"Tatort: Tollwut" – Schauermär aus dem Knast
Im Knast grassiert das Tollwut-Virus. Wer hat es eingeschleust? Beim Versuch, das herauszufinden, trifft Faber auf seinen Imtimfeind Graf. Die Dortmunder Schauermär ist der vierte Gewinner bei der Abstimmung zum "Wunsch-'Tatort'".
Vielleicht weil im jüngsten Dortmunder "Tatort", der Folge "Monster" vom Februar 2020, zum dritten Mal Superbösewicht Markus Graf (Florian Bartholomäi) auftrat, hat sich das ARD-Wahlvolk nun an ihn erinnert. Im elften Dortmunder "Tatort" – der Episode "Tollwut" vom Ferbruar 2018 – war der mutmaßliche Mörder von Kommissar Fabers (Jörg Hartmann) Frau und Tochter zum zweiten Mal zu sehen. Vielleicht passt der Virus-Schocker aber auch einfach gut zur Pandemielage.
Der wenig sommerliche Fall beginnt wie ein Horrorfilm. Ein korpulenter Mann liegt gefesselt im Nachthemd auf einem Krankenbett. Plötzlich durchfahren ihn schlimmste Qualen und Zuckungen. Unter Stöhnen quillt grüner Schaum aus dem Mund. Der Gefängnisarzt setzt noch zur Herzmassage an, doch vergebens, der Mann, ein inhaftierter Straftäter, ist nicht zu retten. Eigentlich, denkt man sich, müsste jetzt ein Exorzist anrücken, und so ähnlich kommt es dann auch. Peter Faber, der Ruhrpottrüpel, der mit jeder neuen Mordermittlung immer auch den eigenen Wahnsinn auszutreiben versucht, nimmt sich der Sache an.
Der Regisseur Dror Zahavi, der mit dem Knast-Schocker "Franziska" (2014) einen denkwürdigen Kölner Gefängnis-"Tatort" schuf, hat sich diesmal mit der Dortmunder Mannschaft hinter schwedischen Gardinen verschanzt. Gedreht wurde aber nicht im Pott, sondern in Magdeburg, in den Gängen und Zellen der 2013 stillgelegten JVA im Stadtteil Sudenburg. Ein bizarrer Bau aus dem frühen 20. Jahrhundert, der trefflich zur Geschichte passt. Denn in "Tollwut" geht es weniger um knallharten Knacki-Realismus als vielmehr um eine kunstvoll überhöhte Schauermär.
Während für Nora Dalay (Aylin Tezel) alle Indizien auf den albanischstämmigen Mafioso Tomek Kodra (Murathan Muslu) deuten, sieht Kollege Faber ein maliziöses Genie am Werk. Schließlich sitzt in Dortmund sein Intimfeind Markus Graf (Florian Bartholomäi) ein. Der kultiviert auftretende Serienverbrecher wurde in der "Tatort"-Folge "Auf ewig Dein" (2014) monströser Taten überführt, nicht aber des Doppelmordes an Fabers Frau und Tochter, der aber wohl auch auf sein Konto geht. In seiner Zelle pinselt der finstere Psycho nun Ölgemälde von Fabers Tochter in Lolita-Pose. Ein abgründiges Duell nimmt seinen Lauf. Dem Kommissar entgleitet die Kontrolle zusehends.
Ausladend viel wird in diesem fahl ausgeleuchteten Klaustrophobiekrimi Bezug genommen auf Dinge, die zuvor geschahen. Dass Faber einen Gegenspieler wiedertrifft, der zuletzt vor drei Jahren auf den Plan trat, verlangt dem Publikum viel Erinnerungsvermögen ab – sowie die Bereitschaft, die Einzelstückreihe "Tatort" wie eine moderne Serie zu begreifen. Dass das Drehbuch von Jürgen Werner den bodenständigen Rurhpottboden zugunsten einer schauerlichen Fantasiegeschichte verlässt, mag man diskutabel finden, Langeweile kommt in 90 Minuten allerdings keine auf. Markus Graf ist ein gegelter Superschurke wie Professor Moriarty, Faber ein überheblicher Hasardeur wie der Serien-Sherlock-Holmes von Benedict Cumberbatch. Das allerdings vor dem Hintergrund einer persönlichen Tragödie. An seinen Narben sollt ihr ihn erkennen.
In diesen Tagen wurde bekannt, wer die aus dem Dortmunder Team ausscheidende Aylin Tezel ersetzen soll: Es wird Stefanie Reinsperger sein, die bislang vor allem Theaterfachleuten bekannt ist. Bei Auftritten am Wiener Burgtheater, im Schauspielhaus Düsseldorf oder beim Berliner Ensemble hinterließ die 32-Jährige derart bleibende Eindrücke, dass sie 2015 gleichzeitig als "Nachwuchsschauspielerin des Jahres" und "Schauspielerin des Jahres" von "Theater heute" (eine Art deutschem Theater-Oscar) ausgezeichnet wurde. 2021 wird sie erstmals in einem neuen Dortmunder Fall zu sehen sein.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH