Janina Hartwig wäre gerne so mutig wie Schwester Hanna
Seit 14 Jahren kabbelt sich Janina Hartwig als Klosterschwester Hanna mit Fritz Wepper als Bürgermeister Wolfgang Wöller. Die Hauptdarstellerin von "Um Himmels Willen" kennt das Geheimnis des Erfolgs.
Ganz im Stil von "Don Camillo und Peppone" erzählt die ARD-Serie "Um Himmels Willen" nun schon seit 17 Jahren von der Dauerfehde zwischen Kirche und Politik. Am Dienstag, 7. Januar, 20.15 Uhr, startet die moderne Variante des italienischen Klassikers in die sage und schreibe 19. Staffel. Noch immer sind es Klosterschwester Hanna (Janina Hartwig) und Bürgermeister Wolfgang Wöller (Fritz Wepper), die sich ständig in die Haare bekommen – sich aber auch jedes Mal wieder versöhnen. Seit 14 Jahren schlüpft Hauptdarstellerin Janina Hartwig in das Nonnenkostüm – doch wie fühlt sich das eigentlich an? Im Interview verrät die 58-Jährige auch, welche Erfahrungen sie mit Nonnen machte und wie die Serie junge Menschen beeinflusst.
prisma: Sie spielen seit 14 Jahren die Klosterschwester Hanna in "Um Himmels Willen". Stehen Sie regelmäßig mit Nonnen in Kontakt?
Janina Hartwig: Natürlich, immer wieder. In der Vorbereitung habe ich mich wieder viel mit Nonnen unterhalten und verschiedenste Klöster besucht. Es gehört für mich einfach dazu, dass ich mir als Schauspieler die Hintergründe einer Rolle erarbeite.
prisma: Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Hartwig: Ich durfte erleben, dass es auch in einem echten Kloster menschelt. Es ist wie ein kleiner Mikrokosmos mit vielen unterschiedlichen Charakteren. Für mich war vor allem spannend zu hören, warum sich die Frauen für den Weg ins Kloster entschieden haben. Und ich habe sie auch nach Alltäglichkeiten gefragt, ob sie zum Beispiel Sport machen, und was sie dabei tragen. "Na ja, Sportzeug", meinten sie. Oder welche Tasche Sie tragen. Eine etwas jüngere Nonne sagte, sie brauche immer ihre Hände frei, sie habe einen Rucksack. Das fand ich toll und habe das für Schwester Hanna übernommen.
prisma: Gehen Sie auch in die Kirche?
Hartwig: Ja, natürlich. Weil wir in einem christlichen Abendland leben, und da gehört es für mich zur Allgemeinbildung dazu. Ich bin zwar als DDR-Kind nicht gläubig erzogen worden und bin keiner Konfession anhängig. Aber ich glaube schon, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die wir uns nicht mit unserem menschlichen Verstand erklären können. Ich sage Schicksal oder Energie dazu.
prisma: In der Serie treten Novizinnen auf, die auch noch recht jung sind. In den echten Klöstern sieht es mit Nachwuchs aber eher mau aus. Woran liegt das?
Hartwig: Für junge Frauen ist das in der heutigen Zeit sehr ungewöhnlich, sich für ein Leben für Gott zu entscheiden. Manche haben ein bestimmtes Schicksal hinter sich, das sie dazu bringt, diesen Weg zu gehen. Das ist eine Entscheidung für ein Leben. Aber die muss auch wieder geändert werden können.
"Wir enden immer positiv"
prisma: Es wenden sich immer mehr Menschen von der Kirche ab. Wie erklären Sie sich da den jahrelangen Erfolg von "Um Himmels Willen"?
Hartwig: Wir machen keine Dokumentation über das Leben in einem Kloster. Wir erzählen Geschichten von Menschen mit ihren Schicksalen und Problemen, an einem Ort namens Kaltenthal, wo auch ein Kloster steht. Die Zuschauer können sich darin wiederentdecken. Sie sehen bestimmte Charaktere, die sie an sich, ihren Nachbarn oder ihren Kommunalpolitiker erinnern. Sie sehen das Leben der Nonnen, die in einer Gemeinschaft leben und sozial sind, und das gefällt ihnen. Und was den Erfolg ganz sicherlich auch ausmacht: Wir enden in jeder Geschichte immer positiv. Natürlich wissen wir, dass das im realen Leben nicht immer so ist, aber wir wollen die Leute mit einem positiven Gefühl entlassen. Wir arbeiten mit tollen Schauspielern und filmtechnisch auf höchstem Niveau. Das spürt ein Zuschauer.
prisma: Haben Sie schon mal gehört, dass die Serie jemanden motiviert hat, einem Orden beizutreten?
Hartwig: Ich finde das ganz spannend: Ich kriege manchmal Autogrammpost von jungen Mädchen, die zwischen 15 und 17 Jahre alt sind. Sie sind auf der Suche nach einem Inhalt, einer Richtung, einem Ziel, einem Weg. Sie fühlen sich scheinbar durch die Darstellung meiner Figur angesprochen und machen sich Gedanken darüber, dass man auch so einen Weg gehen könnte. Wenn ich antworte, dann schreibe ich, dass das ein absolut individueller Weg ist, der natürlich immer geführt sein muss von einem Glauben.
prisma: Wird man seiner Rolle ähnlicher, wenn man eine Rolle so lange spielt?
Hartwig: Nein (lacht). Ich bin so, wie ich bin, und Schwester Hanna ist so, wie sie ist. Ich versuche als Schauspielerin einiges von mir in die Rolle einfließen zu lassen. Ich gehe meinen Lebensweg und sammele Erfahrungen, die ich dann in meine Rollen einbinden kann. Ich wäre gerne so mutig und kämpferisch wie Schwester Hanna, das wäre schön. Aber das ist nun mal die Figur, die ich so spiele, wie ich sie verstehe. Das bin nicht ich.
prisma: Als Schwester Hanna tragen Sie ein Nonnenkostüm. Was macht das mit Ihnen?
Hartwig: Für Schauspieler ist das Kostüm grundsätzlich extrem wichtig für die Rollenfindung. Als ich die Rolle der Schwester Hanna übernahm, habe ich mir genau überlegt, wie sie sich bewegt. Privat bewege ich mich ganz anders als Hanna sich bewegt. Da hilft das Kostüm sehr.
prisma: Wie ist es, eine so lange Zeit mit dem gleichen Team zu arbeiten?
Hartwig: Ich liebe das. Das ist wie nach Hause kommen. Wir sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Es wurden Kinder geboren, es sind Menschen gestorben, es wurde geheiratet und es gab Trennungen. Man lernt sich sehr gut kennen in dieser langen Zeit, und wir haben echtes Glück, dass wir ein tolles Team sind.
prisma: Machen Sie auch privat etwas gemeinsam?
Hartwig: Eher weniger. Manche aus dem Team schon, aber ich habe oft nicht die Zeit dazu. So ein Drehtag mit An- und Abreise kommt schon mal auf seine zwölf Stunden, und danach muss man den nächsten Drehtag vorbereiten und den Text lernen. Und dann habe ich ja auch noch Familie und Freunde.
prisma: "Um Himmels Willen" ähnelt sehr dem Klassiker "Don Camillo und Peppone" ...
Hartwig: Absolut. Damals in der Entwicklung vor 19 Jahren war das der Anhaltspunkt.
prisma: Haben Sie die Filme gesehen?
Hartwig: Ganz früher. Später habe ich mal reingeschaut, aber irgendwann habe ich mir gesagt, dass das so anders ist. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen.
prisma: Dann helfen die Filme nicht zur Vorbereitung?
Hartwig: Doch, doch. Fritz Wepper und ich haben uns das ganz klar erarbeitet. Wenn die zwei streiten, dann immer auf einem positiven Grund. Selbst wenn der Streit aggressiv ist, steckt immer ein Quäntchen Liebe drunter. Die beiden mögen sich ja eigentlich. Sie können nicht miteinander, aber sie können auch nicht ohne einander.
"Es macht einen sehr viel demütiger und dankbarer"
prisma: Als Schwester Hanna nehmen Sie sich die Nöte und Sorgen der Mitmenschen an. Kommen die Menschen auch privat gerne zu Ihnen, wenn sie Probleme haben?
Hartwig: Aus meinem Freundeskreis mit Sicherheit, ja. Ich habe auch mit meinen Kindern ein gutes Vertrauensverhältnis. Das ist mir sehr wichtig. Außerdem versuche ich, mich im sozialen Bereich zu engagieren. Ich unterstütze als Projektpatin den "Wünschewagen", das ist ein Krankenwagen vom Arbeiter Samariter Bund, der sterbenden Menschen einen letzten Wunsch erfüllt.
prisma: Wie oft sind Sie dabei, wenn den Menschen vom "Wünschewagen" ein letzter Wunsch erfüllt wird?
Hartwig: Während meinen Dreharbeiten viel zu wenig. Wir sind aber mittlerweile ein Team von über 60 ehrenamtlichen Mitarbeitern. Was uns fehlt, sind Rettungssanitäter. Es muss immer ein Rettungssanitäter dabei sein, das ist schwierig. Aber es ist bis jetzt noch nicht passiert, dass wir deswegen eine Fahrt nicht zustande bekamen. Es muss leider oft sehr schnell gehen, weil den Sterbenden meistens wenig Zeit bleibt.
prisma: Haben die Erfahrung Ihnen auch in privater Hinsicht geholfen, mit dem Tod umzugehen?
Hartwig: Es macht einen sehr viel demütiger und dankbarer.
prisma: Gibt es eine Geschichte, die Sie besonders berührt hat?
Hartwig: Da gibt es so viele! Ich bin zum Beispiel unsere hundertste Fahrt mitgefahren, auf der ein Wunsch von einer Frau in meinem Alter erfüllt wurde, die Brustkrebs im Endstadium hatte. Sie wollte einfach nur noch mal an den Spitzingsee. Die ganze Familie war dabei, und wir haben Kerzen angezündet, Nikolausmützen aufgesetzt und gemeinsam Weihnachtslieder gesungen. Das war höchst berührend, das war eine sehr schöne Fahrt. Aber es gibt auch Fahrten, da brauchen selbst unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter hinterher eine Betreuung, wo sie sich aussprechen können, vor allem, wenn man Kinder fährt.
prisma: Mit der "Welthungerhilfe" waren Sie in Sierra Leone. Was hat das in Ihnen ausgelöst?
Hartwig: Das war eine unfassbar spannende Reise. Sierra Leone ist eines der zehn ärmsten Länder dieser Welt. Das Land war extrem gebeutelt durch einen brutalen Krieg im eigenen Land und die Ebola-Epidemie direkt danach. Die "Welthungerhilfe" leistet grundsätzlich Hilfe zur Selbsthilfe. Sie versucht, den Menschen beizubringen, wie sie sich selber helfen können, um irgendwann wieder alleine auf eigenen Beinen zu stehen. Das ist ein sehr spannendes Projekt. Und die Menschen waren so unglaublich freundlich, und die Kinder waren zum Niederknien.
prisma: Jetzt startet die 19. Staffel von "Um Himmels Willen" im Fernsehen. Ist ein Ende in Sicht?
Hartwig: Ich hoffe nicht.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH