"Petting statt Pershing": Auch in der Provinz gibt es Aktivisten
Wenn man in der westdeutschen Provinz des Jahres 1983 lebt, ist es gar nicht so leicht, sich politisch zu engagieren. Das stellt die 17-jährige Ursula fest.
Dass die Jugend generell unpolitisch sei, widerlegt das stetige Engagement von "Fridays for Future" eindrucksvoll. Wie politisch die Jugend früher schon war, zeigt hingegen die Komödie "Petting statt Pershing". Das Kinodebüt von Petra Lüschow spielt in der Bundesrepublik des Jahres 1983. Hunderttausende gingen damals, im sogenannten "Heißen Herbst", gegen den NATO-Doppelbeschluss und die Stationierung neuer Atomraketen in Europa auf die Straße. Die ARD zeigt die Coming-of-Age-Komödie nun im Rahmen der Reihe "FilmDebüt im Ersten".
Die 17-jährige Ursula (Anna Florkowski) will sich engagieren. In der westdeutschen Provinz aber ist sie mit ihrem Engagement ziemlich alleine. Die Ideen der 68er-Bewegung tröpfeln nur ganz gemächlich ins Bewusstsein der Menschen. Um Anschluss ist Ursula auch vergeblich bemüht. Für ihre Mitschüler wirkt sie anstrengend, für ihre Eltern zu provokant. Dann taucht plötzlich Siegfried (Florian Stetter) in ihrem Leben auf, ein linksalternativer Kommunarde, der gewaltfreie Trainings organisiert. Prompt verliebt sich Ursula in den attraktiven Lehrer. Doch der scheint sich nicht für die pummelige Schülerin zu interessieren, die den Hippie-Womanizer doch so gerne für ihr Erstes Mal gewinnen würde. Als ihr klar wird, dass Friedrich es nicht so ernst mit ihr meint, sinnt sie auf Rache.
"Ich war sehr in der Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung und vielen Gruppen engagiert", erzählt Regisseurin Petra Lüschow, Jahrgang 1966. Damals sei sie oft die Jüngste gewesen. "So kam ich nicht selten in die Rolle der Beobachterin und erlebte, wie diese Gruppen funktionierten, die Spielchen, die amourösen Verflechtungen." "Petting statt Pershing" sei ein Film "über das Politische im Privaten, über die Widersprüche einer Gesellschaft, die in den 80-ern noch sehr piefig war, vor allem was das Frauenbild anging". Genau mit diesen Widersprüchen muss sich auch die junge Ursula auseinandersetzen. Die damals nicht als progressiv bekannte Provinz bremst zusätzlich ihren Eifer zum politischen Aktivismus. Viel "Muff und Mief" will Petra Lüschow noch in den 80-ern erkannt haben.
Dabei hebt Lüschow auch die Rolle der Eltern hervor. "Diese Generation der Kriegskinder war hin- und hergerissen zwischen der Loyalität einer autoritären, hart geprüften Elterngeneration gegenüber und dem Aufbruch der 68er." Aufgrund eines postfaschistischen und restaurativen Frauenbilds, welches bis in die 70-er prägend war, hätten sich noch viele Mütter dieser Generation für eine traditionelle Rolle als Hausfrau und Mutter entschieden.
"Petting statt Pershing" lief bereits als Vorpremiere auf ARTE, findet nun aber den Weg ins Hauptprogramm der ARD – und in die ARD-Mediathek. Wer die Komödie verpasst hat, hat vom 30. Juni bis zum 27. September die Möglichkeit, sie nachträglich dort anzusehen.
Petting statt Pershing – Di. 29.06. – ARD: 00.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH