Französischer Film bei ARTE

"Von wegen altes Eisen": Lehrerin mit 78

von Hans Czerny

Huguette war früher Lehrerin, nun sitzt die betagte Dame auf der Straße. Spontan wird sie als Hauslehrerin für den Nachbarsjungen verpflichtet. Mit dem echten Leben hat der französische Film wenig zu tun, wartet aber immerhin mit drei sympathischen Hauptfiguren auf.

ARTE
Von wegen altes Eisen
Drama • 06.12.2019 • 20:15 Uhr

Eigentlich könnte Marion ganz zufrieden sein. Die in einem schönen Pariser Multikulti-Viertel wohnende Nachtschwester hat einen Sohn, der unbedingt Informatiker werden will und den ganzen Tag irgendwie am Computer hängt. Was will man mehr? Marion will Rémi, der jetzt 15 ist, eines Tages auf die Uni schicken, ihm also alle Wege offenhalten. Ausgelöst wird der Stress einmal mehr von Schulkonflikten. Soeben steht ein Informationsabend an, es geht darum, ob der Junge bis zum Abi weitermacht, oder ob er auf eine "berufsorientierte Sekundarstufe" wechseln soll. Der Direktor hat alles gut vorbereitet für den Infoabend: Allgemeines Abi bleibt im Raum, die anderen gehen ins Nebenzimmer.

Der Direktor rät Mutter Marion (Romane Bohringer) zum berufsorientierten Werdegang. Sie will das nicht, vier Wochen Bedenkzeit bleiben noch. Da fügt es sich, dass Marion auf dem Heimweg vom Krankenhaus ihre betagte Nachbarin im Auto ihres jüngst verstorbenen Mannes entdeckt. Huguette hat ihre Wohnung verloren, sie kann die Miete nicht mehr bezahlen, von der schmalen Rente wird zur Rückzahlung der angefallenen Krankenpflege-Schulden zudem noch ein Batzen abgezweigt. Huguette war mal Lehrerin an Rémis Schule – was läge näher, als sie für Marions bildungsfaulen Sohn zu verpflichten – vier Wochen lang, bis zur Entscheidung?

Huguette, im Film 78, wird von der mittlerweile 91-jährigen großen Ex-Chansonsängerin und Schauspielerin Line Renaud (zuletzt: "Willkommen bei den Sch'tis") gespielt. Und so, wie sie die Sache in die Hand nimmt, wird ein schöner Zweikampf aus dem Widerstreit zwischen Alt und Jung, frech und weise. Das Drehbuch gewährt Rémi (Romann Berrux, "Outlander") zum Glück eine angeborene Klugheit. Man befindet sich also über alle Altersunterschiede hinweg zuweilen auf dem gleichen Level. Auf dem Höhepunkt des vielversprechenden Duells dringt die inzwischen freiwillig wieder obdachlos gewordene Huguette dann allerdings in Rémis Schule ein und droht dem Lehrer ob seiner Notengebung in einer wütenden Rede. Rémis Mitschüler, sonst eher der Mode des analogen wie des Internet-Mobbings zugetan, filmen mit und stellen die heikle Szene ins Netz. Zigtausend Follower sind begeistert – Grund genug, mit Rémis Hilfe im Internet ein Bildungsprogramm zu starten. Bei Englischlektionen tritt die alte Dame übrigens als Queen Elizabeth auf. Humor soll sein.

So wendet sich, auch weil sich der verschlossene Rémi längst mit einer dunkelhäutigen Klassennachbarin angefreundet hat, alles zum Guten. Rémi wird die berufsorientierte Oberstrufe nehmen, und Huguette wird noch ein wenig bei ihm und seiner Mutter wohnen. Huguettes Haushaltsauflösung sorgt gar für den ersten Unterhalt. Keiner hatte hier eine Sozialstudie über Obdachlosigkeit erwartet oder eine harte Dokufiction aus den Untiefen des multikulturellen Schulalltags. Aber ein bisschen näher am Leben hätten die sympathischen Helden aus drei Generationen in dieser rührenden ARTE-Erstsendung schon sein dürfen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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