es zu sehr zu einer der beiden Seiten tendiert. Was ich beispielsweise sehr gerne sehe, ist "Better Call Saul" oder "Breaking Bad".

prisma: "Balko" ist nicht das einzige alte TV-Format, das dieser Tage sein Comeback feiert: Auch Shows wie "Wetten, dass ..?" oder Serien wie "Verbotene Liebe" kamen kürzlich wieder. Wie erklären Sie sich diese Retrowelle?

Horst: Zum einen waren die Formate nicht grundlos erfolgreich. Zum anderen erinnert sich meine Generation gerne an die Zeiten zurück, in denen alles etwas anders war. Ob es besser oder schlechter war, will ich nicht beurteilen. Aber es war auf jeden Fall eine Zeit, in der wir noch jung waren. Außerdem konzentrieren sich viele Menschen auch einfach gerne auf Dinge, die sie schon kennen, anstatt immer wieder Neues auszuprobieren.

prisma: Hat sich diese Sehnsucht seit der Pandemie nochmals verstärkt?

Horst: Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht, aber jetzt wo Sie das sagen: Das kann schon sein. Es gab schon einmal so eine Phase: Das war nach 9/11. Damals war es genauso, dass man anfing, auf Formate zurückzugreifen, die es schon einmal gegeben hatte. Damals wurde Amerika angegriffen. Es veränderte sich viel in der Sicherheitspolitik und auch innerhalb der Gesellschaft. Deshalb orientierte man sich gerne an den guten alten Zeiten.

"Das Fernsehen wird zu einem lokalen Informationssender degradiert werden"

prisma: Ende Januar stellten Sie auf Facebook eine Idee für eine Wiederaufnahme von "Das Erbe der Guldenburgs" vor: Sie sollte vom Afghanistankrieg und von den Machenschaften der Pharmalobby handeln. Sie schreiben: "Das gesamte Projekt wurde aber vom ZDF in die Schublade gepackt. Es war ihnen zu wild." Und weiter: "Wir Deutschen sind eben immer ein wenig hinterher". Wie meinen Sie das?

Horst: (seufzt) Das größte Problem ist, meiner Einschätzung nach, dass die Leute, die im Filmgeschäft arbeiten, alle nicht mehr so gerne lesen. Bei den "Guldenburgs" hatte ich tatsächlich einen Ansprechpartner, der sagte: "Drehen Sie doch mal einen Trailer! Gehen Sie in Vorfinanzierung, schicken Sie mir den Trailer, und ich schau ihn mir dann an." Ich antwortete: "Das ist nicht Sinn der Sache! Der Sinn der Sache ist, dass die Bücher so geschrieben sind, dass man weiterlesen will." Die Leute sind einfach bequemer geworden, weil sich viele Sender auf den Formaten ausruhen, die sie bereits produziert haben. Sie verdienen wahnsinnig viel Geld mit Formaten wie "Der Bergdoktor" oder mit den SOKOs. Das sind natürlich gute Formate, nur leider merken die Sender nicht, dass die Streaming-Dienste sie auf der Standspur überholen. Mein Versuch war, die Guldenburgs ein bisschen neuer zu erzählen. Wir reden alle von Tarantino und Leuten, die wirklich tolle Filme machen. Aber wir trauen uns aber nicht, diesen Schritt hier zu gehen.

prisma: Wird das Streaming in Zukunft das lineare Fernsehen verdrängen?

Horst: Für mich ist es eigentlich klar: Das Fernsehen wird zu einem lokalen Informationssender degradiert werden. Dann wird es vielleicht noch ein paar überregionale Nachrichten geben und vielleicht noch ein paar eigenproduzierte Dokumentationen. Aber der Rest wird übers Streaming laufen. Sie sehen ja, mit welcher Erzählkraft international produziert wird. Da kommt das deutsche Fernsehen nicht mehr mit. Die Ausnahme ist "Balko": Hier wurde wirklich versucht, auf die Streaming-Dienste hinzuarbeiten. Wir haben das Format von Netflix übernommen, wir haben die Erzählweise von Netflix übernommen. Wir haben einen sehr jungen Regisseur und einen hochbegabten Kameramann. Die sind beide super! Da sind wir schon auf einem Weg, die sich vom üblichen Fernsehen absetzen.

prisma: In welchen altgedienten Formaten sehen Sie eine ähnliche Chance? Oder was würden Sie gerne wieder sehen?

Horst: "Der Kommissar"! Man müsste das neu erzählen, aber dabei in der Zeit der 1970-er lassen, vielleicht sogar in Schwarz-Weiß. Man müsste zeigen, welche Sorte Männerfiguren das waren und wie damals mit Frauen umgegangen wurde. Das ist wichtig, um zu sehen, woher das überhaupt kommt, dass die Frauenquote so gedrückt wurde und dass immer jüngere Frauen mit immer älteren Männern zusammengepackt wurden.

prisma: Also als historisches Dokument mit entsprechendem Kommentar?

Horst: Bloß nicht! Bloß nicht kommentieren! Das muss jeder selber sehen und für sich selber herausfinden!

prisma: Sie leben auf Mallorca. Ist es dort so traumhaft, wie es sich unsereins in Deutschland vorstellt?

