"Als 'DSDS'-Künstlerin gerät man schnell in Vergessenheit"
Marie Wegener hat mit ihrem zweiten Album "Countdown" ein Jahr nach ihrem "DSDS"-Sieg gezeigt, dass sie auf dem Weg nach ganz oben ist. Wie sie aber überhaupt zur Musik kam, erzählt das 18-jährige Ausnahmetalent im Interview.
Ihre Karriere ging bisher steil bergauf – und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht: Marie Wegener war mit 16 Jahren die bisher jüngste "Deutschland sucht den Superstar"-Siegerin und begeisterte zahlreiche Fans mit ihrer natürlichen und lebensfrohen Art. Mit ihrem zweiten Album "Countdown" zeigte die Duisburgerin, dass sie ein Jahr nach ihrem Triumph dabei ist, als Sängerin Fuß zu fassen – auch mit ganz prominenter Hilfe: Die heute 18-Jährige begleitete im Sommer Andreas Gabalier als Support-Act auf seiner Stadiontour. Nun zeigt Wegener in der vierteiligen Ranking-Show "Ich find Schlager toll", die ab Mittwoch, 6. November, 20.15 Uhr, auf RTLplus, ausgestrahlt wird, was sie selbst über die Klassiker des Schlagers denkt.
prisma: Ein Jahr nach Ihrem ersten Album "Königlich" kam nun "Countdown" auf den Markt. Die beiden Alben unterscheiden sich sehr voneinander. Warum ist das so?
Marie Wegener: Beim zweiten Album habe ich selbst mitgewirkt, es ist mehr Marie. Ich durfte bei den Songs mitbestimmen und selbst mitschreiben, daher ist es noch viel persönlicher und emotionaler für mich. Und "Countdown" ist auf jeden Fall poppiger und moderner.
prisma: Haben Sie eigentlich immer einen Notizzettel parat, um spontane Ideen aufzuschreiben?
Wegener: Das auch. Für mein Album habe ich bei Songwritercamps mitgemacht. Das bedeutet, dass ich mich in verschiedenen Städten mit verschiedenen Songwritern und Autoren zusammengesetzt habe. Ich war beim ersten Camp anfangs ehrlich gesagt doch sehr nervös, aber es hat dann echt Spaß gemacht, in so kreativer Teamarbeit Songtexte zu schreiben. Ich bin auf dem Album auch auf private und persönliche Themen eingegangen, die mir sehr wichtig sind, wie Selbstvertrauen, sich selbst genauso zu akzeptieren, wie man ist und all die Fragen, die Jugendliche in meinem Alter beschäftigen, aber auch Familienthemen, wie die Songs, die ich meiner Mama oder meinem Bruder gewidmet habe.
prisma: Wie groß war der Druck, so zügig nach dem ersten Album nachzuliefern?
Wegener: Natürlich war ein gewisser Druck da. Gerade als "DSDS"-Künstlerin gerät man schnell in Vergessenheit, das ist so. Mit jeder weiteren Staffel rückt ein neuer Sieger nach. Aber ich habe versucht, mir trotzdem die Zeit zu nehmen, um Songs aufzunehmen, die zu mir passen, wie ich sie mir vorstelle. Ich habe mir gesagt: "Du lieferst dann ab, wenn es geht." Lieber ein oder zwei Monate später, dafür habe ich dann ein Ergebnis, hinter dem ich stehe und mit dem ich rundum happy bin.
prisma: Auf YouTube covern Sie auch englischsprachige Songs. Darunter finden sich häufig Kommentare mit dem Vorschlag, Sie könnten auch auf Englisch singen. Was halten Sie davon?
Wegener: Das finde ich ganz toll. Klar, ich liebe die deutsche Musik mittlerweile sehr, aber mein Herz schlägt trotzdem auch für englische Musik, wie die großen Balladen von Whitney Houston und Celine Dion. Auch Tailor Swift und Nico Santos höre ich sehr gern. Es wird vielleicht später auch mal ein paar eigene, englische Songs von mir geben. Wer weiß.
prisma: Und warum ist es zunächst eher die Schlagerrichtung geworden?
Wegener: Im Schlagerbereich und mit Deutsch-Pop hat man in Deutschland einfach eine größere Plattform. Es macht total Spaß, und es gibt viele Events, auf denen man auftreten kann. Der Schlager ist moderner und vor allem sehr facettenreich geworden. Letztens bin ich auf einem Event in Berlin auf Pietro Lombardi getroffen – und der ist völlig anders als zum Beispiel Roland Kaiser.
prisma: Noch vor eineinhalb Jahren kannte Sie niemand. Nun waren Sie schon als Support-Act mit Andreas Gabalier gemeinsam auf Stadion-Tour. Wie war das für Sie?
Wegener: Unfassbar. Klar, bei "DSDS" hatte ich auch ein Millionenpublikum im Fernsehen, aber dieses Gefühl, auf so einer riesigen Bühne im Stadion zu stehen, das ist eine Erfahrung, die mich wirklich geprägt hat. Meine Mama sagt immer: "Von Auftritt zu Auftritt merkt man, du wirst selbstsicherer, du wirst noch besser." Das kann man nur durch Erfahrung lernen.
prisma: Hatten Sie auch die Chance, Andreas Gabalier näher kennenzulernen?
Wegener: Klar, wir haben ab und zu mal gequatscht. Er ist wirklich ein super bodenständiger menschlicher Typ, mit dem man sich ganz toll unterhalten kann. Und ich ziehe wirklich den Hut vor ihm.
prisma: Haben Sie denn sofort zugesagt, bei seiner Tour mitzufahren?
Wegener: Selbstverständlich, da sagt man doch nicht nein! (lacht) Aber ich muss sagen, ich war im ersten Moment schockiert, als er mich gefragt hat. Ich konnte erst gar nicht reagieren. Ich habe mich gefragt, ob das ein Witz ist. Aber nein, es war wirklich Realität und natürlich habe ich dann gleich zugesagt.
prisma: Wenn Sie vor einem Auftritt nervös sind, haben Sie ein bestimmtes Ritual, das gegen Lampenfieber hilft?
Wegener: Ich brauche vor jedem Auftritt zehn Minuten, in denen ich komplette Ruhe habe und meine Stimme noch mal warm mache. Da darf auch keiner dabei sein. Ich singe die Songs noch mal an und mache Stimmübungen, damit ich für mich die Sicherheit habe, dass die Stimme funktioniert und der Sound gut ist. Und ich bete vor jedem Auftritt. Das ist für mich auch wichtig. Beim Fernsehen mache ich es genauso, es ist egal, auf welche Bühne ich gehe.
prisma: Haben Sie nach dem doch recht plötzlichen Erfolg auch Tipps bekommen, zum Beispiel für Interviews oder Auftritte?
Wegener: Schon, klar, von erfahreneren Kollegen und auch von meinem Team. Aber ich überlege mir dann, was zu mir passt und mit was ich mich wohlfühle. Und das ist dann auch das, was mich ausmacht: Ich reagiere gern spontan, rede einfach frei drauflos und sage immer das, was ich gerade denke und was mir wichtig ist.
prisma: In einem Ihrer YouTube-Videos erklären Sie, dass Sie süchtig nach Überarbeitung sind. Haben Sie nicht Angst, dass Ihnen irgendwann alles zu viel wird?
Wegener: Bei der Produktion der Songs war ich ziemlich genau und habe bis zuletzt daran gefeilt. Auch beim Abi wollte ich ein Ergebnis abliefern, auf das ich stolz sein kann. Den Anspruch, mein bestes zu geben, habe ich an jeden meiner Auftritte. Aber Angst, dass mir alles zu viel werden könnte, habe ich nicht. Nein, ich kenne meine Grenzen und habe mir im Oktober auch kurzfristig eine Woche Urlaub freigeschaufelt, weil ich gemerkt habe, jetzt muss ich mal abschalten. Ich arbeite nicht bis zur Erschöpfung und höre auf meinen Körper. Klar, die Promotiontour nach dem Album war hart und kräftezehrend. Aber ich merke auch, und da bin ich wirklich stolz drauf, dass ich die Kraft und die Energie habe, das durchzustehen. Außerdem habe ich es ja gern gemacht: Ich finde, wenn man etwas tut, was man unglaublich liebt, dann macht das so sehr Spaß, dass das die Anstrengung und das Negative überwiegt und einem mehr Energie gibt als zieht.
prisma: Außerdem erklären Sie, dass Ihre größte Schwäche Selbstzweifel ist. Worin äußert sich das?
Wegener: Ich habe manchmal das Problem, dass ich selbst denke: "Bin ich gut genug? Waren das zu viele Fehler?" Wenn ich einen Auftritt von mir anschaue oder ein Foto, das ich gepostet habe, dann zweifele ich manchmal im Nachhinein: "Oh Gott, war das jetzt richtig, war das gut genug, hätte ich das nicht doch lieber anders machen sollen?" Aber ich lerne, auf mein Gefühl zu vertrauen, weil ich auch so viel positives Feedback bekomme, und zwar genau dann, wenn ich einfach nur Marie bin. Das tut gut, und es wird langsam besser. Ich gewinne immer mehr Mut und Selbstsicherheit.
prisma: Inzwischen werden Sie sogar mit Größen wie Helene Fischer verglichen. Wie fühlt sich das an?
Wegener: Helene Fischer ist Helene Fischer. Ich sehe sie unglaublich gerne als Vorbild, und bin dankbar, mit so einer Großen verglichen zu werden. Aber ich bin halt dann doch Marie und möchte Schritt für Schritt meinen eigenen Weg als eigenständige Künstlerin finden und gehen.
prisma: Gibt es manchmal Schattenseiten, in denen Sie bereuen, bei "DSDS" mitgemacht zu haben?
Wegener: Bereuen tue ich es auf gar keinen Fall, weil es mir wirklich Türen geöffnet hat. In diesem Jahr, in dem es durchgehend bergauf ging, gab es aber natürlich auch ruhige Momente, in denen ich dachte: "Oh Gott, jetzt ist es vorbei, es passiert nichts mehr." Und dann macht man sich so seine Gedanken und tastet sich weiter vor ...
prisma: Viele "DSDS"-Sieger verschwanden schnell in der Versenkung. Hat Sie das anfangs abgeschreckt?
Wegener: Überhaupt nicht, weil ich nicht so weit gedacht und auch nicht damit gerechnet habe, überhaupt in die Liveshow zu kommen, geschweige denn zu gewinnen. Ich bin recht naiv rein in die Sache. Ich wollte Dieter Bohlen kennenlernen und einfach mal gucken, wie alle so sind. Ich habe nur von Situation zu Situation gedacht. Das war auch gut so, denn sonst hätte ich mir bestimmt viel zu viele Gedanken gemacht, und dann wäre ich vielleicht nicht so weit gekommen.
prisma: Wie war es denn, zur selben Zeit sich auf das Abitur vorzubereiten und an einem Album zu arbeiten?
Wegener: Ziemlich stressig. Ich war auch nicht mehr so oft in der Schule wie früher, weil ich es nicht mehr geschafft habe, aber ich habe immer alles nachgearbeitet. Und die Schulleitung und meine Lehrer haben das Gott sei Dank auch mitgemacht. Wenn ich mit dem Zug oder mit dem Auto gereist bin, saß ich wirklich da und habe gepaukt. Auch in den Ferien. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, dass ich das Abitur durchziehe, und es war auch eine knüppelharte Zeit. Aber ich habe es geschafft! Und jetzt bin ich total happy, dass ich das in der Tasche habe. Vielleicht studiere ich ja auch noch, diese Tür wollte ich mir auf jeden Fall offen halten.
prisma: Sie waren 2013 schon bei "The Voice Kids" dabei. Sind Sie froh darüber, dass Sie erst jetzt gewonnen haben und nicht schon 2013?
Wegener: Ja, im Rückblick und mit der Erfahrung, die ich mittlerweile habe, aber so was von. Hätte ich damals gewonnen, mit gerade mal zwölf Jahren, wäre das definitiv zu früh gewesen. Da hätte ich nicht viel machen können. Das ist oft so bei den "The Voice Kids"-Künstlern: Es passiert jahrelang nichts mehr, weil man sich erst noch entwickeln und zur Schule gehen muss. Man ist noch ein Kind. Und man kann auch auf den Bühnen und in den Medien nicht so präsent sein, ich bin da langsam reingewachsen. Ich hatte bei meinem "DSDS"-Sieg nur noch ein Jahr Schule vor mir, das habe ich aufarbeiten können, aber wenn man noch ein paar Jahre Schulzeit vor sich hat, dann wird es echt schwer.
prisma: Haben Sie aus "The Voice Kids" trotzdem etwas mitgenommen?
Wegener: Ja. Das war für mich der Startschuss, da hab ich das so richtig gefühlt, da war mir klar: "Marie, du möchtest auf der Bühne stehen, du bist ein Bühnenkind." Und natürlich durfte ich meinen Coach Henning Wehland kennenlernen. Wir stehen immer noch in Kontakt, und ich hatte bei einer seiner Shows in Münster einen tollen Auftritt mit ihm.
prisma: Wann haben Sie gemerkt, dass Musik das ist, was Sie wirklich machen wollen?
Wegener: Mit etwa zehn oder elf Jahren hatte ich schon ein bisschen Klavierunterricht, und als ich einen Song gespielt habe, sagte mein Klavierlehrer: "Sing doch mal dazu!" Ich dachte, ich kann doch hier jetzt nicht dazu singen. Ich habe meine Lieblingssongs, was ich halt gern gehört habe, mitgesungen und auch allein unter der Dusche, das hat mir gereicht, das war einfach so. Aber er meinte: "Du hast Talent! Da kann man darauf aufbauen!" Dann haben wir ganz langsam den Gesang miteingebaut, und das hat mir Spaß gemacht. Bei den ersten kleinen Auftritten vor vielleicht 15 oder 20 Leuten im privaten Kreis habe ich gemerkt, dass mich auch das reizt, für andere zu singen. Daraufhin hab ich dann meinen Mut zusammengekratzt und bin zu "The Voice", das fand ich gut, das hab ich gern angeschaut. Und meine Eltern, vor allem meine Mama, haben mich dabei zum Glück unterstützt, das hätte auch ganz anders laufen können. Ich war da noch zurückhaltend und schüchtern. Aber als ich dann das erste Mal bei den Blind Auditions auf der Bühne stand, war für mich der endgültige Punkt, an dem ich gesagt habe: Die Musik ist es.
prisma: Was war denn früher als kleines Mädchen Ihr Traumberuf?
Wegener: Ich wollte Tierärztin werden. Wir haben zu Hause Tiere, ich lebe vegan, und Tieren zu helfen und sie mit Respekt zu behandeln, ist für mich selbstverständlich.
prisma: Haben Sie einen Plan B, falls das mit der Musik langfristig nicht klappt?
Wegener: Plan B wäre für mich, als Immobilienmaklerin Fuß zu fassen. Das ist eine komplett andere Richtung, aber dafür habe ich mich auch schon immer interessiert. Ich habe viel darüber gelesen, viele Dokumentationen gesehen, Praktika in der Immobilienbranche gemacht und irgendwie lag mir das.
prisma: Sie ernähren sich vegan. Was war der Auslöser dazu?
Wegener: Es gibt viele Auslöser. Aber den Ausschlag hat gegeben, dass wir in der Schule sehr viel über Massentierhaltung, Massenproduktion, Fleischentstehung und Billigfleisch gelesen und gesehen haben. Das ist unfassbar, ich habe diese Bilder immer noch vor Augen. Außerdem spielen ethische und ökologische Aspekte mit rein. Es ist furchtbar, was wir den Tieren und auch der Umwelt damit antun, wieviel Wasser bei der "Fleischproduktion" durch Massentierhaltung verschwendet und wie viel CO2 ausgestoßen wird. Das sind negative Faktoren, die man unter dem Naturschutzaspekt mit Fleischverzicht oder zumindest reduziertem Fleischkonsum und vor allem artgerechter Haltung minimalisieren könnte. Und natürlich spielt die gesundheitsbewusste Ernährung für mich eine große Rolle.
prisma: Sie setzen sich auch für Nachhaltigkeit ein. Worauf achten Sie besonders?
Wegener: Im Alltag ist es nicht einfach, plastikfrei zu leben, vor allem, wenn man so viel unterwegs ist. Aber ich versuche, auf meinen Verbrauch zu achten. Wenn ich fliegen muss, darf man nur Plastikflaschen mit an Bord nehmen. Aber wenn ich mit dem Zug oder mit dem Auto fahre, habe ich eine Glasflasche mit dabei, die ich immer wieder auffüllen kann. Oder ich nehme Tee oder Kakao aus Sojamilch in einer Teekanne mit. Außerdem benutze ich keine Plastikzahnbürste und keine Plastikstrohhalme mehr, die gibt's auch aus Holz und Bambus. Statt Plastiktüten nehme ich Papier- oder Stoffbeutel. Und auch Plastikgeschirr geht gar nicht! Was da jeden Tag an Müll weggeworfen wird ... Das sind so Kleinigkeiten, die man schon im Alltag ändern kann.
prisma: Und wie klappt das mit dem Veganismus auf Tour?
Wegener: Vegan zu leben ist unterwegs schwierig. Viele geben sich wirklich Mühe, Vegetarisch hat sich schon echt gut durchgesetzt, aber ich muss beim Büfett oder beim Catering schon oft suchen, bis ich etwas finde. Meistens ist dann der Salat die Notlösung – oder Reis, Nüsse, Gemüse und Obst. Also da könnte das Bewusstsein noch stärker werden. Wenn ich in Berlin bin, hat jeder zweite Laden vegane Angebote oder ist komplett vegan oder vegetarisch. Da kann man auf jeden Fall sogar richtig lecker essen. Wenn ich zu Hause bin, weiß ich, wo und wann ich was im Biomarkt und auf dem Wochenmarkt einkaufen kann. Ich koche für mich selbst oder meine Oma und Mama kochen für mich mit. Anfangs waren sie echt skeptisch, aber mittlerweile essen sie sogar sehr gern mit.
prisma: Haben Sie bei Fridays for Future mitdemonstriert?
Wegener: Leider hatte ich noch keine Zeit, dabei zu sein, gerade freitags und an den Wochenenden bin ich für Auftritte unterwegs. Aber alle meine Freunde waren schon dort und ich war im Herzen dabei. Ich habe diese Bewegung, diesen Impuls mitverfolgt und finde das ganz toll.
prisma: Vielleicht können Sie da auch mal singen ...
Wegener: Auf jeden Fall! Wenn so ein Angebot kommt, bin ich dabei!
Quelle: teleschau – der Mediendienst