Dokumentarfilm im ZDF

"Der Maulwurf – Undercover in Nordkorea": Warum Sie diese Doku sehen sollten

von Eric Leimann

Einer kleinen Gruppe von Amateuren ist es gelungen, über zehn Jahre als Undercover-Spione zu arbeiten und internationale Waffengeschäfte aufzudecken. Dabei herausgekommen ist der wohl unglaublichste Dokumentarfilm des Jahres.

Natürlich glaubt jeder, Szenen wie diese schon einmal gesehen zu haben: Eine Gruppe von Männern trifft sich konspirativ in einem Hotelzimmer. Die Gesichter mehr oder weniger angespannt, zumindest konzentriert. Dem einen sieht man seine Nervosität mehr an, dem anderen weniger. Es geht um schmutzige Deals. Zum Beispiel Dreiecksgeschäfte mit Hightech-Waffen aus Nordkorea, die mit Erdöl bezahlt werden, welches der Waffenkunde, ein unbescholtener europäischer Geschäftsmann, seinerseits mit Geld bezahlt hat. Er wiederum will die Raketen und Sprengköpfe nach Syrien verticken. Im Hotelzimmer werden Hände geschüttelt, man hofft, dass man einander vertrauen kann. Es wird Alkohol getrunken, Verträge werden unterzeichnet – und erstaunlicherweise auch viele Handyfotos und -videos geschossen. Warum man glaubt, diese Szene zu kennen? Weil man sie in unzähligen Thrillern und Krimis so oder so ähnlich gesehen hat. Was den Film "Der Maulwurf – Undercover in Nordkorea" einzigartig macht, ist die Tatsache, dass man solche Treffen und Deals nun in echt verfolgen kann. Nicht inszeniert, nicht nachgestellt – sondern mit versteckter Kamera gefilmt und in die spannende persönliche Reise eines ganz normalen Kochs und Familienvaters verpackt.

Das ziemlich unglaubliche, gleichzeitig kaum effekthascherische Werk "Der Maulwurf – Undercover in Nordkorea" des vielfach preisgekrönten Regisseurs Mads Brügger ("The Red Chapel") ist ab 1. April in der ZDF-Mediathek zu sehen. Am Dienstag, 6. April, läuft der Film um 20.15 Uhr bei ZDFinfo und am Mittwoch, 7. April, 0.45 Uhr, im ZDF. Schließlich folgt noch eine Primetime-Ausstrahlung am Mittwoch, 14. April, 20.15 Uhr, bei 3sat. Über zwei etwa einstündige Folgen begleitet man den Koch Ulrich – genannt "der Maulwurf" – auf einer zehn Jahre dauernden Geheimmission, die er selbst dem Regisseur Brügger vorgeschlagen hat.

Die Idee: sich in Unterstützerkreise des Regimes im Ausland einschleusen und darüber die Verbrechen von Kim Jong-un und seinem Apparat zu enttarnen. Dass im Laufe des Films klar wird: Überall auf der Welt ist ein gutes Geschäft mehr wert als selbst niedrigst angesetzte Standards von Recht und Humanität, ist ein Neben-Lerneffekt dieser skandinavischen Ausnahme-Dokumentation.

Die Story beginnt ganz harmlos mit dem Infiltrieren einer Gruppe kommunistischer Spinner in Dänemark. Bestückt mit versteckten Mikrofonen und Kameras macht der Maulwurf Karriere bei der "International Korean Friendship Association", einem Haufen von Altlinken, die in Nordkorea so etwas wie die letzte Bastion des reinen Sozialismus sehen. Schnell steigt Ulrich in der Organisation auf und freundet sich mit dem spanischen Vorsitzenden der "Association" an – einem gefühlig jovialen Strippenzieher, einem "kleinen Diktator im eigenen Reich", wie es an einer Stelle des Films heißt. Allein die Beziehung zwischen Koch Ulrich und jenem Mann mit dem klangvollen Namen Alejandro Cao de Benós de Les y Pérez ist eine eigene spannende Story des Films, in der es um Vertrauen, behauptete Freundschaft und schließlich die Enttarnung eines Doppellebens geht.

Die versteckte Kamera ist immer dabei

Nachdem sich Ulrich in der Organisation etabliert und auch schon Reisen nach Nordkorea unternommen hat, schlägt er Alejandro ein Geschäft vor. Die Filmemacher erfinden dafür den finanzkräftigen Investor Mr. James. Ein ehemaliger Fremdenlegionär und Kokain-Dealer soll als norwegischer Öl-Milliardär auftreten und Waffen und Drogen von Nordkorea ordern. Alejandro und seine Kontaktleute in Nordkorea scheinen sehr interessiert. So dokumentieren die beiden Maulwürfe, Ulrich und "Mr. James", mit versteckter Kamera ihre Verhandlungen über den Bau einer illegalen Waffenfabrik in Uganda. Dafür wird kurzerhand eine Insel gekauft, deren Bevölkerung umgesiedelt werden müsste, um unter einem geplanten Touristenressort Raketen bauen zu können. Geld floss über all die Jahre wohl kaum, doch die Modelle der Waffenfabrik standen zur Ansicht bereit, Hotelzimmer und Catering wurden gemietet sowie eine Yacht, auf der sich der falsche Milliardär standesgemäß präsentierten konnte.

Regisseur Mads Brügger, dem das Filmfest München bereits 2019 eine Retrospektive widmete, gilt als einer der außergewöhnlichsten Dokumentarfilmer Europas. Als europäischer Michael Moore oder auch "intellektueller Borat" wurde er bezeichnet, wobei beides nicht ganz zutrifft. Klar ist, dass der 48-jährige Däne ungewöhnlich drastische Versuchsaufbauten für seine Filme wählt und es zudem versteht, auf nüchterne Weise viel Menschlichkeit in seinen hanebüchenen Wagnisse zu transportieren. Wenn Ulrich nach einem Treffen mit seinem Freund/Feind Alejandra nur knapp der Enttarnung mithilfe von Wanzendetektoren entgeht, sieht man ihm "live" beim Erbrechen nach dem Treffen zu. Irgendwo muss die ganze Anspannung ja hin. Auch ein bewegender Moment: Wenn Ulrich seiner Frau am Ende des Films nach zehn Jahren erzählt, dass er ein Doppelleben führte. Die Reaktion der nur von hinten gefilmten Frau lässt offen, ob diese Familie nach dem Husarenstück dieses Films in ihrer alten Form weiterexistierte.

Was den Dokumentarfilm so stark macht, ist jedoch der Verzicht auf jegliche inszenierte Spannung, wie man sie von vergleichbaren Produktionen kennt. Diese Geschichte ist so stark, ihre Umsetzung so konsequent wagemutig, dass einfach nichts hinzuerfunden werden muss. Ein Höhepunkt für sich ist am Ende die Aufdeckung der Tarnung, als die Filmemacher entschieden, genug herausgefunden zu haben. Man unterhält sich übers Untertauchen, die Protagonisten des Films erhielten Morddrohungen, trotz erdrückender Beweise wiesen viele "Bösewichte" des Films alle Anschuldigungen gegen sie zurück. Sehr gut ist auch die Begründung, die der Spanier Alejandro Cao de Benós de Les y Pérez zu seinen Machenschaften im Film abgab. Er habe bei den Verhandlungen mit Mr. James einfach mitgespielt, "ohne jegliche Ernsthaftigkeit". "Der Maulwurf – Undercover in Nordkorea" ist so oder so ein Film, der einen staunen macht.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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