11.11.2024 "Die Kaiserin" Devrim Lingnau im Interview

Sisis menschliche Seite

Von Sarah Hegemann
Sisi (Devrim Lingnau) und ihr Franz (Philip Froissant).
Sisi (Devrim Lingnau) und ihr Franz (Philip Froissant). Fotoquelle: Netflix

Devrim Lingnau ist ab dem 22. November in der zweiten Staffel der Netflix-Serie „Die Kaiserin“ als Elisabeth von Österreich zu sehen. prisma sprach mit der „Sisi“-Darstellerin über ihre Rolle.

Worauf dürfen sich die Zuschauer in der zweiten Staffel von „Die Kaiserin“ freuen?

Devrim Lingnau: Ich glaube, es wird eine interessante Fortführung der ersten Staffel. Viele Charaktere und Handlungsstränge setzen sich fort – es geht viel mehr ans Eingemachte. Ich habe das Gefühl, in der zweiten Staffel schauen wir noch einmal tiefer in die Seelen der Charaktere und auch deren Abgründe. Vor allem für Elisabeth dreht es sich viel um Beziehungsthemen und die Frage „Wie möchten wir als Kaiserin-Paar dastehen?“. Es ist natürlich eine Belastung für ein Paar, wenn man auf der einen Seite eine vermeintlich private romantische Beziehung führt und auf der anderen Seite damit ganz große repräsentative Zwecke erfüllen muss. Das ist eine Doppelbelastung, die die meisten von uns sich nicht vorstellen können.

Ist es für Sie leicht, mit Philip Froissant ein Paar zu spielen? Stimmte die Chemie auf Anhieb?

Ehrlich gesagt waren wir uns schon bei der ersten Begegnung beim Casting damals wohlgesonnen und hatten ein ehrliches Verständnis füreinander. Manchmal trifft man im Leben Leute, die man nicht kennt, aber man kann direkt mit ihnen auf einer anderen Ebene kommunizieren. So ging es Philip und mir, wir hatten einen sehr ehrlichen Austausch miteinander und konnten uns voreinander ohne große Berührungsängste öffnen. Das war ein super Fundament. Wir sind behutsam miteinander umgegangen und haben uns viel über unsere Figuren ausgetauscht. An diese tolle kollegiale Zusammenarbeit haben wir in der zweiten Staffel jetzt angeknüpft.

Es sind wirklich große Dinge, die gleich zu Beginn der neuen Staffel passieren – Stichwort: die Geburt. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Ich bin selbst keine Mutter, habe mich aber während der Vorbereitungszeit intensiv mit dem Thema Mutterschaft beschäftigt. Ich habe eine Freundin, die Hebamme ist, und mit ihr habe ich viel über die Phasen der Wehen während einer Geburt gesprochen. Die Geburtsszene, die recht lang ist, habe ich mir dann entsprechend dieser einzelnen Phasen strukturiert. Auch zum Thema Kindesverlust und dem Phänomen, das man sein Baby nach der Geburt erst einmal nicht sehen oder es annehmen kann, habe ich mich eingelesen. Franz geht es so nach der Geburt von Gisela. Das sind alles gesellschaftliche Tabuthemen, und ich finde es toll, dass wir diese Dinge aufgreifen und offenlegen. Denn es gibt nun einmal Eltern, die sich nicht mit ihren Kindern identifizieren. Und es gibt Geburten, die Frauen traumatisiert zurücklassen. Wir holen diese Themen aus der Tabu-Ecke und schauen uns an, wie Franz und Elisabeth das meistern.

Das sind schon einige Herausforderungen. Und als wäre das nicht schon genug, spielen Sie auch noch eine DER bekanntesten Frauen schlechthin. Wie schwer ist es, Sisi zu verkörpern?

Die größte Herausforderung für mich als Schauspielerin ist es, Elisabeth selber nicht immer auf so einem hohen Podest zu sehen. Ich muss sie mir nahbar machen. Ich muss sie für mich vermenschlichen, um ihr etwas Echtes im Spiel zu geben. Natürlich wird sie zurecht als Kaiserin glorifiziert, aber ich muss sie mir als junge, vulnerable Frau heranholen, um eine Beziehung zu ihr aufzubauen. Von diesem besetzen Bild, das wir von Kaiserin Elisabeth haben, muss ich sie ablösen. Sonst habe ich keine Freiheiten in der Interpretation.

Was macht für Sie Kaiserin Elisabeth aus? Wie war Ihr Bezug zu ihr vor der Serie?

Womit ich mich direkt verbinden konnte, war, dass sie so reisefreudig war. Sie war eine neugierige Person und für ihre Zeit so ungewöhnlich – sie ist geschwommen, geritten, mit Schiffen verreist, hat sich auf Reisen tätowieren lassen… Sie hatte so ein großes Freiheitsbedürfnis und so eine große Neugierde, das macht sie auch so erzählenswert. Mit ihrer Art und Weise, wie sie ihr Leben gelebt hat, kann sie Mut machen: Ich löse mich von Wertevorstellungen und lebe mein Leben so, wie ich es gerne möchte. Damit war sie mir immer ein großes Vorbild. Ehrlich gesagt habe ich mich damit aber auch erst mehr beschäftigt, als ich wusste, dass ich diese Rolle spielen würde. Die „Sisi“-Filme haben mich gar nicht so sehr angesprochen, das war mehr die historische Figur, die mich abgeholt hat. Nicht dieses Abziehbild von ihr, sondern ihre vermeintliche Fehlerhaftigkeit.

Wenn Sie eine Zeitreise machen und mit der echten Sisi sprechen könnten – worüber würden Sie sich unterhalten?

Ich würde sie fragen, was global gesehen ihre Wünsche für die Zukunft sind. Was sie glücklich macht und was sie traurig stimmt, wenn sie an die Zukunft denkt. Es würde mich interessieren, wie sie die Zukunft, in der wir ja gerade quasi leben, imaginiert.

Wie lange dauert es eigentlich, sich in Kaiserin Sisi zu verwandeln?

Ich komme morgen sehr früh ans Set, weil ich so eine lange Maskenzeit habe. Ich verbringe gut anderthalb Stunden in der Maske – ich muss meine Perücke aufbekommen, die Haartressen müssen rein und ich werde noch geschminkt. In der zweiten Staffel geht es Elisabeth an vielen Stellen sehr schlecht, deshalb habe ich oft Müdigkeit und Augenringe ins Gesicht gemalt bekommen (lacht). Danach kann ich frühstücken, bevor es ins Kostüm geht. Das dauert auch noch einmal einige Zeit: Ich muss die Corsage anziehen, darunter noch ein Leibchen, damit es auf der Haut nicht so scheuert. Darüber das Oberteil, vielleicht noch ein Jäckchen, Schmuck… Das sind so viele Schichten, das dauert mindestens noch einmal eine halbe Stunde. Auch die Schühchen – das sind keine, wo man einfach so reinschlüpfen kann, die müssen gebunden werden. Da ist man wirklich eine Weile beschäftigt (lacht). Nach zwei, zweieinhalb Stunden gehe ich dann ans Set.

Ist es anstrengend, in den Kostümen zu gehen?

Sehr, das unterschätzt man auch meisten, wenn man solche Kostüme noch nie getragen hat. Natürlich könnte man eine Corsage beispielsweise lockerer binden, aber das sieht dann auch anders aus. Da zählt jeder Centimeter. Ich leide schon etwas, und das macht auch etwas mit meinem Spiel. Ich denke, ich würde die Figur anders spielen, wenn ich nicht diese Enge und dieses Unbehagliche spüren würde. Für mich sind die Kostüme auch wie Stellvertreter für das höfische Leben, was so indoktriniert auf einen drauf gestülpt wird. Mir hilft das Unbequeme und dass ich Elisabeth nicht in Jogginghosen spielen muss. Es gibt einem eine gewisse Würde und lässt einen die Last des Systems auf den eigenen Schultern spüren.

2023 haben Sie den Deutschen Schauspielpreis in der Kategorie Nachwuchs erhalten. Setzen solche Preise unter Druck, noch mehr abliefern zu müssen?

Sicher kann man auf den Gedanken kommen, aber ich versuche, das von mir fernzuhalten. Ich möchte mir das nicht so bewusst machen, weil der Druck sowieso da ist – Preis oder nicht. Man möchte gefallen und gut gefunden werden. Das ist etwas, was viele junge Menschen kennen, die ins Berufsleben einsteigen: Man möchte von den richtigen Leuten gesehen und gefördert werden. Vielleicht hat man Vorbilder, denen man nacheifern möchte, aber man möchte auch seine eigenen Visionen verwirklichen. Zugleich muss man sich immer mit den Kolleginnen und Kollegen austauschen. Es geht viel darum, dass richtige Gleichgewicht zu finden: Was möchte ich und was kann ich selbst dafür tun? Und wen kann ich zu meinem guten Umfeld zählen, um meine Pläne zu verwirklichen? Was möchte ich für Kunst machen?

„Die Kaiserin – Staffel 2“ - Ab dem 22. November auf Netflix.

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