Schauspieler aus Wien

Peter Weck wird 90: Der Mann mit den vielen Karrieren

Er spielte mit Romy Schneider in "Sissi", erfand das Musical "Cats" auf Deutsch und brillierte an großen Theatern in dramatischen Rollen. Zu seiner bekanntesten Rolle kam Peter Weck über Umwege. Nun wird er 90 Jahre alt.

Wer in Deutschland zur mittelalten Generation zählt, sagen wir zwischen Mitte 30 und 50 ist, kennt Peter Weck als damals schon grau melierten Vater aus der ZDF-Erzählung "Ich heirate eine Familie". Zwischen 1983 und 1986 liefen gerade einmal 14 Episoden der Familienserie, die in der gefühlten Wahrnehmung sehr viel epischer in Erinnerung ist. Bis zu 21 Millionen Zuschauer schauten damals zu. Eigentlich war der Wiener Peter Weck für dieses Projekt nur als Regisseur vorgesehen. Harald Juhnke sollte jenen Werbegrafiker spielen, der im leicht vorgerückten Alter eine Frau mit drei Kindern heiratete – die von der wirklich bezaubernden Thekla Carola Wied gespielt wurde. Doch die Redaktion traute dem wegen seiner Alkoholsucht angeschlagenen Juhnke den Marathon einer Serie nicht zu. Also fragte man den Regisseur, der damals schon auf eine lange Schauspielkarriere – unter anderem an der Seite von Romy Schneider, Hans Moser oder Theo Lingen – zurückblickte. Am Mittwoch, 12. August 2020, wird Peter Weck 90 Jahre alt. Er hat sich erstaunlich gut gehalten.

Jene fünf oder sechs Karrieren, die Peter Weck erlebte, würden normale Menschen auch einzeln betrachtet auf ein erfolgreiches berufliches Schaffen zurückblicken lassen. Weck war noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs Solist bei den Wiener Sängerknaben, später Schauspielschüler am Max Reinhardt-Seminar und Ensemblemitglied des berühmten Wiener Burgtheaters. Er brillierte als Publikumsliebling im Unterhaltungskino der 50-er und 60-er-Jahre, spielte ernsthafte Rollen an viele großen Bühnen und holte als erster "Cats" und andere Erfolgs-Musicals in den deutschsprachigen Raum. Über viele Jahre war er erfolgreicher Theater-Intendant in seiner Heimatstadt Wien. Eigentlich ein Hochbegabter, der seinen Erfolg jedoch mit großer Leichtigkeit präsentierte. Jenes Düstere und Sarkastische, auch den klassischen "Schmäh" vieler seiner Wiener Künstlerkollegen, lebte Weck nur in geringen Dosen. Stattdessen ließen ihn sein bodenständiger Charme, ja auch eine gewisse Ernsthaftigkeit und Wertschätzung seinen Mitmenschen gegenüber, zum österreichischen Volksschauspieler werden.

Tatsächlich schien alles im Leben von Peter Weck immer irgendwie bis ziemlich gut zu funktionieren. Auch privat passte es. Der Sohn eines Ingenieurs und Erfinders, der vor der Schauspielschule eine klassisches Musikstudium abbrach, heirate im Juni 1967 das Model Ingrid Muttone, mit der er eine Tochter und einen Sohn bekam. Bis zum überraschenden Herztod seiner deutlich jüngeren Frau 2012 waren die beiden fast 45 Jahre verheiratet. Nach dem Tod Ingrids zog sich Weck für zwei Jahre komplett aus der Öffentlichkeit zurück. Eine Zeit, die der sanfte Workoholic im Nachhinein als wichtig, aber auch grausam bezeichnete. "Man muss am Leben teilnehmen, um es zu spüren", sagte er ein paar Jahre danach in einem Interview.

In letzter Zeit – vor Corona, versteht sich – sah man Peter Weck, 89, sogar wieder auf der Bühne. An der Seite Friedrich von Thuns spielte er in München den Boulevard-Klassiker "Sunny Boys". Um den Jahreswechsel 2019 / 2020 herum hätte man die "Komödie im Bayerische Hof" wohl noch deutlich länger als die vorgesehenen sechs Wochen ausverkaufen können. Menschen aus ganz Deutschland fragten nach Karten, um den großen alten Peter Weck – vielleicht ein letztes Mal – auf der Bühne zu sehen. Tatsächlich weiß man mit fast 90 Jahren nicht, ob und wie Leben und Arbeit noch eine Weile weitergehen. Weck verbringt die meisten Tage immer noch in Wien. Sein Haus, in dem er mit Frau und Familie lebte, hat er der schweren Erinnerungen wegen verkauft.

Dass er sich immer noch ziemlich fit fühlt, lässt sich wohl nicht nur auf gute Gene, sondern auch eine gesunde Mischung aus Disziplin und Lebensfreude zurückführen. Einerseits isst und trinkt der Mann gerne – vom Gault-Millau wurde er 1993 zum "Feinschmecker des Jahres" gewählt – andererseits meldete er sich mit 85 Jahren noch als Einsteiger in einem Fitness-Studio an. "Ich will kein Bodybuilder mehr werden", sagte er 2019 in einem Fernseh-Interview, "aber ich gehe da etwa einmal pro Woche hin. Der Grund war, dass ich davor gesehen hatte, wie ich gehe – und ich bin erschrocken. Kann man da nichts machen, fragte ich beim Studio. Ja, man kann, hieß es. Und die Tatsache, dass ich immer noch hingehe, beweist ja, dass es stimmt."

"Ich habe spät gelernt, im Moment zu leben"

2014, zwei Jahre nach seinem Totalrückzug, spielte Peter Weck im bösartigen Wiener "Tatort" mit dem Titel "Paradies" den verzweifelten Bewohner eines Altersheims. Es war seine erste Rolle nach dem depressiven Durchhänger eines Mannes, der sich zuvor ein Leben lang von einem Projekt ins nächste gestürzt hatte. Damals antwortete er im Interview mit der Agentur teleschau auf die Frage, ob ihm diese Erfahrung gelehrt habe, im Moment zu leben: "Ich konnte eigentlich nie gut den Moment auskosten. Jetzt traf mich zum ersten Mal im Leben der Moment so hart, dass ich total gebremst wurde. Da ging dann auch nichts mehr. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren, deshalb nahm ich auch keine Arbeit mehr an. Man kann sagen, ich habe spät gelernt, im Moment zu leben."

Dass er einmal alleine zurückbleiben würde, hätte er sich bei einer zwölf Jahre jüngeren Frau nie gedacht – auch wenn er mittlerweile sagt, er habe an sein altes Single-Lieben anknüpfen gelernt. Nach dem Tod Ingrids lebte Peter Weck wochenlang bei Freunden, weil er nicht alleine im Haus sein konnte. Nun hat er längst wieder eine eigene Wohnung in Wien. Die Operndiva Anna Netrebko ist seine Nachbarin. "Weg ist der Schmerz nie, aber er fühlt sich irgendwann anders an", reflektiert er die Verarbeitung seines Verlustes.

In jungen Jahren spielte Peter Weck auf Bühnen und in Unterhaltungsfilmen oft tollpatschige bis naiv gutwillige Liebhaber. Er sah gut aus, aber nicht so gut, dass man ihm das Scheitern nicht abnahm. Weck war ein gehobener Jedermann. Einer, mit dem man sich identifizieren konnte. Auch deshalb, weil ihm im Gespräch – bis heute – keine Frage zu profan, kein Fragesteller zu unwürdig erscheint. Der weißhaarige Gentleman ist mit knapp 90 Jahren immer noch ein exzellenter Zuhörer und Denker. Wäre er Deutscher, würde man ihn wohl ehrfürchtig als soldatischen Disziplin-Fanatiker bezeichnen. Früher wollte er nie gerne in den Urlaub fahren, zum Leidwesen seiner Frau. Er erhole sich am besten bei der Arbeit, bilanzierte er noch mit Mitte 80.

Vielleicht haben jenem Mann, der mit so viel Leichtem berühmt wurde – worüber er nicht immer glücklich war – gerade jenes Arbeits-Ethos und die Begeisterung für seinen Beruf so lange fit und lebendig gehalten. "Ich war immer jemand", reflektierte er in besagtem "Tatort"-Interview 2014, "der sich gefragt hat, warum er auf der Welt ist. Meine Antwort war: Damit ich etwas machen kann. Etwas, das mich und andere erfüllt. Wenn man so denkt, ist die Pflicht nicht weit weg. Ich habe für mich erkannt, dass die Aufgabe, die ich übernommen habe, offensichtlich noch nicht zu Ende ist. Deshalb bin ich jetzt dabei, sie zu Ende zu führen."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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