Jochen Breyer: Jenseits der Torwand
Vom Sport in die Politik: Wenige Wochen vor der Bundestagswahl lässt "sportstudio"-Moderator Jochen Breyer in seiner ZDF-Doku "Am Puls Deutschlands" die Bürger zu Wort kommen.
Es war nur wenige Wochen nach seinem 31. Geburtstag, als Jochen Breyer zum ersten Mal "das aktuelle sportstudio" im ZDF moderierte. Kann der das?, fragte sich damals, Ende 2013, so mancher Sportbegeisterte. Schließlich trat Breyer in die Fußstapfen von Michael Steinbrecher, der die Show mit der Torwand mehr als 20 Jahre präsentiert hatte. Schnell war klar: Ja, der kann das wirklich. Zumal Breyer trotz seines jungen Alters kein Unbekannter war. So hatte er etwa bei der WM 2010 in Südafrika aus den Stadien berichtet. Jetzt wagt sich der Heidelberger auf schwieriges Gebiet vor: Für seine ZDF-Reportage "Am Puls Deutschlands. Jochen Breyer unterwegs vor der Wahl" (Donnerstag, 10. August, 23.15 Uhr) geht er der brisanten Frage nach, was die Deutschen an ihrem Land stört.
Unter dem Hashtag #wasmichandeutschlandstoert hat Breyer zusammen mit seinem Team die Bürger aufgerufen, Dampf abzulassen. Rund 20.000 Zuschriften – auf Facebook, via Twitter, aber auch ganz klassisch per Post – habe er erhalten, berichtet Breyer. "Wir lesen alles, wir wollen eure Sorgen hören und eure Wünsche an die Politik", beschreibt Breyer seinen Ansatz. "Wir nehmen euch ernst."
Es ist natürlich ein Wagnis, sich mit einer solchen Fragestellung ins Internet zu trauen. Schließlich wird dort im Schutze der Anonymität bisweilen tief unter die Gürtellinie gezielt. "Wir hatten mit einer größeren Zahl an negativen Kommentaren gerechnet", sagt Breyer allerdings. "Es hat uns gefreut, dass die Menschen die Fragestellung so ernst genommen und nicht nur Hass und Häme ausgeschüttet haben."
Steigende Mieten, Altersarmut, soziale Ungerechtigkeit
Die steigenden Mieten in deutschen Städten seien für viele Menschen ein Problem, ebenso wie drohende Altersarmut, die soziale Ungerechtigkeit und, wenig überraschend, die Flüchtlingskrise. "Ich kann es mir nicht leisten, krank zu werden, ich brauche jeden Euro!", schreibt etwa eine Frau. "Die Menschen haben das Gefühl, sie werden nicht gehört", meint Breyer. "Sie glauben, dass die Politik sich für ihre alltäglichen Sorgen nicht mehr interessiert." Dass ihnen nun ausgerechnet das ZDF Gehör schenkt, hätten viele nicht erwartet.
Für die Dokumentation hörten sich Breyer und sein Team freilich nicht nur im Internet um. Acht Menschen in Deutschland haben sie besucht und gefragt, was sie in und an Deutschland stört. Die Begegnungen sind dann auch das Herzstück der ZDF-Reportage. Eine Frau, die sich von den vielen Flüchtlingen bedroht sah, ist Breyer dabei besonders in Erinnerung geblieben. "Wir wollten auch mit solchen Menschen ins Gespräch kommen. Nicht in eine Konfrontation treten, sondern zuhören und erfahren, wie man auf so etwas kommt." Im Falle der besorgten Dame aus der Uckermark war schnell klar: Ihr Wissen über die Weltlage bezog sie ausschließlich über Facebook. "Die Probleme der Menschen hautnah zu erleben, das öffnet einem die Augen", sagt Breyer.
"Da braucht man mehr Erfahrung und Reife"
Wie aber kommt jemand wie "sportstudio"-Moderator Breyer darauf, ins politische Fach zu wechseln? Tatsächlich hat der 34-Jährige an der renommierten Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Politikwissenschaften studiert. Dass er sich aber zunächst als Sportjournalist einen Namen gemacht hat, war so geplant. "Im Sport kann man sich auch als junger Redakteur schnell nach oben arbeiten. In der politischen Berichterstattung ist das anders. Da braucht man mehr Erfahrung und Reife", glaubt er.
Fürs ZDF-"Morgenmagazin" berichtet Breyer allerdings schon seit mehreren Jahren über Themen abseits des Sports, für seine Dokumentation über Rassismus gegenüber der französischen Nationalmannschaft traf er im vergangenen Jahr sogar den damaligen Staatspräsidenten Hollande zum Interview.
Ein Neuling auf dem politischen Parkett ist Mr. Sportstudio also mitnichten. Dass er jetzt durch Deutschland zieht, um sich ein Bild von der Lage zu machen, ist für ihn der genau richtige Zeitpunkt. Die Wahl von Donald Trump habe gezeigt, sagt Breyer, "dass die Medien zum Teil nicht nah genug dran waren an den Menschen, nicht gut genug zugehört haben". Mit seiner Reportage, sagt er, will er dieses Versäumnis nachholen.
Quelle: teleschau – der Mediendienst