Kommissar in ARD-Reihe "Über die Grenze"

Thomas Sarbacher wünscht sich mehr "Kopfkino"

von Eric Leimann

Thomas Sarbacher, 1961 in Hamburg geboren, gehört zu den fleißigen Nebendarstellern des deutschen Fernsehens. Einem breiteren Publikum wurde der kernige Mime als Hauptdarsteller der hochgelobten SAT.1- Krimiserie "Der Elefant" bekannt, die zwischen 2003 und 2006 produziert wurde. Im beeindruckenden Krohmer/Nocke-Film "Die fremde Familie" spielte Sarbacher 2011 den Mann Katja Riemanns. Nun dürfte sich der Bekanntheitsgrad des 56-Jährigen, der mit seiner Frau und zwei Töchtern in Zürich lebt, deutlich steigern.

In der neuen ARD-Krimireihe "Über die Grenze" (Donnerstag, 7. und 14.12., 20.15 Uhr) spielt er den Chef einer deutsch-französischen Polizeieinheit in der badischen Grenzregion. Das Format will sich von den auf diesem Sendeplatz üblichen Postkartenmotiv-Krimis durch eine thrillerhafte und emotional dunkle Erzählweise abgrenzen. Im Interview spricht Thomas Sarbacher über seine Lust auf exzessive Leseabende und deutsches Fernsehen, das viel zu viele Worte braucht.

prisma: Sie spielen den Chef eines deutsch-französischen Ermittlerteams im Grenzgebiet. Wie gut ist ihr privates Französisch?

Thomas Sarbacher: Es geht, ich gebe mir Muhe. Meine Frau ist zur Hälfte Italienerin. Wir leben in der Schweiz, die meisten Urlaube finden in Italien statt. Ich muss aufpassen, die Vokabeln nicht zu verwechseln. Ich kann aber grundsätzlich Französisch.

prisma: Gibt es die deutsch-französische Polizeieinheit aus "Über die Grenze" wirklich?

Sarbacher: Ja, das haben wir uns nicht ausgedacht. Die Einheit existiert tatsächlich. Natürlich ist die Idee dahinter, bei Ermittlungen im Grenzgebiet unbürokratisch und schnell handeln zu können. Ohne Reibungs- und Zeitverluste, die durch nötige Absprachen mit der anderen Behörde immer wieder auftreten.

prisma: Und diese Einheit ist wie im Film im badischen Kehl stationiert?

Sarbacher: Ja, in der Region passiert relativ viel. Man hat es mit Schmuggel, Glücksspiel und Prostitution zu tun. Glücksspiel zum Beispiel ist in Frankreich verboten. Unterschiedliche Gesetzeslagen erzeugen kriminelle Energie.

prisma: Sie haben in der Region gedreht. Inwiefern spurt man die Grenze dort?

Sarbacher: Kehl wirkt wie ein kleines Eldorado. Die Hauptstraße ist voll mit Kneipen, Bars und Glücksspielautomaten. Dennoch finde ich nicht, dass die Region unser Hauptdarsteller ist. Ich fand es erholsam, dass wir nicht gezwungen waren, immer noch die Landschaft miterzahlen zu müssen. Dafür haben wir eine starke Geschichte, die von gut erzählten Figuren getragen und vorangetrieben wird.

prisma: Ist geplant, in der Serie etwas über die Unterschiede zwischen Deutschen und Franzosen zu erzählen – über die Polizeiarbeit?

Sarbacher: Nein, jedenfalls wird es so bislang nicht thematisiert. Wir bleiben erst mal beim Individuellen. Der französische Ermittler arbeitet anders als der Deutsche. Und die beiden haben eine gemeinsame Geschichte, in deren Verlauf sie sich zerstritten haben. Jetzt begegnen sie sich wieder und müssen zusammenarbeiten.

prisma: Man kennt sie durch die gelobte SAT.1-Krimiserie "Der Elefant". Die wurde jedoch schon 2006 eingestellt. Seitdem haben Sie keinen Ermittler mehr gespielt ...

Sarbacher: Ja, eigentlich erstaunlich, aber es ist so! "Über die Grenze" fand ich gut, weil es kein klassischer Ermittler-Krimi ist. Ich wurde das eher als Polizeifilm oder Thriller bezeichnen. Die Beziehungen zwischen den Figuren sind sehr engmaschig. Dadurch gibt es einen stark emotionalen Boden. Der Fall wird nie pur verhandelt, was dem Ganzen eine andere Intensität verleiht.

prisma: Der erste Film erzählt eine Jagd auf zwei Verbrecher, die eine junge Polizistin – Ihre Tochter – als Geisel genommen haben.

Sarbacher: Genau. Es geht nicht um die Frage, wer ist's gewesen, sondern einfach nur darum, jemanden zu kriegen. Dadurch ist der Film nicht so gesprächslastig. Er wird viel mehr von der Handlung bestimmt.

prisma: Der zweite Film läuft eine Woche später. Bleibt die Reihe dem Prinzip Thriller statt Krimi treu?

Sarbacher: Der zweite Film fängt da an, wo der erste endet. In der Fortsetzung geht es um die Hintergrundgeschichte des deutschen und des französischen Polizisten, die eine gemeinsame Vergangenheit haben. Wir erzählen darin stringent und fortlaufend diese schicksalhaft miteinander verbundenen Figuren. Ich hoffe, dass die Reihe mit diesem Stil weitermacht. Falls es weitergeht ...

prisma: Sie sind schon länger im Film- und TV-Betrieb dabei. Was treibt Sie persönlich an als Schauspieler?

Sarbacher: Tatsächlich der Wunsch, Geschichten zu erzählen. Deshalb mache ich ausschließlich Projekte, die mit guten Geschichten zu tun haben. Alle Anfragen, wo die gute Geschichte fehlt, lehne ich mittlerweile ab. Es hört sich vielleicht komisch an, weil es mein Job ist und ich damit mein Geld verdiene. Aber ich habe mir ein breites Betätigungs-Spektrum aufgebaut. Ich mache ganz viele Lesungen mit Literatur. Gute Literatur erzählt immer gute Geschichten.

prisma: Was lesen Sie auf der Bühne?

Sarbacher: Ein Jahr lang habe ich Geschichten aus arabischen und afrikanischen Ländern erzählt, von arabischen und afrikanischen Autorinnen und Autoren. Das hat mich sehr beschäftigt, je länger es im Zusammenhang mit den Flüchtlingsbewegungen in der öffentlichen Wahrnehmung nur noch um Zahlen, Kontingente und dergleichen ging. Ich habe mich auf die Suche nach Geschichten gemacht, die etwas über das Leben der Menschen erzählen, das sie Knall auf Fall zurücklassen mussten. Damit man die Gesichter, die jeden Abend in den Nachrichten zu sehen sind, mit diesen Geschichten in Verbindung bringt und wenigstens ansatzweise begreift, was diese Menschen durchmachen. Zuletzt habe ich eines meiner Lieblingsbücher an acht Abenden erzählt, "Meister und Margarita" von Bulgakow. Und diesen Herbst erzähle ich die "Odyssee", ebenfalls an acht Abenden.

prisma: In acht Sitzungen ein Buch vorzulesen, könnte man fast schon als Lesemarathon bezeichnen. Was geben Ihnen diese Abende?

Sarbacher: Im Prinzip ist es die einfachste Art, Theater zu machen. Man setzt sich hin und erzählt dem Publikum über zwei Stunden eine Geschichte. Dabei vertraut man auf ihre Kraft – weil man selber von ihr überzeugt ist.

prisma: Es braucht Selbstbewusstsein, auf alles Beiwerk einer Inszenierung zu verzichten und rein auf die eigene Stimme zu vertrauen, oder?

Sarbacher: Es ist schon etwas anderes als Schauspiel auf der Bühne. Und es ist etwas ganz anderes, als einen Film zu drehen. Ich weiß nicht, ob ich besonders selbstbewusst bin. Ich bilde mir ein, etwas darüber gelernt zu haben, wie man jenen magischen Moment, den man beim Lesen von guten Texten erlebt, für beide Seiten erzeugt.

prisma: Sie meinen, der eigentliche Film entsteht im Kopf?

Sarbacher: Es ist immer das Wort, das verführt. Ich war früher an der Bremer Shakespeare Company. Da gab es eine Szene in einer unserer Inszenierungen von "Wie es euch gefällt", in der Shakespeare den Narren sagen lässt: "Dies ist der Wald von Arden". Dabei steht er vor dem geschlossenen Vorhang aufseiten des Publikums und schaut durch den Spalt auf die verhüllte Bühne. Wenn der Vorhang später aufgeht, sieht man die Bühne schwarz und leer. Das jedoch ist egal, weil zu diesem Zeitpunkt in den Köpfen der Zuschauer längst der Wald von Arden hinter dem Vorhang entstanden ist. Ich mache nichts anderes, wenn ich Geschichten vorlese.

prisma: Viele Kritiker sagen, dass in deutschen TV-Filmen zu viel erklärt wird und man zu wenig auf die Vorstellungskraft des Zuschauers baut. Benutzen wir im Fernsehen die falsche Sprache oder einfach zu viele Worte?

Sarbacher: Beides vielleicht. Man muss unterschieden. Es ist etwas völlig anderes, ob ich auf einer Bühne einen starken Text vorlese oder in einem Film sage: "Ich fühle mich schlecht." Oder: "Ich bin unglücklich, weil du mich nicht mehr liebst." Letztere Art Sprache brauche ich natürlich nicht. Da wird etwas anderes vom Spiel verlangt – weil man die Worte eher lebendig kriegen muss. Ich bin aufseiten derer, die sich beschweren, dass im Film viel zu viel erzählt wird. Letztendlich geht es um die Frage, wie man einen Dialog schreibt. Wenn ich Autor wäre, würde ich mir zuerst die Frage stellen, wie ich eine Figur erzählt bekomme über das, was sie nicht sagt. Im Film habe ich ja das Bild, jeder kann die Figur sehen. Die Spannung zwischen zwei Protagonisten entsteht immer dadurch, dass jeder von ihnen etwas will. Ein Autor muss überlegen, wie er diese Wünsche in Szene setzt. Die Wünsche einfach auszusprechen, wäre nicht besonders künstlerisch oder spannend – weil es dann wie eine Situation beim Bäcker ist. Nach dem Motto: "Ich hätte gerne fünf Brötchen."

prisma: Man hat in vielen Filmen das Gefühl, Sprache und Spiel ergänzen sich nicht. Statt dessen sieht man, wie Dialoge das Gesehene nochmals wiederholen oder kommentieren.

Sarbacher: Genau, das ist ein Problem und sorgt für schlechte oder bestenfalls mittelmäßige Filme. Es gibt eine verbreitete Angst unter Autoren, die fürchten, etwas nicht ausreichend erklärt zu haben. Ob dieser Angst schlechte Erfahrungen mit Redakteuren oder Produzenten zugrunde liegt, kann ich nicht sagen, aber ich vermute es.

prisma: Haben wir Deutschen es verpasst, in Drehbüchern auf Fantasie des Zuschauers zu vertrauen?

Sarbacher: Ich habe mich aus dieser Debatte ausgeklinkt, weil ich ein bisschen die Hoffnung verloren habe, dass es besser wird. Mir machen viele Dinge, die ich lese oder sehe, tatsächlich keinen Spaß. Ich glaube, es gibt zum einen die Angst, etwas anders zu machen, als man es bisher getan hat. Man orientiert sich immer an dem, was schon Erfolg hatte und fährt auf dieser Schiene, bis es nicht mehr geht. Die andere Erklärung ist, dass es bei uns tatsächlich zu wenige Handwerker gibt, die wissen, wie man mit Lücken arbeitet, die trotzdem den Wald von Arden und ähnliche Bilder im Kopf entstehen lassen. Ich glaube, zu viele Autoren probieren herum, weil sie nicht wissen, was sie wollen. Kunst hat immer auch mit wollen zu tun. Es reicht nicht, wenn der einzige Wunsch ist, beim Betrieb mitmachen zu dürfen. Man muss eine Vision haben und sie umsetzen, auch gegen Konventionen und Widerstände. Nur so geht es meiner Meinung nach.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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