ARD-Doku

"Wer beherrscht Deutschland?" Eine Reise durch die demokratiemüde Republik

von Eric Leimann

Lobbyisten und die dahinter stehenden Wirtschaftsinteressen, glauben viele Menschen. Eine provokante Reise durch Deutschland untersucht diese These.

ARD
Was Deutschland bewegt: Wer beherrscht Deutschland?
Reportage • 30.09.2019 • 20:15 Uhr

Woher kommt Politikverdrossenheit? Ein gutes Stück weit aus der Überzeugung vieler Menschen, dass sie selbst immer weniger Einfluss auf Politik und Gesellschaft hätten. Für seinen Film "Wer beherrscht Deutschland?" aus der Reihe "Die Story im Ersten" ist Autor Jan Lorenzen durch Deutschland gereist. Von den Widerstandskämpfern am Hambacher Forst zu den Lobbyisten, die gewählte Parlamente gefügig machen wollen. Er erzählt von Gewerkschaften, deren Einfluss immer geringer zu werden scheint und davon, dass in Deutschland immer mehr die Eliten bestimmen, wo es langgeht. Gegenüber früheren Zeiten, als Politik und Parlament noch beinahe sämtliche Gruppen der Bevölkerung abbildeten, bestimmen heute eigentlich nur noch akademische Zirkel das, was Regierungen umsetzen sollen. Lorenzen spricht mit ehemaligen Bürgermeistern und Staatsdienern, darunter auch der ehemalige Verteidigungs- und Innenminister Thomas de Maiziere.

Die Macher des Films, die für den MDR bereits die klug gebauten und mit unterhaltsam kreativen Grafiken und Animationen versehenen Dokumentationen "Wem gehört der Osten?" und "Wer braucht den Osten?" realisierten, haben auch diesmal ein kluges Primetime-Programm gebastelt, das nicht nur polemisiert, sondern seine Thesen mit wissenschaftlichem Zahlenwerk unterfüttert.

Stimmt es wirklich, dass wir heute weitgehend ohnmächtig sind, wenn wir etwas im Land verändern wollen? Und: War es früher denn anders? Tatsächlich stellt der Film fest: Immer mehr entscheidet das Einkommen, wie viel Einfluss man haben kann. Bedeutet das im Umkehrschluss: In Deutschland herrscht keine wirkliche Demokratie?

Überhaupt: die Demokratie. Mit ihr schien nach dem Zweiten Weltkrieg die beste Regierungsform gefunden. Demokratie und Bundesrepublik Deutschland – zwischen diese beiden Worte passte lange kein Blatt, das war lange der Grundkonsens in der Bundesrepublik. 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR scheint es so, als würde diese eherne Überzeugung immer mehr infrage gestellt.

Über die klassischen Parteien lässt sich kaum noch etwas bewegen, die Macht wechselt zu Interessenverbindungen. Zwar ist die Zustimmung zur Idee der Demokratie immer noch hoch, doch die Zufriedenheit mit den politischen Verhältnissen in Deutschland bröckelt.

Der Staat habe in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu viel Macht abgegeben, glauben einige Experten. Erst jetzt erkennt man, dass Privatisierung und Delegation von Staatsverantwortung auf die Privatwirtschaft auch zur Schwächung dieses Staates beigetragen haben. "Ich möchte, dass in diesem Land gewählte Politiker entscheiden und das letzte Wort haben. Nicht die Wirtschaft, nicht das Geld", sagt der ehemalige Spitzenpolitiker Thomas de Maiziere. Schön wäre es, wenn es so käme.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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