"Die letzte Sau": Revolution in Zeiten der völligen Verblendung
"Scheißdreck, Kruzifix" – der Huaba (Golo Euler) lebt leider nicht mehr in den Zeiten, in denen man als kleiner Bauer zwar ohne Luxus, doch sorgenfrei seine Existenz fristen konnte. In der Komödie mit dem zackigen Titel "Die letzte Sau" erlebt Schweinebauer Huber, wie elendig es dem Kleinbauern heutzutage ergeht. Als sein längst überholter Hof von einem Meteor getroffen wird, wandelt er all seinen Groll in Taten um. Er zieht los – gemeinsam mit der titelgebenden "letzten Sau" – und erhebt die Mistgabel gegen das Großkapital.
Filmemacher Aron Lehmann ("Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel", "Highway To Hellas") mag das Absurde. Und wenn er die gefeierte Charakterdarstellerin Rosalie Thomass im schönsten bayerisch-schwäbischen Dialekt scharfsinnig und doch feixend über die Absurdität einer Kastration von kleinen Ferkeln philosophieren lässt, dann teilt man diese Vorliebe nur zu gerne. "Die letzte Sau" läuft um 23.10 Uhr auf ARTE und hat einige dieser irrwitzigen Momente parat. Und so verschrobenen die Figuren auch wirken: Sie sprechen alle die Wahrheit!
Massentierhaltung, Industrieschlachtung, Herbizide
Der Dorfmetzger Willi (Heinz-Josef Braun) etwa, der sich vom Industriebauern und -schlachter der Gemeinde zum Aufgeben gedrängt fühlt, und Imker Meier (Thorsten Merten), der am Bienensterben verzweifelt. Massentierhaltung, Industrieschlachtung, Herbizide – Stichwörter ihres Ruins. Sie fühlen sich von den Großen bis zum Äußersten getrieben, die Verzweiflung treibt sie an ihre Grenzen.
"Die letzte Sau" ist keine leichtverdauliche Komödie. Aron Lehmann scheut sich nicht davor, seine Finger in tiefe Wunden zu legen. Es ist an Golo Euler und dessen höllisch gutem Spiel, immer wieder die humoristische Kurve zu kratzen. Er spricht nicht viel, der Huaba. Manchmal reicht ein "Scheißdreck". Doch auch damit hat er immer recht.
"Die Welt ist ein scheißdunkler Ort"
Begleitet von wunderbar passenden Rio-Reiser- und Ton-Steine-Scherben-Liedern, vorgetragen von den Darstellern, liefert Aron Lehmann ein Statement, dem jeder etwas abgewinnen kann. Ein kleines bisschen Revolution in Zeiten der völligen Verblendung, in Zeiten, in denen wieder auf die Kleinsten eingedroschen und die Ursache aller (persönlichen) Probleme bei den Schwächsten gesucht wird. "Die Welt ist ein scheißdunkler Ort, deswegen müssen wir Leuchtfeuer anzünden", erklärt Imker Meier dem Huaba, bevor er mit einer Fackel auf die Frankfurter Skyline zustürmt. Aron Lehmann ist ein beachtliches Leuchtfeuer gelungen.
Quelle: teleschau – der Mediendienst