Neue Serie bei TVNOW

Iris Berben: "Man darf dem Tod nicht die Seriosität absprechen"

von Eric Leimann

Am 17. Dezember startet die Miniserie "Unter Freunden stirbt man nicht" beim Streamingdienst TVNOW – mit durchweg "reiferen" Protagonisten, dargestellt von Stars wie Iris Berben, Heiner Lauterbach und Adele Neuhauser. Warum sind Ältere fürs Fernsehen interessanter als früher?

Iris Berben ist das beste Beispiel für Kreativität im Alter. Mit 70 Jahren scheint die ewig jung wirkende Schauspieldiva in noch höherer Taktzahl ambitionierte Filme und Serien zu liefern als jemals zuvor. Auch ihr neues Projekt, die vierteilige Miniserie "Unter Freunden stirbt man nicht" (ab Donnerstag, 17.12., TVNOW), ist alles andere als Fernsehen von der Stange, weil es schwarzhumorig vom Umgang mit dem plötzlichen Tod eines Freundes erzählt, der aus guten Gründen verheimlicht werden muss. Im Gespräch über die "Seniorenserie" bei RTLs Online-Ableger äußert sich Iris Berben über eigene Streaming-Vorlieben, ihre Wut auf die "werberelevante Zielgruppe" und das Verschwinden des Jugendwahns im Film- und Fernsehgeschäft.

prisma: Sie spielen in einer Serie über ältere Charaktere, die ausgerechnet bei einem Streamingdienst läuft. Findet die Zielgruppe dieses Programm überhaupt?

Iris Berben: Was heißt Zielgruppe? Ich halte es für klug, dass wir Zeiten, als man sich auf ein "jugendliches Programm" fixiert hat, hinter uns gelassen haben. Man kann auch mit gestandenen Figuren interessante Geschichten erzählen. Es ist sogar möglich, mit älteren Charakteren und Schauspielern innovativ zu sein (lacht). Außerdem glaube ich nicht, dass sich Menschen nur für Figuren ihres Alters interessieren. In der Serie geht es um Freundschaft, Liebe und Tod. Das sind elementare Dinge des Lebens, die jeden interessieren.

prisma: Steckt da eine Strategie dahinter, dass die Privaten beim Streamen jetzt öffentlich-rechtliche Programme angreifen wollen?

Iris Berben: Ich war vor etwa anderthalb Jahren dabei, als von RTL diverse Fiction-Programme vorgestellt wurden, die zuerst von TVNOW gestreamt werden sollten. Neben Adele Neuhauser waren da auch Kollegen wie Alexandra Maria Lara oder Christoph Maria Herbst, die dort ebenfalls interessante neue Projekte realisieren. Ich finde es erfreulich, dass die Privaten sich nun auch verändern. Früher kritisierte ich die Öffentlich-Rechtlichen gerne dafür, dass sie sich von den Privaten auf ein niedrigeres Niveau haben ziehen lassen, um Marktanteile zurückzugewinnen. Da ist es doch schön, wenn die Orientierung nun andersherum verläuft.

prisma: Sind Sie denn selbst eine Streamerin – oder bevorzugen Sie nach wie vor das lineare Fernsehen?

Iris Berben: Ich streame viel. Einzig und allein bei den Nachrichten bin ich noch Real-Time-Junkie. Da versuche ich, pünktlich um 19 Uhr im ZDF und um 20 Uhr im Ersten dabei zu sein. Streamen bedeutet Selbstbestimmung. Dass wir dadurch Herr unserer eigenen Freizeitgestaltung geworden sind, ist eine Errungenschaft. Auch die Programme haben sich mit dem Streaming-Boom verbessert. Ich habe mir zuletzt Serien wie "Ratched" oder "When They See Us" angesehen, spannende Dokumentationen wie "Chernobyl" oder "The Last Dance". Es entsteht schon viel gutes Programm derzeit. Auch wenn ich natürlich weiß, dass mit dem Boom auch eine Menge Schrott produziert wird.

prisma: Dass viele junge Menschen kaum noch eine Idee davon haben, was lineares Fernsehen bedeutet, ist eine Sache. Doch wie sieht es mit Ihren etwa gleichaltrigen Freunden und Bekannten aus? Haben die mittlerweile auch das Streamen entdeckt?

Iris Berben: Ich habe den Eindruck, ja. Natürlich sind es in meinem Umfeld erst einmal viele Menschen, die mit Film zu tun haben. Doch auch für andere, die schon älter sind, glaube ich sagen zu können, dass dieses neue Konsumverhalten angekommen ist. Durch meinen Sohn und viele Aufenthalte in den USA, wo Streamen viel früher als bei uns normal war, habe ich schon frühzeitig viele spannende Produktionen von Netflix und Co. mitbekommen. Ich glaube, durch die Pandemie haben Mediatheken und Streaming-Dienste 2020 noch einmal einen gehörigen Schub bekommen.

prisma: Worum geht es in "Unter Freunden stirbt man nicht" unter der Oberfläche einer komödiantischen Handlung?

Iris Berben: Schon die Oberfläche ist ja eher tragikomisch. Mir hat der schwarzhumorige Umgang mit dem Sterben gut gefallen. Man darf dem Tod nicht die Seriosität absprechen. Trotzdem darf man erzählerisch witzig und respektlos damit umgehen. Noch stärker geht es in der Serie aber um Freundschaft. Eine Freundschaft, die allein schon deshalb klug und interessant ist, weil sich bei uns nicht fünf Menschen aufgrund einer gleichen Lebensform zusammengefunden haben. Stattdessen geht es um eine alte Verbindung, die fünf Freunde haben sich nämlich unterschiedlich entwickelt. Echte Freundschaft hat ja nichts mit gleichen Lebensmodellen oder gleichem Status zu tun. Manchmal kann man gar nicht sagen, warum Menschen, die seit Jahrzehnten Freunde sind, eigentlich "zusammengeblieben" sind. Darin liegt ein Geheimnis, das nicht weniger spannend als die Liebe ist.

prisma: Wurden die Träume älterer Charaktere in Serien und Filmen bislang sträflich ignoriert?

Iris Berben: Ja, auf jeden Fall. In meiner Miniserie "Die Protokollantin" spiele ich eine Frau jenseits der 60, die gleich am Anfang der Erzählung in Rente geht. Für eine Figur, die im Mittelpunkt des Films steht, eher ungewöhnlich. Es gab im Fernsehen wenig Spielraum für Frauen im Rentenalter – im wahrsten Sinne des Wortes. Es hat sich etwas verändert, wir sind aber noch längst nicht bei der Normalität angelangt.

prisma: Warum durften Ältere früher keine Wünsche, keine Ziele mehr im Leben mehr haben?

Iris Berben: Im Arthaus-Kino gab es früher schon Geschichten von Älteren, aber im Fernsehen waren sie tatsächlich eher Beiwerk. Autoren und Regisseure wie Wolfgang Menge, Franz Peter Wirth oder Oliver Storz – die haben schon vor Jahrzehnten erwachsenes, anspruchsvolles Fernsehen gemacht. Darüber hinaus galt lange Zeit die Regel: Der Fortschritt ist jung. Innovation ist jung. Das ist natürlich nicht falsch, aber die "Alten" wurden als Produzenten guter, innovativer Stoffe und Ideen definitiv oft unterschätzt.

prisma: Wann wurde der Jugendwahn geboren?

Iris Berben: Im deutschen Fernsehen war das wohl in den 90-ern. Damals sollte alles jung sein. Ich habe mich in der Zeit ziemlich über die "werberelevante Zielgruppe" der 14- bis 49-Jährigen aufgeregt. Wie kann man etwas kalt und statistisch berechnen, ab wann Menschen keine Lust mehr haben, sich für Neues zu interessieren? Ich stelle an mir und anderen Menschen meines Alters fest, dass wir immer neugieriger werden, dass wir immer mehr über die Welt wissen wollen. Das hat auch damit zu tun, dass man auf vielen Dingen, die man gesehen und erlebt hat, aufbauen und anknüpfen kann.

prisma: Sie sind im Sommer 70 Jahre alt geworden und als Schauspielerin sehr gut im Geschäft. Was ist gegenüber jener Zeit, als sie 30 oder 35 waren, trotzdem definitiv schlechter geworden?

Iris Berben: Wenn ich auf meinen Beruf schaue, würde ich sagen: Er ist schwerer geworden. Nicht das Spielen selbst, aber das Drumherum. Die Öffentlichkeit ist heute sehr fordernd, beziehungsweise man unterstellt ihr, dass sie es ist. Man muss als Schauspieler viel präsenter sein, viele Kanäle bedienen. Man fühlt sich heute sehr viel mehr beobachtet. Ich selbst bediene ja kein Social Media, aber wenn ich deutlich jünger wäre, käme ich gar nicht umhin, diese Kanäle zu bespielen. Man darf sich auch kaum noch Fehler erlauben. Jede Peinlichkeit wird zu einer öffentlichen Peinlichkeit. Wer weiß, dass er ständig beobachtet wird, gibt weniger preis, wird unterm Strich vorsichtiger.

prisma: Gibt es auch Dinge, die Sie heute besser finden?

Iris Berben: Ja, wir leben gerade in einer sehr spannenden Zeit. Die Welt verändert sich schnell. Wir haben eine kraftvolle junge Generation, die eine eigene Handschrift besitzt, die Dinge verändern will, viel selbstbewusster und angstfreier ist, als meine Generation damals.

prisma: Früher hat man Ältere gern mit dem sprechenden Begriff "gesetzt" beschrieben. Heute scheint es, darf man auch als Älterer neugierig sein. Warum war das früher verboten?

Iris Berben: Früher wurden Altersgruppen klar gegeneinander abgegrenzt. Jüngere haben dies gemacht, Ältere das. Gerade in Deutschland hatten wir eine ziemlich gut funktionierende Trennung der Generationen. Da hat man bei Festen auch an getrennten Tischen gesessen. Ein Phänomen, das es in Südeuropa so deutlich nicht gegeben hat. Da haben sich die Generationen besser miteinander gemischt. Die Welt ist vielfältiger und offener geworden. Das ist eine große Chance für uns alle.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte dich auch interessieren