Serie "Die Kinder vom Bahnhof Zoo"

"Wir haben den Stoff neu erzählt"

08.02.2021, 14.14 Uhr
von Felix Förster
Christiane F. (Jana McKinnon, vorne) und ihre Clique streifen durch Berlin.
Christiane F. (Jana McKinnon, vorne) und ihre Clique streifen durch Berlin.  Fotoquelle: 2020 Constantin Television GmbH / Amazon Studios / Soap Images / Mike Kraus

Die Serienadaption "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" startet am 19. Februar exklusiv bei Amazon Prime Video in Deutschland, Österreich und der Schweiz. prisma sprach mit der Hauptdarstellerin Jana McKinnon über den Serienstart, ihre Rolle als Christiane F. und die Situation der Jugendlichen während Corona.

Die Amazon-Serie ist eine Neuauflage des Bestsellers "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". Kannten Sie die Geschichte der Christiane F. vorher schon?

Jana McKinnon: Ich würde nicht sagen, dass das eine Neuauflage des Romans ist. Vielmehr ist die Serie inspiriert von der Geschichte von Christiane und ihrer Clique und wählt dabei ein ganz anderes Format als ein Film oder ein Buch. Wir haben den Stoff nicht noch einmal gleich, sondern neu erzählt. Dabei hatten die Macher den Ansatz, sich auf die Freundesgruppe von Christiane zu konzentrieren. Somit funktioniert die Serie etwas anders als der Film und letztlich auch als das Buch.

Kannten Sie das Buch denn?

Ich war, bevor ich zum Casting eingeladen wurde, gerade frisch aus meiner Heimat Österreich nach Berlin gezogen, um einfach mal etwas anderes zu erleben. Als ich in Berlin angekommen bin, wollte ich etwas lesen, was einen Bezug zu dieser Stadt hat, und da bin ich auch auf "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" gekommen. Von dem Roman hatte ich gehört, ihn allerdings noch nicht gelesen. Ich habe das Buch dann innerhalb von zwei Tagen verschlungen und war extrem mitgerissen von der Geschichte. Während des Lesens dachte ich schon daran, wie reizvoll es wäre, solch eine Rolle einmal zu spielen. Ich habe so stark mitgefühlt mit Christiane. Und dann wurde ich zwei Wochen später zum Casting für die Serie eingeladen (lacht). Ich wusste vorher nichts davon. Im Gegenteil, vorher bin ich noch durch die Stadt gelaufen und dachte mir: "Ach hier war das, hier ist das passiert."

Hatten Sie Kontakt zu Christiane F., als Sie sich auf die Rolle vorbereitet haben?

Nein, zu ihr nicht. Aber ich hatte Kontakt zu Horst Rieck, einem der Journalisten, die das Buch geschrieben haben. Er hat uns am Set besucht, als wir in Berlin gedreht haben. Ich habe mich mit ihm unterhalten, und er hat mich dann daran teilhaben lassen, wie das Buch damals entstanden ist und wie er die echte Christiane kennengelernt hat. Er hat beim Dreh zugeschaut und mir später gesagt, dass er eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der echten Christiane und mir sehe. Ein schöner Moment auf den letzten Metern des langen Drehs.

Sie haben unter anderem auch in Berlin-Gropiusstadt gedreht, dort wo Christiane damals lebte. Im Buch wird die Siedlung als Albptraum-Ort beschrieben. Wie war das jetzt für Sie, dort zu drehen?

Die Gropiusstadt hat sich verändert. Dort gibt es jetzt viel mehr Grün als damals. Ich fand es dort gar nicht alptraumhaft, mir kam der Bezirk entspannt vor. Die Bewohner selbst waren sehr am Dreh interessiert. Das ist ja auch klar, der Name Christiane F. und die Gropiusstadt sind sehr stark miteinander verbunden – immer noch. Ein interessanter Aspekt am Rande: Es gab da einen älteren Herren, der besonders interessiert war und immer wieder vorbei gekommen ist. Wir haben dann erfahren, dass er von Tag eins an in der Siedlung lebt, seit die Gropiusstadt existiert. Er kannte Christiane und ihre Gruppe zwar nicht, konnte uns aber einen Einblick in die Zeit geben. Ich bin teilweise in Wien im sogenannten Gemeindebau aufgewachsen. Diese Gebäude sind zwar nicht ganz so krass die Berliner Plattenbauten, aber ich kenne dieses Gefühl, in einem Haus mit vielen Stockwerken zu wohnen. Für mich war das irgendwie vertraut, dort Zeit zu verbringen.

Die Vorlage der Serie spielt in den 70er-Jahren. Was glauben Sie, warum spricht die Serie auch heutige Jugendliche und junge Erwachsene an?

Die Serie ist bewusst nicht direkt in den 70ern verankert, sondern bewegt sich zwischen den Zeiten. Wir spielen da ein wenig mit den verschiedenen Zeitebenen. Die Musik des Soundtracks zum Beispiel, die gab es teilweise damals noch gar nicht. Die Themen, die wir behandeln, sind allerdings völlig zeitlos. Es geht um die erste Liebe, um den ersten Rausch, darum, Freundschaften zu finden, die etwas bedeuten. Es geht darum, sich eine Familie innerhalb einer Clique zu schaffen. Es geht darum, sich von seinen Eltern zu emanzipieren und herauszufinden, wer man ist. Das ist ja alles heute genauso aktuell für junge Menschen wie damals.

Gerade die jungen Leute sind momentan besonders von der Corona-Situation betroffen. Sie dürfen kaum raus, nicht vollumfänglich ihre Freunde treffen. Was glauben Sie als junge Frau, was das mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen macht? Wie können die jungen Leute damit umgehen?

Das Internet hilft sicherlich, sich noch mit seinen Mitmenschen verbunden zu fühlen. Junge Menschen befinden sich in einer Warteposition, einer Art Limbo. Man möchte gerne ins Leben starten, Dinge erleben, Verbindungen zu anderen Menschen spüren. Gerade das geht aber nicht. Es ist ja paradox, dass man momentan die größte Solidarität zu seinen Mitmenschen zeigt, indem man sie nicht sieht, ihnen nicht nahe kommt. Das ist eigentlich absurd und gerade für junge Menschen sehr, sehr schwierig, weil die Sehnsucht nach Verbindungen und nach gemeinsamen Momenten mit anderen Menschen so stark ist. Aber es ist nun einmal etwas, das man machen muss, um die Menschen zu schützen, die man liebt.

Sie werden im Zuge der Vorstellung der neuen Serie als Newcomerin bezeichnet, obwohl das ja eigentlich zu kurz greift. Sie haben Ihre Erfahrungen gemacht. Auffällig ist in Ihrer Filmografie der Film "Wach", der sich entfernt mit einer ähnlichen Thematik wie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" beschäftigt, mit dem Rausch und der Erfahrung damit. Interessiert Sie das besonders?

Der große Unterschied zwischen den Projekten ist, dass die Mädels in "Wach" Drogen unnötig finden und damit gar nichts zu tun haben wollen. Im Gegenteil, sie wollen herausfinden, wie man sich am krassesten spüren kann, wenn man keine Drogen nimmt. Die Mädels sagen "Drogen haben wir schon gemacht, finden wir schlecht, wir machen es anders". Beide Projekte haben allerdings gemein, dass es um junge Menschen geht, die sich spüren und ihre Grenzen erfahren wollen.

Was steht nach "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" für Sie an? Gibt es neue, interessante Projekte?

Ich habe aktuell ganz bewusst keine Drehs geplant, um mir auch ein wenig Auszeit und Ruhe zu gönnen. Ich habe aber 2020 ein sehr interessantes Projekt abgedreht, das sich mit der linken Otto-Muehl-Kommune in Österreich befasst. Das war eine Künstlerkommune, die bis Ende der 80er existierte. Da spiele ich eine junge Frau, die dort aufwächst und sich verliebt, obwohl die Liebe zwischen zwei Menschen verboten ist. Die freie Liebe ist das oberste Gebot der Kommune. Dann habe ich noch den Film "The Trouble with Being Born" mit Sandra Wollner gemacht, der vergangenes Jahr auf der Berlinale lief und den Encounters-Jurypreis gewonnen hat. Bisher konnte er leider noch nicht ins Kino kommen. Das Projekt liegt mir sehr am Herzen, da ich auch an der Produktion und Entwicklung beteiligt war.

Diese Premieren fehlen Ihnen ja bestimmt auch…

Ja klar, das Schöne im Zuge der Veröffentlichung von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" war jetzt aber, dass wir da ein kleines, internes Screening hatten. Wir jungen Schauspieler konnten da alles zum ersten Mal in der fertigen Version sehen. Wir hatten schon vorher eine vorläufig Version gesehen, aber da schaut man auch ganz anders auf sich selbst, eher privat. "Wie war das noch bei dem Dreh dieser Szene?", "Was ist da passiert, das war doch so lustig?". Das fällt dann beim zweiten Mal weg und man kann sich mehr darauf konzentrieren, wie die Geschichte funktioniert. Das war sehr spannend.

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