Neuer Fall aus Köln

"Tatort: Schutzmaßnahmen" - radikal klassisch

01.01.2023, 08.29 Uhr
von Eric Leimann

Im Restaurant von Schenks Tochter gibt es einen Toten. Das Opfer wollte einen Brandsatz zünden. Die Kölner Kommissare ermitteln in einem altmodischen Krimi.

ARD
Tatort: Schutzmaßnahmen
Kriminalfilm • 01.01.2023 • 20:15 Uhr

Dem Kölner "Tatort", der mit dem Oktober-Fall "Spur des Blutes" sein 25-Jahre-Jubiläum feierte, wirft mancher vor, konventionell gestrickt zu sein. Was dem Quotenerfolg Max Ballaufs (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenks (Dietmar Bär) allerdings keinen Abbruch tat. Im Gegenteil: Die beiden Ermittler Anfang 60 stehen in der deutschen "Tatort"-Landschaft für routinierte Ermittlungsarbeit, bei der man bekommt, was immer noch viele Leute sehen wollen: klassische Krimirätsel, manchmal mit "sozialen Themen" unterfüttert, die nach 90 Minuten gelöst sind. Dass sich mit Fällen wie "Vier Jahre" oder "Niemals ohne mich" auch immer wieder deutlich überdurchschnittlich gute Fernsehfilme im Kölner Œuvre befinden, wird dabei gerne vergessen.

Im Neujahrsfall "Schutzmaßnahmen" scheinen die Macher (Buch: Paul Salisbury, Regie: Nina Vukovic) allerdings gewillt, einen radikal "klassischen" Köln-Krimi zu drehen. Und das nicht nur, weil Freddy Schenks zuletzt 1999 mitspielende Tochter Sonja (Natalie Spinell) einen wichtigen Part in der Handlung bekommt. Auch auf den Filmbildern scheint ein Gelbstich zu liegen , der einen – gewollt oder Zufall? – an alte Zeiten erinnert. Vielleicht deshalb, weil die Geschichte über eine bunte innerstädtische Nachbarschaft ohnehin wie aus einem deutschen 90er-Jahre-Krimi wirkt, der sich an Themen wie "Multikulti" herantasten will: Sonja Schenk betreibt mit ihrem kochenden Lebensgefährten Karim Farooq (Timur Isik) das Restaurant "Wunderlampe". Während einer Demonstration dringt ein Vermummter in das leere Lokal ein und will einen Brandsatz zünden. Dabei wird der Feuerteufel allerdings selbst zur Strecke gebracht, sein Leichnam verbrennt danach.

Max und Freddy, der froh ist, dass seiner Tochter, ihrem Freund und der 15-jährigen Enkelin Frida Schenk (Maira Helene Kellers) nichts passiert ist, finden heraus, dass der Tote ein Sohn des auf dem gleichen Kiez wirtschaftenden Feinkosthändlers Viktor Raschke (Manfred Zapatka) ist. Doch warum wollte er das Lokal anzünden – und wer hat ihn daran gehindert? Freddy, der von Max aufgrund seiner Befangenheit in eine eher "private" Ermittlungsrolle gedrängt wird, ist diesmal neben dem Kommissar auch Vater, (skeptischer) Schwiegervater und Opa. Auch die anderen Figuren dieses vor allem in der Kölner Weidengasse gedrehten Nachbarschaftsfilms machen in Familie: Viktor Raschke hat noch einen zweiten Sohn, Marko (Paul Wollin), und eine kleine Enkelin. Insgesamt scheint das "Familienunternehmen" Raschke recht einflussreich im Viertel.

Was aber hat die türkische Famlie um Matriarchin Aylin Göktan (Günfer Çölgeçen) mit der Sache zu tun? Und warum treffen sich viele der Charaktere immer wieder in der abgeranzten Kneipe "Hugos Eck", in der Dackel-Besitzerin Ulla Waldstätt (Almut Zilcher) tröstende Schnäpse ausschenkt?

Vor allem jenes "Hugos Eck", in dem Songs wie Katja Ebsteins "Abschied ist ein bisschen wie sterben" aus der Musikbox dräuen, ist eine Kneipe wie aus einem vergangenen Fernsehjahrzehnt: Hier bekommt man ohne zu fragen "etwas Kräftiges" zur Begrüßung auf die Theke gestellt und die Besitzerin sucht mit sämtlichen Nachbarn ein Gespräch über die Melancholie des Lebens. Ansonsten spart die Wirtin mit Herz am rechten Fleck für eine künstliche Hüfte ihres Rauhaardackels. Drollig, diese Kiezbewohner!

Kein Fall, der in Erinnerung bleibt

Unterm Strich ist die Story von Paul Salisbury, der mit "Atlas" (2018) – nominiert für zwei deutsche Filmpreise – bewiesen hat, dass er aus Kleine-Leute-Geschichten viel rausholen kann, ein bisschen konventionell geraten. Die Beziehungen der Figuren sind arg konstruiert, und der mittlerweile 80-jährige Manfred Zapatka muss einige B-Movie-"Paten"-Sprüche aufsagen, die man dem Schauspiel-Grandseigneur im Spätherbst der Karriere gerne erspart hätte. Unterm Strich ist "Schutzmaßnahmen" ein "Tatort", dem man in der langen Liste Kölner Fälle – 86 sind es mit diesem – nicht allzu lange in Erinnerung halten wird.

Und wenn, dann nur deshalb, weil Schauspielerin Natalie Spinell nach 23 Jahren überzeugend in eine Rolle zurückkehrt, die sie letztmals als Teenagerin spielte. Wer den Kölner "Tatort" schon lange verfolgt, weiß, dass Freddy Schenk noch eine zweite Tochter hat: Melanie Schenk, früher gespielt von Karoline Schuch, tauchte in der Zeit von 2001 bis 2010 in insgesamt sechs Fällen auf. Eine Familienzusammenführung, bei der vielleicht sogar Freddy Schenks Frau das erste Mal überhaupt auftreten könnte, müsste nun das Ziel eines weiteren Familien-"Tatorts" aus Köln sein.

Tatort: Schutzmaßnahmen – So. 01.01. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH