Vater und Sohn im Interview

August Milberg: "Mein Vater ist mir eher fremd im 'Tatort'"

08.04.2022, 08.44 Uhr
von Eric Leimann

Im neuen Kieler "Tatort" spielt August Milberg den jungen Borowski. Wie war es für ihn, mit seinem Vater zu drehen? Und was denkt Axel Milberg über die gemeinsame Arbeit?

Sie ist schon ein wenig seltsam, die Geschichte des Kieler Krimis "Tatort: Borowski und die dunkle Seite des Mondes" (Sonntag, 10. April, 20.15 Uhr, Das Erste). Nicht nur, weil der – sehr starke – Film bereits 2019 gedreht wurde und ungewöhnlich lange herumlag. Auch die Tatsache, dass Axel Milbergs damals 15-jähriger Sohn August die junge Version der Rolle seines Vaters verkörpert, hat es so im "Tatort" noch nie gegeben. Obwohl August Milberg die Rückblenden ins Jahr 1970, als Jimi Hendrix kurz vor seinem Drogen-Tod auf Fehmarn auftrat, eindrücklich meistert, plant der 18-jährige Abiturient keine Schauspielkarriere. Momentan macht der Sohn aus Axel Milbergs Ehe mit Künstlerin Judith Milberg gerade Abitur. Ein Gespräch über die Schattenseiten des Schauspielberufs und Unterschiede zwischen Vater und Sohn Milberg beim Blick auf die Welt.

prisma: Sehen Sie sich selbst in Ihrem Sohn August, wenn er im "Tatort" den jungen Borowski spielt?

Axel Milberg: Nein, interessanterweise nicht. Ich sehe eine Scheu, die ich mir einbilde, damals mit 15 oder 16 Jahren auch gehabt zu haben. Vom Äußeren erinnert er mich im Film nicht so sehr an mich. Er ist blond und hat längere Haare, als ich sie damals haben durfte (lacht). Ich war etwas dunkler, er ist schmächtiger, als ich es damals war. Allerdings ist der "Tatort" auch vor zweieinhalb Jahren gedreht worden. In diesem Alter ist das Äußere nur eine Momentaufnahme.

prisma: August, wie sehen Sie das?

August Milberg: Ich sehe klüger aus als er damals (beide lachen).

prisma: Vielleicht macht das die modische Frisur, die Sie im Film tragen. Ist sie wirklich authentisch für das Jahr 1970?

August Milberg: Mir hat diese Frisur nicht besonders gefallen, weil die Maskenbildnerin meine Haare so angeklebt hat. Aber angeblich sollen Jungs damals so rumgelaufen sein. Ich wollte die Haare lieber wilder haben, aber man sagte mir, so wäre es zutreffender.

Axel Milberg: Vorher kam eigentlich nur die Ansage, er solle sich die Haare wachsen lassen und sie auf keinen Fall abschneiden. Die Haare wurde auch für den Dreh nicht extra geschnitten.

prisma: Der Film wurde bereits 2019 gedreht. Warum lag er so lange herum?

Axel Milberg: Es waren inhaltliche und programmplanerische Entscheidungen. Es gab Filme, die wir danach gedreht haben, die aber vor diesem gesendet wurden – weil sie inhaltlich mehr miteinander verbunden waren. "Borowski und der Schatten des Mondes" ist doch ein ziemliches Einzelstück – mit dieser Reise in die Jugend Borowskis. Der Film hat keine Anknüpfungspunkte zu anderen Fällen.

prisma: Borowski ermittelt seit 2003 in Kiel. Gab es denn schon mal einen Fall, in dem die Vergangenheit des Ermittlers so stark thematisiert wurde?

Axel Milberg: Mit Rückblenden in die Jugendzeit gab es bisher nicht. Zwischendurch tauchte mal eine Ex-Frau auf, und am Anfang gab es Begegnungen mit der Tochter. Das Misslingen der Vaterrolle. Eine Zeitreise wie diese haben wir zum ersten Mal gemacht. Sie ist die Erfindung der Autoren Torsten Wenzel und Patrick Brunken. Die dramatische Idee, das "Love-and-Peace-Festival" auf Fehmarn 1970 einzubinden, der Herbststurm, der Schreckliches zutage fördert, das war Wenzels Geschichte.

prisma: Sie stammen ja tatsächlich aus Kiel und waren im September 1970, als dieses große Musikfestival stattfand, gerade 14 Jahre alt. Wären Sie gerne hingefahren?

Axel Milberg: Ich glaube nicht, dass ich damals wusste, dass es stattfindet. Falls doch, dann habe ich es danach wieder vergessen. Als ich das Drehbuch bekam, dachte ich: "Hendrix auf Fehmarn? Da haben die sich ja was ausgedacht." Dass Jimi Hendrix tatsächlich sein letztes großes Konzert vor seinem Tod bei mir vor der Haustür spielte, habe ich erst dann erfahren. Man muss aber auch sagen, dass 100 Kilometer Entfernung damals relativ viel war.

prisma: Sie wären ohnehin zu jung gewesen, um hinfahren zu dürfen – oder?

Axel Milberg: Ich war gerade 14 geworden. Wahrscheinlich hat man mir die Information vorenthalten (lacht). Ich habe damals schon Rockmusik gehört, aber – wie gesagt – keine Erinnerung mehr daran, dass ich davon gewusst hätte. Es gab 1970 noch nicht viele Autos auf den Straßen. Ich hätte gar nicht gewusst, wie ich da hätte hinkommen sollen. Getrampt bin ich damals noch nicht. Später ab und zu.

prisma: Für August war es die erste schauspielerische Aktivität überhaupt. Auf Theater-AG in der Schule oder Kinder- und Jugendrollen über die Beziehungen des Vaters hatten Sie keine Lust?

August Milberg: Nein, das war tatsächlich meine erste Erfahrung als Schauspieler. Ich stehe nicht so gerne im Rampenlicht, deshalb habe ich die Erfahrung auch nicht gesucht. Weil ich das Drehbuch so gut fand, das mir der Papa gezeigt hatte, habe ich mich dann aber doch umentschieden. Ich wollte wenigstens mal ins Casting reinschnuppern.

Axel Milberg: Ich darf als Vater ergänzen, dass August als Kind über viele Jahre mit seinen Freunden leidenschaftlich gespielt hat. Da gab es ganz tolle Verkleidungen mit Stirnband, Nickelbrille und Trommel. August ist zu ganz anderen Menschen geworden. Über Monate oder sogar Jahre war das ein rauschhafter Dauerzustand. Er hat seine Freunde mitgerissen. Es wurden Filme gedreht, es gab Schießereien und andere Stunts. Ich wusste immer, dass er eine große, angeborene Verwandlungslust in sich hat. Mit 14, 15 wurde es natürlich weniger. Das ist normal und war bei mir auch so. Aber überrascht hat es mich nicht, dass er es kann.

prisma: Es hört sich danach an, als würden Sie sich sehr darüber freuen, dass Ihr Sohn sein schauspielerisches Potenzial austestet?

Axel Milberg: Ich war diesbezüglich zwiegespalten. Aber ich fand gut, dass er sich traute, es zu machen. Jetzt muss man sehen, wie es weitergeht. Der nächste Schritt ist erst mal das Abitur, danach beginnt eine neue Zeitrechnung. Die Schulzeit wird abgelöst durch die Zeit eigener Entscheidungen.

prisma: Könnte es sein, August, dass Sie sich nach dem Abitur bei Schauspielschulen bewerben?

August Milberg: Nein, das kann ich mir derzeit nicht vorstellen. Ich will nach dem Abi erst mal reisen. Danach sehe ich weiter. In eine kreative oder künstlerische Richtung könnte es aber bei mir schon gehen.

prisma: Wären Sie denn trotzdem offen für weitere Rollen?

August Milberg: Ich möchte es nicht ausschließen, bin in dieser Hinsicht aber eher zurückhaltend.

prisma: August ist im gleichen Jahr geboren, in dem die Fernsehfigur Borowski in Kiel ihre Arbeit aufnahm. Berührt Sie das, Herr Milberg?

Axel Milberg: Absolut. Gott, ich war ziemlich aufgeregt, als August vor der Kamera war. Ich musste mich da zusammenreißen, um das vor August zu verbergen. Nicht so sehr wegen der Jahreszahl 2003, aber wegen dem, was in mir hochkam: Viele Erlebnisse in meinem Beruf, das Lampenfieber, die Gefährdungen, das Sich-ausliefern einem Regisseur und dem Publikum gegenüber. All das kam noch mal heftig hoch, als ich mit August drehte. Ich glaube, dieses Gefühl kennen alle Eltern, die einen riskanten Beruf haben. Man kann ja nicht mehr helfen in dem Moment ...

prisma: In welcher Hinsicht sehen Sie Schauspiel als "riskanten Beruf"? Sie sprechen sogar von einer "Gefährdung" ...

Axel Milberg: Als Schauspieler lebt man sehr im Moment. Du weißt nie, ob dir das, was du gerade versuchst, auch tatsächlich gelingt. Ob ein Film gut wird, hängt an so vielen Unwägbarkeiten. Und es wird nicht weniger, wenn man länger dabei ist. Die Möglichkeiten im Kopf werden sogar immer mehr. Hungrig bleiben. Auch die Sorge, sich zu wiederholen. Wobei Wiederholungen auch wichtig und richtig sind. Schauspiel bleibt kompliziert, und es ist ein sehr öffentlicher Vorgang.

prisma: Sie haben Ihrem Sohn aber keine Schauspiel-Tipps gegeben, war zu lesen ...

Axel Milberg: Nein, kein Sterbenswörtchen. Es wäre doch schrecklich – der Vater, der seinen Sohn mit Tipps zuballert: "Hab Spaß, verdammt noch mal!" (lacht). Nein, in diese Rolle wollte ich auf gar keinen Fall schlüpfen. Die Vorbereitung muss ganz woanders ansetzen. Und durch eine professionelle Lehrerin.

prisma: August, Sie haben beim "Tatort"-Dreh mit einem Schauspiel-Coach gearbeitet. Welchen Tipp fanden Sie am hilfreichsten?

August Milberg: Am wichtigsten fand ich die Tipps zu Augen und Blick. Dass man nicht nur so tun darf, als würde man in die Ferne blicken, sondern es auch wirklich tun muss. Oder dass man seinem Gegenüber mit voller Aufmerksamkeit zuhört – sonst merkt man es in der Betrachtung des Materials, dass man nur so tut als ob. Erst dann entsteht Spannung und ein authentischer Moment. Ich fand's interessant zu erleben, dass es wirklich so ist.

prisma: Seit wann dürfen Sie eigentlich "Tatorte" mit Ihrem Vater sehen, und wie finden Sie ihn in der Rolle?

August Milberg: Früher durfte ich die Krimis natürlich nicht sehen, aber in den letzten Jahren tu ich es ab und zu. Mein Vater ist mir eher fremd im "Tatort". Er spricht anders, trägt andere Klamotten, verhält sich anders. Der Papa von zu Hause ist mir lieber als Borowski.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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