Alexandra Maria Lara: "Man kann sich zu schnell angegriffen fühlen"
Eine nettere Gesprächspartnerin kann man sich kaum ausdenken: Alexandra Maria Lara muss beim Pressetag in einem Berliner Luxushotel von ihrer Agentin gleichsam davon abgehalten werden, während ihrer wohlverdienten Mittagspause Interviews zu geben. An Begeisterung über ihre Arbeit für die Amazon-Serie "You Are Wanted" mangelt es der 39-Jährigen ebenso wenig wie an Empathie für ihr Gegenüber.
Die freundliche Vorzeigefrau – ein Image, das die Gattin des britischen Schauspielstars Sam Riley zumindest in ihren Rollen gern ablegen würde: In Staffel zwei (ab 18. Mai 2018) des erfolgreichen Cyberthrillers von und mit Matthias Schweighöfer entwickelt sich ihre Figur beinahe zur Actionheldin.
Wie sie mit Kritik umgeht, was das Reiferwerden in der Branche bedeutet und wie das Schauspiel-Gen in ihrer Familie kursiert, erklärt die sympathische Wahlberlinerin im Gespräch.
prisma: Die erste Staffel "You Are Wanted" war im vergangenen Jahr die erfolgreichste Amazon-Serie in Deutschland. Haben Sie die Rezensionen verfolgt?
Alexandra Maria Lara: Eine solche Serie auf die Beine zu stellen, ist eine unglaubliche Leistung, und das haben die Zuschauer bestätigt. Die Reaktionen der Kritiker sind natürlich auch wichtig, und es kann helfen, Dinge zu verbessern. Ich mag nur nicht, wenn Artikel wenig einfallsreich sind und trotzdem eine gewisse Überheblichkeit beim Lesen zu spüren ist. Man kann sich aber auch leicht mal zu schnell angegriffen fühlen, wenn man Herz und Engagement in seine Arbeit gesteckt hat. Dieses Gefühl kennt sicherlich jeder.
prisma: Wie sehr nervt Sie das persönlich?
Lara: Weniger als früher (lacht). Jeder darf seine Meinung haben, und das ist auch richtig und gut so. Für mich zählt, dass ich als Schauspielerin das große Glück habe, seit vielen Jahren arbeiten zu dürfen. Und das für sehr unterschiedliche und auch besondere Projekte.
prisma: Ändert sich mit zunehmenden Karrierejahren auch die Einstellung zur Schauspielerei an sich?
Lara: Ich habe jetzt sicherlich ein anderes Gefühl beim Spielen. Es ist ein deutlicher Unterschied im Vergleich zur Zeit vor 15 Jahren etwa – das liegt sicher auch am Älterwerden. In jungen Jahren hilft man sich mit der Vorstellungskraft und Fantasie. Je älter man wird, desto mehr schöpft man auch aus eigenen Erfahrungen. Die Tatsache, dass ich Mutter geworden bin, hat mich natürlich verändert – auch als Schauspielerin. Wenn es zum Beispiel wie bei "You Are Wanted" um ein Kind geht, das sich in Gefahr befindet, fällt es leichter, dieses Gefühl auch nachzuvollziehen.
prisma: Wie verhält es sich mit den oft beschriebenen Nachteilen, denen Schauspielerinnen mit zunehmendem Alter begegnen?
Lara: Dass es Schauspielerinnen ab einem bestimmten Alter nicht so leicht haben, stimmt leider. Man sieht auch häufiger Filme mit sehr starken Männerfiguren – wenn dann eine Meryl Streep in der Hauptrolle zu bewundern ist, ist das noch immer etwas Besonderes. Ich glaube aber auch, dass Zeiten sich ändern und dass es gerade jetzt ein größeres Bedürfnis gibt, auch mal wieder starke Frauen zu sehen.
prisma: Ihre Figur in "You Are Wanted" entwickelt sich in Staffel zwei langsam zu einer solchen Frau. Hat man bei einer längerfristig angelegten Rolle eher das Bedürfnis, die Figur nach seinem Gusto entwickeln zu lassen?
Lara: Ich habe mich sehr gefreut, als ich die Bücher für die zweite Staffel erhielt. Die Reise meiner Figur ist eine andere – sie wird stark und mutig, geht nach vorne. Das hat mir großen Spaß gemacht, und deshalb entsprach die Entwicklung der Geschichte auch genau meinem Wunsch.
prisma: Wie fühlt es sich – im Vergleich zu Spielfilmen – an, die Fortsetzung einer Serie zu drehen?
Lara: Es war toll, auf ein Team zu treffen, bei dem ich mich schon zu Hause gefühlt habe. Es war ein sehr schönes Wiedersehen – man kennt sich und kann deshalb gleich auf einer vertrauten Ebene miteinander weiterarbeiten. Das Gefühl von Familie hat aber auch viel mit Matthias zu tun – er hält uns am Set alle zusammen.
prisma: Kennen Sie und Matthias Schweighöfer sich gut?
Lara: Matthias ist ein Freund von mir, den ich aber auch sehr bewundere. Er ist ein toller Regisseur, klug und wach – und er ist immer mit Herz bei der Sache. Auf meinem Weg hat er mich bestärkt, dafür bin ich ihm sehr dankbar. Deshalb kann ich auch sagen, dass mich die Arbeit erfüllt hat.
prisma: Färbt so eine Stimmung auf die folgenden Projekte ab?
Lara: Ich habe so eine gute Energie aus der Arbeit zu "You Are Wanted" mitgenommen und durfte danach gleich für zwei weitere großartige Projekte vor die Kamera treten. Mit Ben Wheatley habe ich in England mit meinem Mann zum dritten Mal gemeinsam spielen dürfen. Der Film trägt den ungewöhnlichen Namen "Colin You Anus" und dürfte auf jeden Fall für eine Überraschung sorgen. Danach durfte ich mit Bernd Böhlich ein echtes Herzensprojekt realisieren. In "Warum" spiele ich eine deutsche Kommunistin, die jahrelang unschuldig in der Sowjetunion in Gefangenschaft war. Da war bei vielen Beteiligten auch ein persönliches Anliegen zu spüren, so etwas erlebt man nur selten.
prisma: Hegen Sie an diesem Themenkomplex – die Widersprüche des Realsozialismus – auch aufgrund Ihrer Familiengeschichte ein besonderes Interesse? Als Sie fünf Jahre alt waren, flohen Ihre Eltern aus dem Rumänien Ceausescus.
Lara: Ja, beim Lesen des Drehbuches hatte ich das Gefühl, auf eine andere Art und Weise mit dem Beschriebenen in Verbindung zu stehen. Durch die Erzählungen meiner Eltern war ich mit vielen Aspekten der Geschichte vertraut.
prisma: Ihr Vater ist ebenfalls Schauspieler – berät er Sie noch?
Lara: Ich habe so viel von meinem Vater gelernt, dass ich gar nicht wüsste wo ich anfangen soll. Er hat mich bestens auf diesen Beruf vorbereitet. Dafür bin ich unendlich dankbar und hole mir bis heute immer gern seinen Rat.
prisma: Auch Ihr Mann Sam Riley ist ein weltbekannter Schauspieler. Ist das für die gegenseitige berufliche Unterstützung hilfreich?
Lara: Es ist ein großes Glück, jemanden an seiner Seite zu haben, mit dem man sich austauschen kann. Wir bestärken uns gegenseitig, und genauso können wir einander auffangen, wenn es vielleicht mal nicht ganz so läuft, wie man es sich wünscht.
prisma: Ihr gemeinsamer Sohn ist jetzt vier Jahre alt – macht er schon Anstalten, in die schauspielerischen Fußstapfen seiner Eltern zu treten?
Lara: Manchmal schauen mein Mann und ich uns verwundert an, weil sich das Schauspieler-Gen jetzt schon in manchen Momenten erkennen lässt. Er ist bezaubernd: Zum ersten Mal im Kindertheater fing mein Sohn plötzlich aus dem Publikum heraus ganz laut an zu sprechen. Alle guckten plötzlich zu uns – und wir saßen mit hochroten Köpfen da (lacht). Wir werden sehen ... aber wir sind für alles offen.
Quelle: teleschau – der Mediendienst