"Die verkaufte Prinzessin"

Judith Neumann über ARD-Märchen: "Wir müssen keine Klischees erfüllen"

03.01.2024, 09.14 Uhr
von Julian Lorenz

Im ARD-Märchen "Die verkaufte Prinzessin" sucht Melisa, die wie ihr Großvater im Bergwerk arbeiten möchte, fernab aller Klischees ihren Platz im Leben. Wir haben mit Judith Neumann über ihre Rolle gesprochen.

Sie spielen im ARD-Märchen „Die verkaufte Prinzessin“ mit. Was hat es mit diesem Titel auf sich?

Die verkaufte Prinzessin wird in Wahrheit schlussendlich nicht verkauft, da dies meine Figur, Melisa, verhindert. Es ist eine Intrige, die der böse Onkel und der Zwillingsbruder von Prinzessin Sophia zusammen spinnen. Dieser Plan kann jedoch dank meiner Figur Melisa nicht in die Tat umgesetzt werden. Melisa rettet die Prinzessin nämlich gleich zwei Mal. Wenn man es genau nimmt, könnte man „Die gerettete Prinzessin“ sagen (lacht).

Die Prinzessin ist in Not, der männliche Held kommt und rettet sie. Das ist die klassische Märchengeschichte. Aber „Die verkaufte Prinzessin“ ist definitiv kein klassisches Märchen. Was macht die Geschichte in dieser Hinsicht besonders?

In dieser Geschichte geht es darum, dass zwei Frauen die Hauptfiguren spielen und sich gegenseitig unterstützen und inspirieren, voneinander verzaubert sind und sich auch in schwierigen Lagen helfen. Das gibt es in Filmen und auch im deutschen Fernsehen noch viel zu wenig, dass zwei Frauen wirklich füreinander und miteinander anstatt gegeneinander arbeiten. Denn wie Sie gerade schon gesagt haben, sind es eben doch meist Männer in der Heldenrolle. In „Die verkaufte Prinzessin“ ist das anders. Hier sehen wir außerdem „die Frau“ als selbsthandelndes Subjekt der Geschichte. Meine Figur ist eine aktive Frauenrolle, sie leitet durch das Märchen, kann als Heldin und Vorbild betrachtet werden. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich unbedingt bei diesem Film mitmachen wollte. Meine Hoffnung ist, dass der Film es schafft, weg von Rollenbildern und Klischees zu kommen und die Zuschauenden mitnehmen, dass es nicht nötig ist, sich und andere in Schubladen zu stecken.

Außerdem geht es in unserem Märchen um Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern.

Wie versucht „Die verkaufte Prinzessin“ konkret, gegen Rollenbilder anzukämpfen?

Der Film zeigt vor allem beim Thema Beruf, dass wir alles dürfen. Egal ob wir männlich, weiblich oder divers sind: Wir müssen keine Klischees erfüllen. Meine Figur Melisa möchte zum Beispiel im Bergwerk arbeiten und deshalb tut sie es einfach. Ihr ist egal, was andere darüber denken.

Inwiefern haben Filme Ihrer Meinung nach das Potenzial, die Konventionen und Ansichten einer Gesellschaft zu verändern?

Ich finde das Potenzial bei Filmen liegt darin, das, was man zu wissen glaubt, infrage zu stellen und dazu anzuregen, anders zu denken. Gerade bei Kinderfilmen geht es oft um Held:innen und Vorbilder und wenn man was anderes zeigt, eröffnet es andere Denkräume. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass das meiste Potenzial bei Kinderfilmen und -büchern liegt. Mich hat zum Beispiel Pippi Langstrumpf geprägt. Damals war es ja noch ungewöhnlicher als heute, ein Mädchen zu sein, die so stark ist und einfach alles kann. Auch Ronja Räubertochter hat mich inspiriert. Es ist elementar wichtig, dass es verschiedene Held:innen und Vorbilder Geschichten gibt, mit denen sich Kinder identifizieren können. Dabei sollten Filme nie die Moralkeule schwingen und Ansichten aufzwingen. Sie sollten eher zum Nachdenken anregen und natürlich trotzdem unterhaltsam sein.

Erfüllt denn „Die verkaufte Prinzessin“ diese Anforderungen?

Ich denke schon. Der Film stellt keine Regeln auf, sondern zeigt einfach neue Möglichkeiten. Aber das endgültige Urteil können nur die Zuschauenden fällen.

Diversität in Filmen wird oft heiß diskutiert. In „Die verkaufte Prinzessin“ ist die Mutter der Prinzessin und ihres Bruders schwarz. Anderen Filmen wurde bei ähnlicher Besetzung Realitätsferne vorgeworfen. Wie sehen Sie das?

Ein Film muss nicht die Realität abbilden und darf erst einmal alles. Unser Film könnte anregen, wie es anders hätte damals sein können oder wie heute Gesellschaft anders gedacht werden könnte. Bei „Die verkaufte Prinzessin“ sind wir in einer Phantasiewelt unterwegs. Wir orientieren uns zwar am Europa des 19. Jahrhunderts, aber trotzdem ist die Welt fiktiv. Wenn wir jetzt anfangen, Märchen darauf zu untersuchen, wie realistisch sie sind, kommen wir ja nicht weit. Da gibt es beispielsweise mystische Wesen, da beschwert sich auch niemand. Deshalb kann es in unserer Märchenwelt natürlich realistisch sein, dass ein deutscher Fürst eine schwarze Frau hat. Aber auch in Filmen, die in der realen Welt spielen, sollte es sich mehr etablieren, dass die deutsche Gesellschaft in ihrer Gesamtheit abgebildet wird. Denn es sind nicht alle Deutschen weiß.

Wollten Sie schon immer Schauspielerin werden oder hat sich das erst später ergeben?

Meine Kindheit war vielseitig künstlerisch geprägt. Als ich dann in meiner Jugend sehr viel und intensiv Theater gespielt und gesehen habe, war es fast schon eine logische Konsequenz, es auch beruflich zu machen.

In Ihrer Filmografie finden sich eine Menge Werke. Gibt es einen Film oder eine Serie, die Ihr persönlicher Favorit ist?

Ich nenne da immer gern ein Projekt, das von Studierenden gemacht wurde. In "Haut" spiele ich eine starke junge Mutter, deren Gesicht durch einen Unfall entstellt ist und die versucht, so gut es geht, ein normales Leben zu führen. Ich hatte mich damals intensiv mit dem Thema Verbrennungen und den Folgen beschäftig und mich emotional auch sehr mit der Figur verbunden gefühlt. „Haut“ ist künstlerisch betrachtet mein Favorit. (Man kann den Film, inklusive Interview der Produzentinnen, in der ARD Mediathek sehen: „Kurzfilm Haut von Nancy Camaldo, Elfenholz Filmproduktion.)

Ich mag außerdem auch die komödiantischen Projekte, bei denen ich immer wieder mitspiele. Das macht unheimlich viel Spaß.

Wo können Fans Sie in nächster Zeit im TV sehen?

Nächstes Jahr bin ich in der vierten Staffel der Serie „Charité“ in einer Episodenhauptrolle zu sehen. Das war eine schöne Zusammenarbeit und ich freue mich sehr, wenn die Serie im kommenden Frühjahr in der ARD ausgestrahlt wird. Das besondere an der neuen Staffel: Sie spielt in der Zukunft.

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