Horst: Es kommt darauf an, was man will vom Leben: Ich war nicht mehr bereit, bestimmte Kompromisse einzugehen, um in Deutschland zu leben, vor allem im Hinblick auf das Wetter und die Temperaturen. Die Hälfte des Jahres bin ich ohnehin noch in Deutschland. Aber es lebt sich hier schon einfacher als in einem Winter um den Gefrierpunkt herum. Natürlich habe ich dadurch weniger gearbeitet. Aber das war es mir wert! Ich sitze dann lieber draußen im Café, als ständig drehen und Geld verdienen zu müssen.

prisma: Wie sieht Ihr Alltag auf der Insel aus?

Horst: Wir haben viele Pferde, die beritten werden müssen. Deshalb bin ich zusammen mit meiner Frau oft im Stall. Bis vor kurzem war auch noch unser Sohn hier, der zur Schule gebracht und wieder abgeholt oder auch mal zu Freunden gefahren werden musste. Also Sie brauchen sich um mich keine Sorgen zu machen (lacht).

prisma: Gibt es auch diese viel beschworene deutsche Community?

Horst: Das kann sein. Aber unser Bekanntenkreis orientiert sich nicht nach den Nationalitäten. Wir haben viele Spanier, Engländer, Schweden und ein paar Franzosen in unserem Freundeskreis. Meine Frau lebte lange in Amerika, ich lebte lange in London. Deshalb sind wir schon von Grund auf internationaler eingestellt.

prisma: Welcher Ort hat Ihnen bislang am besten gefallen?

Horst: (überlegt) Als Stadt gefiel mir London sehr gut. Da fühlte ich mich auch zu Hause. Am Anfang war London für mich zwar sehr gewöhnungsbedürftig, aber ich gewöhnte mich sehr schnell daran und lernte die Eigenheiten auch lieben. Ähnlich erging es mir in Spanien: Ich haderte wirklich lange mit der Art und der Lebensweise der Menschen, aber mittlerweile habe ich vieles übernommen, was meiner Gesundheit sehr zuträglich war: Ich bin viel draußen, wir essen viel gesünder, wir bewegen uns mehr.

Sein Rat an Nachwuchsschauspieler

prisma: Ihre Tochter Chiara aus erster Ehe möchte ebenfalls Schauspielerin werden: Welchen Rat geben Sie ihr mit auf ihren Weg?

Horst: Sie hat sehr viel Talent. Wenn ich kein Talent gesehen hätte, hätte ich ihr das auch gesagt. Ich finde es eine schöne Idee. Das ist einer der schönsten Berufe, den man haben kann, aber er kann auch einer der brutalsten sein. Wenn Sie frei arbeiten – und das kann ich gerade jungen Schauspielern nur nahelegen – haben Sie viele Möglichkeiten, in verschiedene Richtungen zu arbeiten und sich neu zu orientieren. Allerdings hat das auch zur Folge, dass es manchmal Phasen gibt, in denen Sie nicht arbeiten und in denen Sie nicht wissen, wann Sie als Nächstes arbeiten. Da müssen Sie die Nerven behalten, das können nicht so viele. Andererseits: Wenn Sie dann wieder arbeiten, kann es sein, dass Sie zwei oder gar drei Monate durchgehend beschäftigt sind. Das darf Sie dann nicht zu sehr auspowern. Sie müssen also lernen, mit Ihren Kräften und Ihren Nerven zu haushalten. Wenn man gewillt ist, beide Seiten ertragen zu können, dann ist das ein guter Schritt.

prisma: Chiaras Mutter, die Schauspielerin Anouschka Renzi, war Anfang des Jahres bei "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" zu sehen. Haben Sie die Sendung verfolgt?

Horst: Ja, klar. Ich sehe diese Formate sehr gerne und finde sie auch spannend, vor allem wenn Kollegen dabei sind, die ich kenne. Wir machen dann hier immer eine Riesenparty und gucken das alle immer zusammen. Das hat schon einen großen Unterhaltungswert. Aber es ist auch ein Sozialexperiment: Wie sich jeder verhält, wie manipulativ jemand ist und unbewusst versucht, andere zu Dingen anzutreiben, die sie eigentlich nicht sagen wollen.

prisma: Könnten Sie sich vorstellen, selbst ins Dschungelcamp zu gehen?

Horst: Wenn bestimmte Leute dabei sind, ja. Aber ich würde mir dann wenigstens einen oder zwei Kollegen als Begleitung aussuchen wollen und das als Spaß nehmen. Viele Kollegen machen das nur des Geldes wegen. Das finde ich verkehrt, weil das auch dem Publikum gegenüber nicht ganz fair ist. Man kann es machen, um auszuprobieren, ob man es durchhält. Das ist, glaube ich, ganz spannend. Aber dadurch, dass man 24 Stunden pro Tag mit immer denselben Leuten eingesperrt ist, müssen sich die Leute auch irgendwo treffen können. Sie brauchen ein paar Schnittstellen. Menschen, die nichts mit der Kunst zu tun haben und die sich über ein gewisses Verkaufstalent definieren, haben nichts durch den Auftritt zu verlieren. Als Schauspieler ist das ganz anders.

prisma: Inwiefern?

Horst: Wenn ich ausschließlich im Reality-TV arbeite, dann bin ich es gewohnt, mit meinen privaten Dingen umzugehen, wie ich will. Als Schauspieler jedoch laufen Sie Gefahr, etwas preiszugeben, was Sie für Ihren eigentlichen Beruf später als Geheimnis brauchen. In meiner Generation gibt es da ganz klare Grenzen, während die junge Generation damit schon wieder ganz anders umgeht: Sie vermengen gerne Schauspiel mit Reality-Formaten. Das finde ich den falschen Weg, weil man ihnen gewisse Dinge dann einfach nicht mehr glaubt.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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