"Mängelexemplar": Stimmengewirr im Kopf
Karo wird von Panikattacken gequält, sie hört Stimmen in ihrem Kopf. In der Romanverfilmung "Mängelexemplar" erwarten den Zuschauer bemerkenswerte Frauenfiguren.
Es beginnt ganz flott und dramatisch, fast wie im Actionfilm oder einer modernen Fernsehserie. Eine junge Frau rennt mit einem Kind, das sich auf ihrem Rücken festkrallt, durch Berlin. Das Ganze unterlegt mit fetziger Musik. An der Spree stoppt sie und wirft das niedliche kleine Mädchen kurzerhand ins Wasser. Wenig später taucht sie mit irrem Blick in einer Psychotherapie-Praxis auf und verlangt sofortige Behandlung – sie habe schließlich soeben ihr inneres Kind umgebracht!
Depressionen und Panikattacken sind sicher kein Thema, das man einem Zuschauer leicht zugänglich machen kann. Laura Lackmanns durchdachtes Langfilmdebüt "Mängelexemplar" (2016) versucht sich daran. Der Film beruht auf dem gleichnamigen Roman (2009) von Sarah Kuttner. ARTE wiederholt die einfallsreiche Mischung aus Drama und Komödie nun zur besten Sendezeit.
Glücklicherweise hat die Jung-Regisseurin auch ein paar Änderungen an den recht stereotyp angelegten Figuren der Romanvorlage vorgenommen und sehr überzeugende Darstellerinnen wie Claudia Eisinger für die wichtigsten Frauenrollen gewinnen können. Eisinger spielt die erwähnte junge Frau namens Karo, eine 28-jährige Event-Managerin, die zunächst ihren Job verliert, weil sie weinerlich und hysterisch ist. Das Stimmengewirr in ihrem Kopf verknotet sich daraufhin drastisch zu einer Mischung aus Selbsthasstiraden und kindlichen Trotzgedanken. Im Laufe des Films wird klar: Sie muss noch viel lernen – nämlich sich selbst und wenn möglich auch den richtigen Mann zu lieben.
Inzwischen hat Sarah Kuttner drei weitere Romane geschrieben, die ebenfalls thematisch tiefgründig sind: Nach "Mängelexemplar" folgten "Wachstumsschmerz" (2011) und "180° Meer" (2015). 2019 veröffentlichte die 42-Jährige ihren vierten Roman "Kurt", in dem es um eine Patchwork-Familie geht, die ihren Sohn verliert und anschließend lernen muss, mit Trauer und Tod, aber auch mit schönen Ereignissen umzugehen.
Mängelexemplar – Fr. 05.11. – ARTE: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH