Leidenschaft und Coolness müssen in der Kunst keinen Gegensatz darstellen. Bestes Beispiel hierfür ist Bryan Ferry, dem ARTE wenige Monate nach seinem 75. Geburtstag eine Doku widmet.
Am 26. September ist Bryan Ferry 75 Jahre alt geworden, insofern kommt die ARTE-Dokumentation über Leben und Karriere der Artrock-Stilikone ein bisschen spät. Macht nichts, denn dem in Gesang, Wort und Aussehen ewig eleganten Englishman hört man auch anderthalb Monate nach seinem Geburtstag gerne dabei zu, wie er unaufgeregt und aufrichtig aus seinem Leben erzählt.
Als Spross einer liebevollen Arbeiterfamilie aus dem Kohlerevier rund um Newcastle upon Tyne durfte er kostenlos Kunst studieren, als ein Gesellschaftssystem diese Möglichkeit noch bereithielt. Aus dem passionierten Maler wurde bald ein noch ambitionierterer Musiker, geprägt von Old Time Jazz, Art Rock und neuartigen Noise Experimenten. Nach dem Studium zog Ferry schnurstracks nach London, wo er mit Freunden, Bekannten und über Anzeigen gefundenen Mitmusiker 1970 Roxy Music gründete.
Die Band kam gerade recht zum Glamrock-Boom. Ihr verführerischer Sound zwischen schwülstigem Kunst-Drama, kraftvollem Rock und seltsamen Sound-Experimenten, für den unter anderem der junge Brian Eno an den Keyboards verantwortlich war, sorgte für einen schnellen Aufstieg. Gleich mit der ersten Single "Virginia Plain" landeten Roxy Music auf Platz vier der britischen Hitparaden. Die Alben "Stranded" (1973) und "Country Life" (1974) gelten als Klassiker des Artrock-Genres. Neben seiner Arbeit mit Roxy Music hat Bryan Ferry zudem bislang 16 Soloalben aufgenommen, darunter zwei Retro-Jazz-Alben. Für "The Jazz Age" arrangierte er Solo- und Roxy-Music-Songs im Stil der 20er-Jahre neu – was ihm auch einen Auftritt und musikalische Features in der "Serie zur Musik", dem deutschen TV-Blockbuster "Babylon Berlin" verschaffte.
Auch wenn die – im Original französische – Doku von Catherine Ulmer – übrigens keine explizite Musik-Journalistin – nicht versucht, das Leben Bryan Ferrys zu überhöhen oder ihm eine "eigene " Geschichte zu verpassen – gerade dem unaufgeregten Erzählen wichtiger Lebensstationen durch Bryan Ferrys Off-Stimme zu wunderbaren Bildern von Auftritten oder Lebensereignisse aus sieben Jahrzehnten hört man gerne zu. Und man versteht ein bisschen, was die Faszination dieses Mannes neben seiner außergewöhnlichen Stimme und einem außergewöhnlichen Gespür für Eleganz ausmacht: Die "Gesangsstudien" Bryan Ferrys zeigen eine verblüffende Gleichzeitigkeit von Pop-Coolness und immenser Leidenschaft.
Man hört und sieht einen Musiker, der sich komplett in seine Kunst fallen lässt und dabei trotzdem ein großer Performer ist. Was folgert man daraus? Es hat schon seinen Sinn, dass manche Musiker zu Ikonen werden – und andere einfach nur gute Musik machen. "Bryan Ferry: Don't Stop The Music" feiert eines der vielleicht letzte Exemplar der ersten Kategorie.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH