ZDFinfo-Doku

Wie mächtig ist die Russenmafia in Deutschland?

von Julian Weinberger

Die russische Mafia scheint den deutschen Behörden immer einen Schritt voraus zu sein. Warum das so ist, versucht eine Dokumentation bei ZDFinfo zu erklären.

Es klingt fast wie in einem Actionfilm: Schießereien, Raubüberfälle, Autobomben – und das alles am helllichten Tag mitten in Berlin. Mit Hollywood hat das alles aber nichts zu tun. Stattdessen ist es die harte Realität vieler Beamter der Polizei, die mit Verbrechen in Kontakt kommen, die allem Anschein nach von der sogenannten "Russenmafia" systematisch geplant und präzise umgesetzt wurden. Doch warum hat die Russenmafia so viel Macht in Deutschland? Woraus sind die Strukturen und Hierarchien entstanden? Und weshalb wirken die Behörden oft wie ein zahnloser Tiger? In seiner Dokumentation "Die Geheimnisse der Russenmafia: Gewalt, Geschäft, Gefängnis" (Mittwoch, 17. Juni, 21 Uhr, ZDFinfo) begibt sich Filmemacher Klaus Fiedler auf eine schwierige Spurensuche.

Denn hinter der mächtigen Verbrechervereinigung stehen keineswegs tumbe Ganoven. Stattdessen halten clevere Clanbosse die Zügel in der Hand, die in den nach außen hermetisch verschlossenen Zirkeln hart durchgreifen. Dabei können sie auf Helfer in hochrangigen politischen Positionen, bestens ausgebildete Ex-Geheimdienstler und andere kriminelle Handlanger vertrauen.

Der 45-minütige Filmbeitrag nimmt sich zunächst viel Zeit, die historischen Wurzeln der Mafia aufzuschlüsseln. Angefangen in Stalins Straflagern, wo sich der strenge Kodex und die stark ausgeprägte Solidarität unter den sogenannten "Dieben im Gesetz" entwickelte, kristallisierte sich nach der Wende und dem Zerfall der Sowjetunion vor allem Berlin als Brutstätte eines brutalen Terrors heraus – oder wie es der Ex-LKA-Chef von Berlin, Bernd Finger, ausdrückt: Jeder wollte "ein Stück vom Kuchen in der Glitzermetropole abhaben".

Schlaglichtartig bringt der Film Morde, Raubüberfälle und Entführungsdramen zurück in Erinnerung, mit denen die Russenmafia ihre Macht in Deutschland immer wieder demonstrierte. Auch heute ist ihr Einfluss in der Bundeshauptstadt ungebrochen. Eine Million Euro Reingewinn erwirtschaften die Kriminellen durch ihre krummen Geschäfte – täglich. Beim Zoll liegen 37.000 unbearbeitete Fälle zum Thema Geldwäsche. Und aktuell sind in Deutschland 22 Bosse tätig, die ihre 50 Banden mit mehr als 10.000 Angehörigen kontrollieren. "Die Behörden sind aus meiner Sicht ziemlich überfordert", urteilt der "Spiegel"-Journalist Andreas Ulrich.

Das liegt einerseits an Personalmangel, andererseits an einem verworrenen System an Briefkastenfirmen und dem Ehrenkodex der Mafiosi, wie der russische Journalist Dmitrij Chmelnizki weiß: "Ein Verrat in diesem Milieu ist absolut unmöglich." Selbst mit Gefängnisstrafen scheint man die hinter Gitter bestens vernetzte Russenmafia nicht zu erschrecken – ganz im Gegenteil. Der einstige Moskauer Pate Mikhail Orsky, der in der Dokumentation ebenfalls zu Wort kommt, meint: "Erfahrene russische Häftlinge halten die deutschen Gefängnisse für Sanatorien. Der Knast ist Teil ihres Lebens. Nichts in westlichen Gefängnissen könnte einen russischen Häftling überraschen."

Wie also kann man den Kriminellen das Handwerk legen? Am ehesten scheinen die Russen über Geld angreifbar zu sein – allerdings nur dann, wenn die komplizierten Vertuschungsmechanismen rund ums Thema Geldwäsche aufgedeckt werden können. "Die Russen-Mafia bedroht den Rechtsstaat an seinen Wurzeln. Kriminelle Macht bedeutet wirtschaftliche Macht. Wirtschaftliche Macht bedeutet politische Macht, und dann sind diese Leute nicht mehr zu kriegen", so das ernüchternde Fazit Andreas Ulrichs.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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