Bei "Markus Lanz"

AfD-Chef Chrupalla schwärmt vom Brexit und behauptet Björn Höcke sei "nicht rechtsextrem"

07.02.2024, 12.55 Uhr
von Natascha Wittmann

Björn Höcke sei "nicht rechtsextrem", der Brexit sei wirtschaftlich sinnvoll gewesen und die AfD sei eine "Grundgesetz-Partei"; bei solchen Aussagen des AfD-Chefs Tino Chrupalla lief es Moderator Markus Lanz "kalt den Rücken herunter". 

Nicht nur im Osten des Landes gewinnt die AfD auf Basis der Wählerstimmen immer mehr an Fahrtwind. Und das, obwohl das Bundesamt für Verfassungsschutz aktuell die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative, als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat. Bei "Markus Lanz" zeigte sich AfD-Chef Tino Chrupalla unbeeindruckt von der Entwicklung und stellte klar, dass noch nichts entschieden sei, denn: "Das ist jetzt im Eilverfahren. Wir klagen dort weiter." Allgemein ärgerte sich Tino Chrupalla dennoch über das Bundesamt für Verfassungsschutz, da er aufgrund der fehlenden Kommunikation nicht wisse, "was uns vorgeworfen wird". Dies mache "es natürlich schwierig, zu reagieren".

AfD-Politiker erhebt schwere Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz

In dem Zusammenhang äußerte der AfD-Co-Vorsitzende den Verdacht, dass die Einschätzung des Verfassungsschutzes "auch wahlpraktisch begründet" sei, denn "es stehen Landtagswahlen in diesem Jahr an. Damit will man natürlich eine starke Opposition klein machen". Ein schwerer Vorwurf, der Lanz fassungslos machte: "Jetzt ernsthaft? Der Verfassungsschutz, sagen Sie, wird politisch missbraucht?" Chrupalla nickte energisch und behauptete: "Ja, es ist eine weisungsgebundene Behörde, die (...) von Innenministern mit Parteibuch natürlich Instruktionen bekommt." Laut des AfD-Mannes werde damit "wahltaktisch" versucht, "die Bürger (...) zu beeinflussen. Aber das wird nicht gelingen. Gerade in Ostdeutschland gelingt es nicht mehr."

Als Tino Chrupalla immer wieder deutlich machte, dass er nicht wisse, warum die AfD und die Junge Alternative als "gesichert rechtsextrem" eingestuft werde, hakte Lanz konkret nach: "Ist jemand wie Björn Höcke für Sie rechtsextrem?" Chrupalla wiegelte ab und sagte: "Der ist für mich nicht rechtsextrem." Chrupalla erklärte weiter, dass für ihn ein Extremist sei, wer "mit Gewalt oder mit Gewaltfantasien versucht, die freiheitlich demokratische Grundordnung infrage zu stellen oder diese zu bekämpfen". Diese Tendenzen sehe er weder bei Höcke noch bei anderen AfD-Mitgliedern.

Chrupalla schätzt Weidels Rede als "nicht problematisch" ein

"Und wenn einer aus der Reihe tanzt, dann wird er auch diese Partei verlassen müssen. Das ist die klare rote Linie. Wir sind Grundgesetz-Partei", verdeutlichte der AfD-Chef. Chrupalla fügte wütend hinzu: "Wer hier mittlerweile in diesem Land nicht regierungskonform agiert, wird immer mehr und wird immer häufiger als rechtsextrem eingestuft. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie ich eingestuft bin. Über mich werden auch Akten angelegt!" In dem Zusammenhang finde er es allgemein "nach der Wiedervereinigung abenteuerlich, dass Akten wieder von Menschen angelegt werden".

Ebenso finde er "die Verrohung in der aktuellen politischen Debatte in dieser aufgeheizten Situation in Deutschland von allen Parteien (...) nicht in Ordnung". Eine Steilvorlage für Markus Lanz, der den AfD-Politiker auf eine kürzliche Rede von Alice Weidel ansprach, in der sie der Ampelregierung vorwarf, Deutschland zu hassen. "Finden Sie das gut?", wollte Lanz wissen. Tino Chrupalla antwortete unbeeindruckt: "Ich finde, das ist noch im Rahmen dessen, was sagbar ist. In keinster Weise finde ich das problematisch."

Lanz: "Mir geht's da kalt den Rücken runter"

Lanz reagierte geschockt: "Mir geht's da kalt den Rücken runter." Chrupalla blieb jedoch bei seiner Meinung und stellte klar, dass es ihm "bei anderen Reden, auch vom Bundeskanzler" ebenfalls kalt den Rücken runterlaufe. Gleichzeitig nahm er Alice Weidel in Schutz und sagte: "Jeder Politiker hat seinen eigenen Stil." Als Chrupalla auch immer wieder gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen schoss, konterte Lanz, dass er es schwierig finde, "zu insinuieren, da gibt es diese finsteren Kräfte auf der einen Seite und die haben nichts anderes im Sinn, außer uns (...) in ein komisches Licht zu rücken".

Auch CDU-Politiker Claus Ruhe Madsen äußerte seine Bedenken und sagte, dass Deutschland "mit solchen Auseinandersetzungen" sicherlich "nicht nach vorne" komme. Dies brachte Lanz auf das Thema Wirtschaft zu sprechen. Mit Blick auf die steigenden Wählerstimmen wollte er mit Chrupalla über die konkreten Pläne der AfD reden und fragte: "Was ist die Position – wollen Sie raus aus der EU, wollen Sie bleiben?" Zunächst antwortete Chrupalla schwammig, dass sich die Europäische Union "reformieren" müsse, da sie "immer mehr (..,) in souveräne Staaten" eingreife.

Moderator fassungslos über "Verschwörungstheorie"

Dann wurde der AfD-Chef konkreter, als er sagte, es müsse für Deutschland "als höchsten Netto-Einzahler die Möglichkeit bestehen, diese Union zu verlassen". Lanz hakte nach: "Haben Sie eine Idee, wie viel deutscher Wohlstand verloren ginge, wenn wir aus der EU aussteigen würden?" Statt konkrete Zahlen zu nennen, antwortete Chrupalla sichtlich genervt: "Erzählen Sie mir – haben Sie eine Idee?" Als der ZDF-Moderator dem AfD-Mann konkrete Zahlen vorlas, stellte Chrupalla die Berechnungen der Ökonomen infrage und schwärmte von der wirtschaftlichen Lage in Großbritannien seit dem Brexit.

"Das ist jetzt wirklich Verschwörungstheorie, was Sie hier machen", konterte Lanz fassungslos. Er machte in dem Zusammenhang weiter deutlich, dass Deutschland bei einem EU-Austritt mehrere hundert Milliarden Euro pro Jahr verlieren würde. Tino Chrupalla blieb jedoch standhaft: "Das bezweifle ich." Eine Aussage, die den ZDF-Moderator wütend machte: "Warum bezweifeln Sie alles, Herr Chrupalla? Ich verstehe das nicht. Sie sind doch ein netter, sympathischer Handwerker aus dem Landkreis Görlitz."

Auch Claus Ruhe Madsen kommentierte an dieser Stelle und meinte: "Ich hoffe, dass unglaublich viele Menschen das gerade gesehen haben und sich darüber im Klaren sind, wie bedrohlich das für unsere Wirtschaft und unser Wachstum wäre." Er sei "stolz und froh, dass ich meiner Tochter seit 15 Jahren nicht erklären muss, was in Europa eine Grenze ist".


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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