"The Visit": Achterbahnfahrt mit M. Night Shyamalan
Mit "The Visit" legte Regisseur M. Night Shyamalan mal wieder einen guten Film hin. Der Thriller, der nun im ZDF zu sehen ist, pendelt geschickt zwischen Idylle und Terror.
Die Kritiken zu M. Night Shyamalans Filmen zu lesen, gleicht einer Achterbahnfahrt. Mit "The Sixth Sense" (1999) hatte er bereits eine Hand am Oscar. Danach ließ die Begeisterung jedoch von Film zu Film nach – inklusive "Gewinn" diverser Goldener Himbeeren. Unter anderem der Low-Budget-Horrorfilm "The Visit" (2015), bei dem er Skript, Regie und Produktion übernahm, brachten ihn zurück in die Erfolgsspur. Der ungewöhnliche Mix aus Horror und Humor lockte über eine halbe Million Besucher in die hiesigen Kinos und läuft nun im ZDF als Free-TV-Premiere.
Der Film spielt, wie bei Shyamalan üblich, irgendwo in Neuengland. Graue Farben bestimmen das triste Setting. Hierhin kommen Becca (Olivia DeJonge) und Tyler (Ed Oxenbould), um eine Woche bei ihren Großeltern zu verbringen. Die Teenager lernen Nana (Deanna Dunagan) und Pop Pop (Peter McRobbie) als sehr nettes Rentnerpaar kennen. Dass der inkontinente Opa seine vollen Windeln heimlich in einem Schuppen stapelt und die Oma nachts durchs Haus geistert, nehmen die Kinder zunächst unaufgeregt hin. Es sind halt alte Leute.
Becca, die eine Doku über ihren Kurzurlaub dreht, hat sich und den jüngeren Tyler mit Handkameras ausgestattet. Die beiden nehmen alles auf, was ihnen auf dem Grundstück der Großeltern so vor die Linse kommt. Nie zuvor spielte Shyamalan so konsequent mit dem Doku-Stil, und er macht das gut. Die unbekümmerten, banalen, alltäglichen Situationen wirken sehr authentisch. Auf geradezu perfide Art und Weise lullt Shyamalan den Zuschauer ein. Auffallend häufig kreiert er gar Momente von einer ganz natürlichen Komik – selten hat man so viel gelacht bei einem Horrorfilm!
Und dann, wenn man es tatsächlich nicht erwartet, setzt der Filmemacher seine Nadelstiche. Mal in Form konventioneller Found-Footage-Schockmomente, mal mit verstörenden Andeutungen, die in tiefschwarze Abgründe blicken lassen. Es ist ein ständiges, in dieser Form sehr seltenes Wechselspiel zwischen Idylle und Terror, das den Horrorfilm nicht neu erfindet, hier aber meisterlich umgesetzt wird. Schade nur, dass die ganze Geschichte mit dem leicht verkorksten Finale ein wenig auseinanderfällt.
Am Ende dieses kurzweiligen Horror-Spaßes lässt sich festhalten: Kein Wunder, dass dieser Film Shyamalans Ruf wieder aufpolierte. Inzwischen legte er mit "Split" (2016) einen gefeierten Psychothriller nach, die Fortsetzung "Glass" (2019) erntete hingegen wieder schlechtere Kritiken. Zuletzt zeichnete er als ausführender Produzent für die Serie "Servant" auf Apple TV+ verantwortlich, die wiederum glänzend ankam. Offenbar geht die Achterbahnfahrt weiter.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH